„Rechenschieber-Diskussion“ statt Kulturpolitik
Raphael Brandmiller über das Modularfestival und Peter Grabs Festivalkonzept
„Ein städtisches Jugend- und Popkultur-Festival gehört zum Lebensgefühl nicht nur der jungen Menschen“: Raphael Brandmiller, Vorsitzender des Stadtjugendrings und Organisator des Modularfestivals
DAZ: Herr Brandmiller, nachdem der Plan ursprünglich höchst umstritten war, ist Kulturreferent Peter Grab nun durchgekommen mit einem „Biennalekonzept durch die Hintertür“, das der Kulturausschuss lediglich modifiziert hat mit der Möglichkeit, dass die Festivals auch weiterhin jährlich stattfinden können, wenn ihnen dafür der reduzierte Etat reicht. Gibt’s das Modular in Zukunft im ein- oder zweijährigen Rhythmus?
Brandmiller: Wir sind jetzt mitten in den Vorbereitungen für das diesjährige Modular und haben momentan überhaupt keine Zeit, uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Wir sind allerdings 2009 mit einem Etat von 160.000 Euro gestartet und wären jetzt, wenn wir mit dem neuen Zwei-Jahres-Etat jährlich weitermachen wollten, bei 75.000 Euro. Ich wage mal zu sagen, dass wir dann wahrscheinlich nur zweijährig weitermachen werden. Aber darüber ist, wie gesagt, bei uns noch gar nicht gesprochen worden.
DAZ: Man kann gegen dieses Festivalkonzept sagen, was man will, mit einem hat Peter Grab auf jeden Fall Recht: Das Geld reicht halt nicht für alle Wünsche.
Brandmiller: Ganz genau, und deshalb habe ich schon beim Hearing zum Biennalekonzept im vergangenen Herbst gesagt, dass ich das Argument verstehe, dass man bestimmte Sachen hinterfragen muss. Es ist auch klar, dass für bestimmte Veranstaltungen der Zwei-Jahres-Rhythmus okay sein mag, für andere ist er aber unsinnig. Aber ich halte es grundsätzlich für falsch, wenn man fürs wenige Geld alles haben will. Es müsste eigentlich jedem einleuchten, dass so etwas nicht funktionieren kann. Das Problem ist, dass nach wie vor keine Diskussion über ein kulturpolitisches Gesamtziel stattgefunden hat und diese auch weiterhin nicht geführt wird. Ohne diese Diskussion ist das Ganze aber eben keine Kulturpolitik, sondern eine Rechenschieber-Diskussion.
DAZ: Was wäre in ihren Augen Kulturpolitik?
Brandmiller: Die Politik muss sagen, wie das kulturelle Profil der Stadt aussehen soll – und das können doch nicht nur drei „Dachmarken“ sein. Es gibt kein Auseinandersetzen mit der Frage, warum wir welche Festivals in der Stadt machen und was wir damit erreichen möchten. Festivals werden oft als kulturpolitisches „add-on“ dargestellt. Das wird ihrer Rolle jedoch nicht gerecht. Vielmehr wird auch in diesem Rahmen eine kulturpolitische Funktion erfüllt. Ich würde mir außerdem wünschen, dass wir nicht im nächsten Herbst schon wieder über die Etats streiten müssen.
DAZ: Peter Grab würde jetzt wohl entgegnen, dass dieses Ziel mit seinem Konzept erreicht ist, weil es für immerhin vier Jahre Etatsicherheit schafft.
Brandmiller: Dass diese Zahlen wirklich für vier Jahre fix sind glaube ich erst, wenn ich’s schriftlich habe. Das Sparen geht ja weiter, in den nächsten Jahren soll der Etat der Stadt um weitere Millionen reduziert werden. Und in diesem Rahmen wird permanent – und nicht nur in der Kulturpolitik – nur übers Geld geredet, nicht über politische Ziele. Das ist ja in der Sozialpolitik dasselbe – hier ein bisschen weniger, dort ein bisschen, aber niemand hat den Mut zu fragen, was wollen wir in Zukunft haben und worauf können wir eventuell verzichten!
DAZ: Irgendwann wird der Zwang der Fakten solche Entscheidungen erzwingen …
Brandmiller: … und dann wird es wahrscheinlich so sein wie bisher: dass nämlich der Finanzreferent die Entscheidungen trifft, weil die Politik keine Vorgaben macht.
DAZ: Bei welchen kulturellen Zielen würden Sie denn das Modularfestival verorten?
Brandmiller: Es war von Anfang an eines meiner Ziele als Vorsitzender des Stadtjugendrings, wieder ein städtisches Jugend- und Popkultur-Festival zu haben. Das gehört zum Lebensgefühl nicht nur der jungen Menschen, und wir haben in Augsburg eine große, kreative Popkulturszene. Das ist kein „add-on“, das man haben kann oder nicht – sondern so etwas muss eine kulturelle Selbstverständlichkeit sein wie viele andere Dinge in dieser Stadt.
DAZ: Und dafür wären dann andere Festivals ganz wegzusparen?
Brandmiller: Um nicht missverstanden zu werden: Ich würde das Modularfestival aus einer solchen Diskussion nicht ausklammern wollen. Das wäre nicht ehrlich. Auch hier müssen Intention und Zielerreichung immer wieder kritisch hinterfragt werden. Etwas, was wir im Übrigen selbst seit Beginn des Festivals kontinuierlich getan haben und weshalb das Festival immer wieder ein neues Gesicht bekommen hat. Bei einer Diskussion über die einzelnen Festivals könnten auch ganz andere Einsparmöglichkeiten zur Sprache kommen: Beispielsweise welche Synergien zwischen den verschiedenen Festivals genutzt werden können, z.B. durch die Nutzung von Infrastruktur oder den Abschluss von städtischen Rahmenverträgen. „City of Peace“ war im letzten Jahr ebenfalls ein Beispiel, wie unterschiedliche Festivals von einer Rahmenveranstaltung profitieren können.
DAZ: Herr Brandmiller, vielen Dank für das Gespräch.
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Die Fragen stellte DAZ-Redakteur Frank Heindl.
» Modularfestival: alle zwei Jahre drei Tage Popkultur