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Mittwoch, 26.11.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Musik

All That Jazz: Das Musical „Chicago“ auf der Freilichtbühne

Nach der langen Abstinenz mutet es fast surreal an, zwischen lebendigen Menschen auf den Rängen der Freilichtbühne zu sitzen. Klar, in gebührendem Abstand und mit freien Reihen dazwischen, die Maske jederzeit griffbereit. Man hat sich an einiges gewöhnt in den letzten 18 Monaten. Und dieser fast normal wirkende Theaterabend lässt hoffen, dass zumindest der Sommer ein nur wenig eingeschränktes Kulturerleben ermöglicht.

Von Halrun Reinholz

Chicago: : Katja Berg und Sidonie Smith — Foto © Jan-Pieter Fuhr

Das Musical „Chicago“ steht in dieser Saison auf dem Spielplan. Eine Geschichte, die vor ziemlich genau 100 Jahren spielt. Thematisiert wird die Macht der Medien bei der Manipulation der öffentlichen Meinung. Wen interessiert schon die Wahrheit, wen es um einen Mordfall geht? Der geschickte Anwalt Billy Flinn („der noch nie einen Prozess verloren hat“) strickt daraus die herzzerreißende Geschichte einer unschuldig in den Strudel der Umstände geratenen reuevollen, nun ja, Mörderin. „Ich hab den Kerl umgebracht, aber ich bin unschuldig.“

Ein höchst aktuelles Thema. Doch verglichen mit der Komplexität der heutigen sozialen Medien fast gemütlich überschaubar.

Im Chicago der 1920er Jahre war die Welt aus den Fugen geraten. Die Stadt boomte wirtschaftlich, erreichte gerade drei Millionen Einwohner, war ein Eldorado des aufkommenden Jazz. Und daneben auch eine Hochburg des Schwarzhandels und der Bandenkriminalität. Doch darum ging es der Reporterin Maurine Dallas Watkins nicht, als sie ein Stück über durch Frauen begangene Morde schrieb. Aus dem Stoff machten Fred Ebb und Bob Fosse zusammen mit dem Musiker John Kander ein Musical, das seit 1975 erfolgreich durch die Musical-Welt geistert und auch verfilmt wurde.

Die Freilichtbühne wird dominiert von einem Gefängnis, im Halbrund übereinander geordnete Zellen. (Bühne: Harald Thor), die gleichzeitig die Plattform für Show-Einlagen bieten. Rechts daneben eine kleinere Drehbühne für die individuellen Szenen, die die Handlung vorantreiben. Ausgelöst wird diese dadurch, dass Roxie Hart (Katja Berg) kaltblütig ihren Liebhaber Fred Casely (Alexander Sichel) erschießt, als dieser sie zu verlassen droht. Im Frauengefängnis hat Mamma Morton (Marianne Larsen) das Sagen. Sie „vermarktet“ die Mörderinnen mit Hilfe des Star-Anwalts Billy Flinn (Alexander Franzen), was für sie einiges abwirft. Roxie kommt dabei aber Velma Kelly (Sidonie Smith) in die Quere, die gerade dabei ist, ihre Doppelmörderinnen-Geschichte gewinnbringend in die Medien zu bringen. Roxie fährt alle Geschütze auf, wird freigesprochen. Doch die Medien wenden sich ab, denn  ein neuer, noch sensationellerer Mordfall beansprucht ihre Aufmerksamkeit.

Der Regisseur und Choreograf Gaines Hall macht aus der Geschichte ein leichtfüßiges Sing- und Tanz-Fest, das ganz in der Tradition der 1920er Jahre steht. Das hauseigene Ballett-Ensemble bringt Step und Charleston auf die Bühne, aber auch eindrucksvolle Nummern wie den „Zellen-Tango“.

In ihrem regensicheren „Käfig“ erbringen die Augsburger Philharmoniker unter der Leitung von Justin Pambianchi den Beweis, dass sie auch veritablen Jazz auffahren und das Lebensgefühl der 1920er damit wiedergeben können. Das Publikum im Gerichtssaal (hauptsächlich Mitglieder des Opernchors) tritt in Zirkuskostümen als „öffentliche Meinung“ auf und symbolisiert damit unter der Peitsche des „Dompteur-Anwalts“ Billy Flinn den „Hokuspokus“, der nötig ist, um diese zu manipulieren.

Nicht zum ersten Mal zeigt das Staatstheater, dass es sich mittlerweile auch sicher auf dem Musical-Parkett bewegt. Für die Produktionen der Freilichtbühne wird das eigene Ensemble durch Gäste ergänzt, von denen einige durchaus „Stammgäste“ geworden sind. Die Hauptdarstellerin der Roxie Katja Berg war schon mal in der Rolle einer anderen Roxy zu sehen („Roxy und ihr Wunderteam“). Sidonie Smith ist dem Augsburger Publikum zuletzt als Maria Magdalena bei „Jesus Christ Superstar“ in Erinnerung geblieben und der „Staranwalt“ Alexander Franzen, routiniert und vielseitig,  moderierte im letzten Jahr die Corona-Ersatz-Show „The Show Must Go On“ auf der Freilichtbühne. Herausragend in dieser Produktion ist die Gefängnis-Aufseherin „Mamma Morton“, dargestellt von der erfahrenen Musical-Sängerin Marianne Larsen.

Leider wirkte ihr Aufseherinnen-Kostüm sehr militärisch und unvorteilhaft, was die Glitzer-Capes kaum kaschieren konnten. Den schwierigen Spagat zwischen Häftlings-Grau und Show-Glamour meisterte die Kostümbildnerin Alexandra Kica sonst repektabel. Bemerkenswert auch Pascal Herington in der Rolle des etwas einfach gestrickten Ehemanns der Mörderin Amos Hart, der mit dem „Zellophan-Song“ seine Unauffälligkeit eindrucksvoll in Szene setzt. Erstmals gibt es in dieser Produktion auch eine Zusammenarbeit des Staatstheaters mit dem bekannten Travestie-Künstler Chris Kolonko in der Rolle der mondänen Sensations-Journalistin Mary Sunshine.

Soweit die Hygieneregeln es erlaubten, war die Freilichtbühne in der lauen Sommernacht der Premiere voll besetzt. Nicht nur den Akteuren auf der Bühne sah man die Spielfreude an, auch die Zuschauer gingen begeistert mit.  Selbst eine Pause war gestattet, Getränke wurden verkauft. Die Rückkehr zur Normalität schien greifbar. Ganz tief im Hinterkopf kam da plötzlich der Gedanke auf, dass diese Freilichtbühne doch auch mal wieder eine monumentale Operninszenierung vertragen würde. So im Wechsel mit Musical? Man soll nicht unbescheiden sein. Immerhin wird jetzt mal Chicago gespielt. Und das, so Corona will, noch bis zum 31. Juli.

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