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Dienstag, 10.06.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Theater

Opernpremiere im Martinipark: Maskenball als Totentanz

Roman Hovenbitzers Inszenierungskonzept von Verdis „Un ballo in maschera“ erschließt sich dem Publikum erst allmählich. Die stimmige Fahrt Riccardos in den Untergang hätte dennoch etwas weniger Unruhe und etwas mehr Farbe vertragen.

Von Halrun Reinholz

Riccardo (Max Jota) mit der Wahrsagerin Ulrica (Kate Allen)

Der theaterverrückte König inszeniert sich und sein Leben selbst. Diese Grundidee nimmt Regisseur Roman Hovenbitzer für seine Inszenierung von Verdis Oper „Il ballo in maschera“, auch als „Maskenball“ geläufig, auf der Bühne des Martiniparks auf. Vorlage des Librettisten für den kunstaffinen König war Gustav III. von Schweden, der tatsächlich bei einem Maskenball ermordet wurde. Auf Verbot der Zensur durfte der Ermordete kein König sein, deshalb wurde die Handlung in die Vereinigten Staaten verlegt und der „König“ ist dort Gouverneur. Doch das vergisst der Opernliebhaber schnell, denn selbstverständlich geht es in bester Verdischer Manier um die Intrigen und Gebaren auf dem Hof eines absolutistischen, egozentrischen Herrschers. Riccardo (Max Jota als facettenreicher Gastsolist) gibt den Ton an, das ist von Beginn an klar, wenn er mitten im Saal am „Regiepult“ steht und sein „Assistent“ Oscar ihm zuarbeitet. Die Hosenrolle des Pagen erhält hier ein bisschen was von Cherubino und Puck und damit wesentlich mehr Gewicht als in der Original-Oper. Sie wird von der quirligen Olena Sloia stimmlich wie darstellerisch wunderbar verkörpert. Oscar hilft Riccardo in sein „Flügelkleid“, in dem er, Ikarus gleich, seinen künstlerischen Höhenflügen zustrebt. Dass die Realität der Opernhandlung, also des richtigen Lebens, diese Höhenflüge immer wieder durchkreuzt, versucht der Regisseur mit Hilfe eines durchsichtigen Vorhangs zu vermitteln, der Schein und Sein trennt. Doch es dauert eine ganze Weile, bis sich das den Zuschauern erschließt. Zumal man immer wieder abgelenkt wird vom Gehampel der Protagonisten, vor allem Riccardos, zwischen Bühne und Regiepult. Hinzu kommen großzügige und aufwendige Video-Einblendungen und zu allem Überfluss noch gesprochene Texte, die die Handlung wohl mit tieferem Sinn aufladen sollen, den musikalischen Fluss der Oper jedoch sehr stören. Ein bisschen weniger Aktionismus und Unruhe hätte gutgetan.

Riccardo (Max Jota) mit Amelia (Sally du Randt)

Zumal die Handlung sich unabhängig von Schauplatz oder zeitlicher Verortung leicht erschließt. Es geht um einen egomanen (wenn auch durchaus charismatischen) Herrscher, der sich in die Frau seines besten Freundes und Beraters verliebt: Amelia, dargestellt von der in jeder Hinsicht brillierenden Sally du Randt. Der betrogene Ehemann Renato (Shin Yeo bei der Premiere, Zweitbesetzung Wiard Witholt ) ist gerade dabei, Riccardo vor einer Verschwörung zu warnen, als er die Beziehung entdeckt und schnurstracks zu den Verschwörern überläuft. Ihn bestimmt das Los, den König bei einem Maskenball zu töten. Dieser war allerdings schon davor von der Wahrsagerin Ulrica (Kate Allen) vor seinem baldigen Tod gewarnt worden, hatte dies jedoch in fatalistischer Weise ignoriert. Diese dramatische Grundsituation setzt Verdi gewohnt meisterhaft musikalisch um, und die Sängerinnen und Sänger des Abends folgen ihm in virtuosem Zusammenspiel. Das gilt auch für die verschwörerischen Gegenspieler des Königs, allen voran Tom (Avtandil Kaspeli), die durch den Herrenchor ergänzt wurden. Für den dramaturgischen Spannungsborgen war es deshalb eher kontraproduktiv, die Bedeutung des Ehebruchs durch idyllische Familienfilmchen aus dem Alltagsleben Renatos mit Frau und Kind zu untermauern.

Maskenball als Totentanz. Vorne: Max Jota (li.), Sally du Randt (re.) – Fotos Jan-Pieter Fuhr

Der schicksalhafte Untergang Riccardos ist in diesem Regiekonzept ein düsterer Totentanz. Einförmig die Masken beim Maskenball – lauter fast gleiche Totenköpfe. Entsprechend ist das Bühnenbild die ganze Zeit über konsequent von Licht und Schatten, Schwarz und Weiß und Grau dominiert. Die Kostüme sind heutig, meist Alltagskleidung in gedeckten Farben, nur die Wahrsagerin Ulrica trägt ein satanisches Rot. Dem tödlichen Ausgang der Oper ist das vielleicht angemessen, der Theater-im-Theater-Inszenierung des kunstaffinen Egomanen wohl kaum. Dazu hätte ein farbenfroher Tanz auf dem Vulkan besser gepasst.

Großer Jubel beim Schlussapplaus des Premierenpublikums, der vor allem den Sängerinnen und Sängern, dem Chor sowie dem Orchester unter der Leitung von Domonkos Héja galt.

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