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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Schritt für Schritt zur Bühnen-Normalität

The Show Must Go On – Die Musical Gala auf der Freilichtbühne

© Jan-Pieter Fuhr

Was für ein Fest! Premiere auf der Freilichtbühne! Na ja, nicht „Kiss Me Kate“, wie eigentlich vorgesehen. Aber immerhin wird eine Musical Gala ohne szenische Aktion angekündigt. Zum Glück  ist die Freilichtbühne groß genug, dass die 15 Darsteller nebeneinander mit dem gebotenen Abstand über die ganze Breite Platz haben. Das Orchester sitzt „unter Dach“ verteilt beisammen. Unter der Leitung von Justin Pambianchi bestreitet es die musikalische Begleitung des Abends. Stephan Kanyar, der Komponist des Fugger-Musicals „Herz aus Gold“ hat die unterschiedlichsten Nummern, die an diesem Abend geboten werden, arrangiert. Alexander Franzen, einer der Solisten und gleichzeitig  Moderator des Abends machte seine Freude und Erleichterung gleich zu Beginn deutlich bemerkbar: Wieder spielen! Auflagen, ja, aber Interaktion! Publikum! Und auch Katja Berg nahm eine ihrer Solonummern zum Anlass, sich ans Publikum zu wenden: „Hallo Augsburg! Wir sind wieder da!“ ist die Botschaft.

Das eigentlich für die Jahresproduktion „Kiss Me Kate“ vorgesehene Team bringt dann auch einen Medley aus diesem Musical. Aber erst nach dem Einstiegslied von Queen, dem Motto des Abends: „The Show Must Go On“. Ein bisschen Trotz schwingt da mit und Moderator Alexander Franzen konnte es sich auch nicht verkneifen, den Trotz und die Beharrlichkeit des Intendanten zu würdigen, diese Veranstaltung unter Berücksichtigung aller Auflagen auf die Bühne zu bringen. Dass dies unter hohem Zeitdruck geschah, musste nicht erst erwähnt werden. Disziplin, Flexibilität und hohe Professionailtät waren gefragt und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Bei der Choreografie von Mario Mariano blitzte zuweilen Ironie durch, wenn er die Paar-Szenen mit Plexiglas-Scheiben tanzen ließ. Oder bei „Sweet Transvestite“ der fehlende Mindestabstand mit „fancy“  Masken ausgeglichen wurde. The Show Must Go On – dann eben so. Ganz ohne szenische Aktion konnte und wollte man nicht auskommen, zumal die Bühne ja durch ihre Größe und die Treppe auch gute Möglichkeiten des Abstandhaltens bietet. Irritierend allerdings, dass die Darsteller mit Mikros statt der im Musical üblichen Headsets auftrat (vermutlich auch eine Hygiene-Vorgabe!), was die Aktion auf der Bühne doch sehr behinderte und einen Hauch von ESC-Atmosphäre vermittelte.

© Jan-Pieter Fuhr

Aber egal. Bekannte Musical-Nummern aus „3 Musketiere“, „Les Miserables“, „Mamma Mia“ oder “Aladdin“ wechselten sich mit Ohrwürmern aus „Jesus Christ Superstar“, „Chicago“ und  „The Rocky Horror Show“ ab. Lokale Akzente setzte man mit Nummern aus dem Fugger-Musical „Herz aus Gold“, das in diesem Jahr wieder aufgenommen worden wäre. Chris Murray und Susanna Panzner sind neben Alexander Franzen und Katja Berg längst bekannte Musical-Namen in Augsburg. Extra vorgestellt wurde auch Elke Kottmair, eine aus Augsburg stammende Sängerin und Musical-Darstellerin, die das Publikum bei der Zugabe mit einem  Stepp-Solo rockte.

Die vergleichsweise spärlich besetzten Ränge der Freilichtbühne waren natürlich der Corona-Situation geschuldet. Immerhin hatte das Ordnungsamt recht kurzfristig die Höchstzahl der Zuschauer auf 550 festgelegt, davor galten die allgemeinen 200 im Freien. Ein großer Unterschied. Das Gedränge an den Eingängen blieb bei den gegebenen Kapazitäten trotzdem aus, die Zuschauer saßen brav einzeln oder paarweise verteilt in der riesigen Arena. Immerhin hatte man dafür gesorgt, dass der Zuschauer“raum“ durch geschickte Verteilung nicht „leer“ wirkte. „Die Maske müssen Sie die ganze Vorstellung über anbehalten“, wurden wir beim Einlass gemahnt. Ein seltsames  Ansinnen, nachdem man den ganzen Tag im Freibad ohne Maske gefühlt viel mehr Menschen um sich hatte. Aber diese Vorschrift ist, wie man hört, inzwischen auch wieder obsolet. Man freut sich über jeden Schritt hin zur Normalität. Passiv war das Publikum dennoch nicht, nahm jede Gelegenheit wahr, die Darsteller durch Mitklatschen zu unterstützen und Präsenz zu zeigen.

Die vom Ordnungsamt  knapp bemessene Zeit nutzte das Ensemble klug und bot als Zugabe den „Balkon-Song“ der Corona-Zeit „You Never Walk Alone“ mit der Mezzosopranistin Kate Allen als Special Guest, musical-gerechten Leuchtschirmchen und von der Regie nicht eingeplanter Glühwürmchen-Begleitung.

So rührselig hätte der Abend enden können, wäre nicht noch eine zweite Zugabe aufgeblitzt – bei „Time Warp“ aus der Rocky Horror Picture Show kam Party-Stimmung auf, das Publikum rockte mit, Pfiffe überwanden die Masken-Barriere.  – The Show Must Go On. Noch einige Male ist die Gala bis zum 31. Juli auf der Freilichtbühne zu sehen. Ab sofort darf die Maske auf dem Sitz auch abgenommen werden. —– Halrun Reinholz