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Montag, 28.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Opernpremiere am Theater Augsburg: La Forza del destino

André Bücker inszeniert die Macht des Schicksals als skurrilen Alptraum mit Kostümfest

Von Halrun Reinholz

La Forza del destino (c) Jan-Pieter Fuhr

La Forza del destino (c) Jan-Pieter Fuhr


Zur Abwechslung mal wieder eine „klassische“ Oper auf dem Augsburger Spielplan: Der Intendant persönlich bringt Verdis „Forza del destino“ auf die Bühne. Nun ist diese Oper noch viel weniger als andere für ihre schlüssige, geradlinige Handlung bekannt. Das Schicksal treibt seltsame Blüten und so viele dramatische Zufälle um Liebe, Freundschaft und Tod gibt es auch in Verdi-Opern eher selten. Doch der Komponist hat diese krude Handlung meisterhaft in Töne gesetzt, da kann man als Opernbesucher einiges in Kauf nehmen.

André Bücker geht bei seiner Inszenierung aufs Ganze: Er verlegt die Handlung nach Südamerika, in ein mafiotisches Koks-Dealer-Milieu. Das nicht  nur in dezenten Andeutungen, sondern mit martialischer Aufmachung, Tarnanzügen, Sonnenbrillen, Maschinengewehren und allem was so dazugehört. Das Koks wird von Laboranten im OP-Look hergestellt. Selbst die Mönche kommen in weißen, undefinierbar nach Schlafanzug aussehenden Kostümen daher und sind mit Sonnenbrillen und Gewehren ausgestattet. Die Kostüme der Bettler, die sich nicht dem Almosen gebenden Pater, sondern penetrant dem Publikum zuwenden, schwanken bewusst (?) unästhetisch zwischen Flower-Power-Hippie-Look und Müllsäcken.

Das „Schicksal“ geistert in Gestalt einer mexikanisch gekleideten Mumie über die Bühne und – man glaubt es nicht – sogar die unsäglichen peruanischen Ponchos unserer Fußgängerzonen fehlen nicht. Kostümbildnerin Suse Tobisch konnte sich hier offenbar nach Herzenslust austoben. Die Legitimation für all die Skurrilitäten bietet das Konstrukt der Inszenierung, die die ganze Handlung als „bösen“ Traum Leonores darstellt. Auch nicht ganz dezent, denn die Bühne ist dominiert von einem großen Bett in kitschiger Umgebung mit gelben Plastikstühlen und lebensgroßer Panther-Deko (Bühnenbild: Jan Steigert) und wenn die Traumgestalten auftauchen, sorgen Videoprojektionen der sich im Bett wälzenden Leonora dafür, dass auch jeder die Geschichte als Traum versteht. Noch deutlicher die Projektionen von mexikanisch gekleideten Skeletten, die die Zuschauer mit knochigen Fingern heranlocken wollen. Ein barockes Geisterspiel. Fast hat man den Eindruck, der Regisseur wollte die unsägliche Geschichte um Ehre und Rache ins Lächerliche ziehen, aber da fehlte dann letztlich der Mut zur Persiflage.

Die plakative Inszenierung hatte leider den Nachteil, dass sie zu oft von dem ablenkte, was (auch) in dieser Oper wesentlich ist: der Musik. Zumal man derzeit in Augsburg zuverlässig davon ausgehen kann, dass Sally du Randt die Partie der Leonora differenziert und mit Leichtigkeit zum Hörgenuss geraten lässt. Alejandro Marco-Buhrmester als ihr Bruder Don Carlo und Leonardo Gramegna als Don Alvaro hatten Mühe, die Augenhöhe mit der Primadonna zu wahren und auch Rita Kapfhammer als Kriegstreiberin Preziosilla fiel ab. Wobei erstaunen muss, dass die Hauptrollen in dieser Inszenierung überwiegend mit Gästen besetzt sind. Für das Schauspiel hatte Bücker sich in einem Interview ganz klar für ein kohärentes hauseigenes Ensemble positioniert, beim Musiktheater dagegen ließ man hervorragende Stimmen gehen, um sich nun mit Gästen zu behelfen. Das ist nicht sehr einleuchtend.

GMD Dominkos Héja und seine Philharmoniker gaben der Oper jedoch die instrumentale Würze in gewohnter hoher (hauseigener) Qualität und Chor wie Extrachor machten das komische Kostümspiel mit sichtlichem Vergnügen mit. Der Schlussapplaus erfolgte zu Recht ziemlich differenziert – deutlich pro Sänger und verhalten bei der Inszenierung.