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Montag, 12.05.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Effi, Ach Effi Briest“ auf der Brechtbühne – Ein großer Spaß fast ohne Fontane

Effi Briest weckt Erinnerungen an Schullektüre. An ein Frauen- und Gesellschaftsbild, dem ich als Abiturientin der 80er Jahre mit tiefem Unverständnis begegnete. Ach, ein weites Feld. Und nun Effi auf der Bühne? Das Augsburger Staatstheater unternimmt in dieser Spielzeit einen ungewöhnlichen Versuch dazu – mit Überraschungen und unerwarteten Erkenntnissen.

Von Halrun Reinholz

Denn genau genommen bekommt das Publikum auf der Brechtbühne nicht Fontanes Effi Briest zu sehen. Der junge Wiener Moritz Franz Beichl, Nestroy-Preisträger, hat daraus ein Stück gemacht, das den vielsagenden Untertitel trägt: „Frei nach Fontane, mit fast keinem Satz von Fontane, wer braucht schon Fontane, wenn er Effi hat? Effi. Ach Effi. Ach. Ach.“

Christina Jung, Mehdi Salim, Klaus Müller, Sarah Maria Grünig, Sebastian Müller-Stahl

Das Personal ist in seiner Konstel­lation aus dem Roman vertraut. Doch Effi, dort eher Objekt als Subjekt ist, der alles nur „wiederfährt“, bekommt bei Beichl eine gute Portion Frische und Selbst­bewusst­sein. Naiv und vertrauens­selig lässt sie sich auf die Ehe mit Innstetten, dem Jugend­freund der Mutter, ein. Langweilt sich in der Provinz und begrüßt die Gelegenheit, sich mit Crampas zu treffen. Als ihr Mann die Affäre Jahre später per Zufall entdeckt, folgen die von der Gesell­schaft erwar­teten Konse­quenzen – Duell und Scheidung. So weit, so Fontane. Beichls Parodie nimmt den Klassiker ernst und führt ihn gleichzeitig ad absurdum. Der Text enthält, wie angekündigt, fast keinen Satz von Fontane, aber dafür kommt vieles zur Sprache, was bei Fontane fehlt: „Lasst uns darüber einen Monolog führen.“ Beichls Textgrundlage nutzt die Regisseurin Nina Mattenklotz für eine schrille Inszenierung mit farbenfrohen Kostümen (Johanna Pfau) und reichlich Slapstick.

Moritz Franz Beichl hat die Uraufführung seines Stückes in Wien 2022 selbst inszeniert und dabei alle sechs Rollen mit Männern besetzt. Nina Mattenkotz tut dies nicht, spielt aber auch zeitgeistkonform mit den Geschlechterrollen, indem sie die Amme Roswitha mit dem in jeder Hinsicht vielseitigen Klaus Müller und den in charmanter Strizzi-Manier wienerisch plaudernden Crampas mit der zeitweise barbusigen Mirjam Birkl besetzt. Klaus Müller ist nicht nur der stets treue Beschützer von Effi, der im Regen den Schirm über sie hält, er ist auch der Chansonnier, der das Geschehen auf die Musik von Romy Camerun kommentiert. In unterhaltsamem Kontrast stehen sich die Briest-Eltern auf der Bühne gegenüber: Die lustvoll sexgeile Mutter (Sarah Maria Grünig), die sich auch dem Ex-Lover gleichsam an den Hals wirft, als dieser um die Hand der Tochter anhält, und der schweigsame Vater (Sebastian Müller-Stahl), der kaum Textarbeit zu leisten hat, dafür pantomimisch brilliert. Eine Karikatur seiner selbst ist Innstetten (Mehdi Salim), unfähig zur Empathie, aber Kenner der gesellschaftlichen Spielregeln, die ihn zum Duell verpflichten. Die karikierte Duell-Szene wird dadurch zum satirischen Kernstück der Aufführung: Die beiden Männer trinken erst kumpelhaft Brüderschaft, bevor sich wie beiläufig der Schuss löst. Dumm gelaufen.

Christina Jung, Mirjam Birkl – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Im Dauer-Einsatz auf der Bühne ist Christine Jung als Effi. Zwischen Naivität und Vernunft pendelnd, stellt sie Fragen, picknickt mit Crampas, überlegt, hinterfragt, singt und spielt zwischen­durch auch mal Trompete. Zusätzlich zu Beichls Text hat die Regisseurin ihr noch einige feministische Textstellen verpasst, die sich stimmig in die Handlung einfügen, ohne aufgesetzt zu wirken. Damit konterkariert sie das Frauenbild, das Fontane ihr zugewiesen hat. „Ich habe nicht vor, schon zu sterben“, sagt sie einmal beiläufig und wiederholt diesen Satz am Ende, als sie laut dem Roman-Drehbuch eigentlich sehr wohl sterben müsste. Doch das Schicksal der Roman-Effi war auch im 19. Jahrhundert nicht zwangsläufig, wie das reelle Vorbild für die Roman­handlung zeigt: Elisabeth von Ardenne, die wegen einer Affäre geschieden wurde, nutzte diese Freiheit zur Selbst­ver­wirklichung und wurde 99 Jahre alt. Diese Botschaft gab die Bühnen-Effi dem Augsburger Publikum mit auf den Weg.

Viel Applaus für eine frische, unterhaltsame Inszenierung, die auch so mancher Schulklassen einen ganz anderen Blick auf Fontanes Effi Briest ermöglichen könnte.

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4.12.2024 – Ein Abend für Dialog, Musik und Literatur gegen das Schweigen

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Glanzloser Dreier gegen Schlusslicht Bochum

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27.11.2024 – Friedensstadt Augsburg, mehr als ein Mythos?

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Harry Kane : FCA 3:0

Eine Stunde lang sah es ganz so aus, als könnte der FCA das Bayernderby in der mit 75.000 restlos ausverkauften Allianz-Arena mit Glück und Geschick und mit weißer Weste überstehen. Doch dann war es Harry Kane, der mit seinem siebten Bundesliga-Hattrick alle Träume von einem Punktgewinn beim Tabellenführer platzen ließ. Von Udo Legner FCA-Coach Jess […]

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Disconcerting States #12

Friday 15 November 2024. What Did We Learn From the 2024 US Presidential Election Campaign? A Baker’s Dozen of Suggestions and an Attempted Summary of Ongoing Events. By John Dean In sum, dear readers who have stayed with me this far: No. 1. We will not fully know what we’ve learned until election results are over. They are far […]

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Der Fluch des Egoismus – Die „Weihnachtsgeschichte“ im Martinipark

Für das Familienstück hat das Augsburger Theater in diesem Jahr einen Klassiker ausgewählt: „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Sie ist aktuell wie eh und je. Von Halrun Reinholz Vor dem abweisenden Büro des Geld­ver­leihers Ebenezer Scrooge (Patrick Rupar) steht ein als Tannen­baum verkleidetes Kind und singt. Scrooge lässt es durch seinen Ange­stellten Bob Cratchit vertreiben, […]

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„Mystic Sounds“ – Unge­wöhn­liche Akkordeon­klänge

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Disconcerting States #11

13th November 2024. Wednesday. Day Eleven. By John Dean What he promised. What he’ll do. What could happen. President Elect, Donald Trump. The second term in office a US President often goes for it. He strives to the utmost to gain or achieve something. This is their time to make hay while the sun shines. That is, until the […]

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Disconcerting States #10

12th November 2024. Tuesday — just after USA’s Veterans Day. Day Ten. By John Dean Dear People,     As I was saying yesterday… It was a great drive down that broad, smooth interstate Route 81 north but going south on that autumnal, leaf-bright, storm-washed road across Virginia and down through the gullet of the rich Shenandoah Valley. Extended, extending. I wasn’t […]

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Disconcerting States #9

11th November, 2024.  Veterans Day. By John Dean Dear people, Great drive today on the autumnal, leaf-bright, storm-washed road across Virginia. The Old Dominion! And down the gullet of the rich Shenandoah Valley, part of the great Appalachian Valley that’s spread out between the Blue Ridge to the East and the Allegheny Mountains to the West. We went down […]

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Torloses Unentschieden im Duell der Kellerkinder

Das Interessanteste, was es zum eher unspektakulären und torlosen Heimspiel in der mit 28300 Zuschauern gut gefüllten WWK-Arena gegen den Tabellenfünfzehnten aus dem Kraichgau zu vermelden gibt: Für seinen Trainer Pellegrino Matarazzo war es das Endspiel. Von Udo Legner Zumindest in der zweiten Halbzeit, in der sich die Hoffenheimer deutlich steigerten, deutete Nichts auf die am […]

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Kurznachrichten

Gedenkjahr 1525: Das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum widmet sich dem „Bauernkrieg“



Halb Deutschland gedenkt der Revolution von 1525. Landesausstellungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Reinland-Pfalz und Baden-Württemberg verleihen dem bedeutenden Ereignis prominenten Raum und auch das Land Bayern hat ihm eine eigene Ausstellung in Memmingen gewidmet. Nur in Augsburg scheint man sich schwer zu tun mit dem gemeinen Volk und dem Krieg. Obwohl Augsburgs Jakob Fugger durch seine […]

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3. Vielfalt Film Festival

Auch in diesem Jahr flimmert zum Abschluss der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Kooperation mit dem Augsburger Filmbüro das Vielfalt Film Festival über die Leinwand. Die acht Festivalfilme (30. März – 4. April) werden von verschiedenen Kooperationspartnern präsentiert, die nach den Vorstellungen zu Filmgesprächen einladen. Der Flyer:

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Schulterschluss für Demokratie Vielfalt und Menschenwürde: Internationale Wochen gegen Rassismus in Augsburg 2025

Seit 2021 beteiligt sich die Stadt Augsburg an diesem deutschlandweiten Projekt, das bereits seit 2008 besteht und um den 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, unter der Schirmherrschaft der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgerichtet wird. Das Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg hat in Kooperation mit zahlreichen Organisationen und Initiativen […]

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“Let’s Talk Bundestagswahlen“ – eine Podiumsdiskussion von jungen Menschen für junge Menschen



Am Dienstag, den 18.02.2025, veranstalten Schülerinnen der Q12 des Stetten-Gymnasiums in Kooperation mit dem Maria-Theresia-Gymnasium eine Podiumsdiskussion zu den bevorstehenden Bundestagswahlen. Auf dem Podium diskutieren Teilnehmende von insgesamt fünf Jugendorganisationen: Laura Sameit (Jusos Augsburg) Maren Dörr (Grüne Jugend Augsburg) Paul Schwendrat (Julis Augsburg) Etienne Dankelmann (Junge Union Augsburg) und eine Vertretung der Linksjugend Augsburg. Drei […]

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„Im Gedenken der Kinder“ – Ausstellung zu den Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit



Eine Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V. in der Augsburger St.-Anna-Kirche erinnert an die nationalsozialistischen Verbrechen an Kindern mit Behinderung. Begleitend zeigt eine Kino-Matinee im Thalia die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der im Alter von 14 Jahren von nationalsozialistischen Medizinern ermordet wurde. Vor etwa achtzig Jahren begannen die systematischen Tötungen von […]

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