Meinung
Kommentar zum FCA: Von einer neuen DNA kaum eine Spur
Das zweite Heimspiel des FC Augsburg in seiner 12. Bundesligasaison lässt Vermutungen, Thesen und Einsichten zu, die man zu einem so frühen Zeitpunkt der Saison eher zurückhaltend behandeln sollte, doch im Grunde wäre die DAZ dann nicht viel besser als die Sportjournaille, die mit ihren Analysen immer dann zur Stelle ist, wenn die Ergebnisse dazu passen.
Kommentar von Siegfried Zagler
Deutlicher gesagt: Mit den ersten kritischen Bemerkungen Richtung FCA-Trainer Maaßen nach dem Mainz-Spiel seitens der Sportpresse wäre zu rechnen gewesen, hätte der FCA spielverlaufsgemäß gegen Leverkusen hoch verloren. Wenn nun die Augsburger in Hoffenheim und anschließend zu Hause gegen Hertha verlieren sollten, dann fährt wohl die Fachpresse aus der Deckung der negativen Ergebnisse die ersten Geschütze auf. Dabei lassen die vergangenen drei Bundesligabegegnungen des FCA bereits jetzt Beobachtungen zu, die nicht unerwartet kommen, und somit den Fokus verstärkt auf eine Diagnose richten, die eine Krankheit zutage fördern könnte, die sich weder mit Handauflegen, noch mit Schönreden heilen lässt.
Erstens: Der FCA-Kader ist spielerisch zu substanzlos, um die Spielidee des Trainers umsetzen zu können
I Freiburg: In den ersten 20 Minuten gegen Freiburg war zu erkennen, was Maaßen von seiner Mannschaft bei Ballbesitz fordert. Im Lauf der Partie setzte sich aber noch in der ersten Halbzeit die Handlungsschnelligkeit sowie die bessere Ballsicherheit der Freiburger durch. Anders gesagt: Der Druck, der von der spielerischen Klasse der Breisgauer ausging, führte dazu, dass der FCA seine Grundausrichtung veränderte und viel zu hastig (ängstlich) nach vorne spielte – ohne Präzision und Verstand.
II Bayer: In der ersten Halbzeit in Leverkusen war das “Unterlegenheitskonzept” des FCA-Trainers zu erkennen: Mit zwei Linien noch vor der Mittellinie offensiv nach vorne verteidigen, um bei Balleroberung schnell umzuschalten und sofort den Abschluss zu suchen. Die Leverkusener Geschwindigkeitsmaschine erst gar nicht ins Laufen kommen zu lassen, so der Matchplan. Ballbesitz als Angelegenheit der Heimmannschaft. Das kann man so machen. Und das funktionierte gegen Leverkusen fast eine ganze Halbzeit, dann fügte sich der FCA erneut in die spielerische Dominanz des Gegners und verteidigte nur noch tief – wie eine Handballmannschaft den eigenen Strafraum. Dass somit die Wege vor das gegnerische Tor unendlich lang wurden, führte dazu, dass es kaum noch Entlastung gab und Leverkusen einen Angriff nach dem anderen starten konnte. Die Spieldaten der zweiten Halbzeit lassen keinen anderen Schluss zu, als eben den, dass der Herrlich/Weinzierl-Angsthasenfußball möglicherweise das einzige “Spielsystem” ist, mit dem dieser FCA-Kader in der Bundesliga bestehen kann. Dass man gegen Leverkusen in der aktuellen Verfassung auch anders gewinnen kann, zeigte dieses Wochenende der Auftritt der Hoffenheimer.
III Mainz: Gegen Mainz waren über die gesamte Spielzeit hinweg von Maaßens Spielidee nur Ansätze zu erkennen. Das hatte erstens damit zu tun, dass Mainz sehr hoch und geschickt verteidigte und dem FCA mit einem schlechten Fußballer im Tor ein wichtiger Mann fehlte, um die erste Verteidigungsreihe eines hoch stehenden Gegners schnell und sicher zu überspielen und zweitens damit, dass die Impulsgeber des Augsburger Spielaufbaus Gouweleeuw, Uduokhai, Rexhbecaj sowie Iago und Maier beeindruckt schienen vom konsequenten Pressing der Mainzer und scheinbar sichere Bälle entweder verloren oder ungenau und planlos nach vorne spielten. Das Spiel mit dem Ball lässt sich nur dann strukturiert aufbauen, wenn man die dafür notwendige individuelle Ballsicherheit hat. Und vor allem auch dann hat, wenn es der Gegner versteht, blitzschnell Druck aufzubauen. Dafür, so der Eindruck aus allen drei Partien, fehlt dem FCA ein spielstarker Torhüter und die individuelle Qualität der Schlüsselspieler.
Wenn ein Trainer etwas von seiner Mannschaft verlangt, das sie auf höherem Niveau nicht kann, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Trainer passt seine Vorstellungen dem Spielvermögen der Mannschaft an, oder die Vereinsführung gibt ihm die Möglichkeit, eine Mannschaft zu finden, die besser zu ihm passt. Apropos Trainer:
Zweitens: Wie Enrico Maaßen das Spiel gegen Mainz verlor
Was der FCA, abgesehen von zwei, drei Federstrichen gegen Mainz zeigte, glich einem fußballerischen Offenbarungseid. Ganz selten lief der Ball kontrolliert Richtung gegnerische Box. Und in der letzten halben Stunde schien es der Mannschaft auf dem Platz nur noch darum zu gehen, dass das Unentschieden gesichert wird – nicht gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig, sondern in einem Heimspiel gegen einen Gegner, dem man auf Augenhöhe begegnen wollte. Auf der Augsburger Trainerbank wurde offenbar versucht, etwas gegen die zunehmende Mainzer Dominanz zu unternehmen, indem Maaßen den unerklärbaren Pepi für den kampfstarken Jensen brachte. Noch weniger funktionieren sollte der Wechsel Vargas für Maier. Beide Wechsel fanden in der 68. Minute statt und sorgten letztlich dafür, dass der FCA das Spiel verlor, weil dadurch die Räume der Mainzer größer wurden und Pepi beim Siegtor der 05er ganz schlecht aussah.
Verständlich dagegen der Wechsel Hahn für Demirovic (71.), da André Hahn in der Lage ist, 20 Minuten wie ein Berserker nach vorne und nach hinten zu ackern. Dagegen fehlt dem Doppelwechsel in der 85. Minute jede Logik, als Baumgartlinger und Caligiuri für Gruezo und Pedersen ins Spiel kamen. Was Maaßen damit auch immer erreichen wollte; es hat nicht funktioniert. Caligiuri “klärte” stolpernd einen Ball über die Grundlinie. Eine unnötige Aktion, die zur Ecke führte, worüber sich Uduokhai richtig ärgerte und dadurch die schnelle Ausführung der Ecke zusammen mit der gesamten FCA-Abwehr verschlief. Kurzum: Ist der Keeper einer Bundesligamannschaft zweimal in Folge der beste Akteur, dann weiß jedes Kind, was die Stunde geschlagen hat.
Drittens: Wie Schiedsrichter Sascha Stegemanns Fehlentscheidungen das Spielergebnis beeinflusst haben
Man darf FCA-Coach Maaßen zugute halten, dass er nach beiden Niederlagen die passende Worte fand. Dazu gehört auch die unaufgeregte Art, wie er die Fehlentscheidungen des Schiedsrichtergespanns nach dem Mainzer Spiel kommentierte. Zweimal hätte Stegemann auf Strafstoß für den FCA entscheiden können, stattdessen gibt er einen streitbaren Elfer für Mainz. Dass man darüber diskutieren kann, ist ein klassischer Aspekt des Fußballs, ist ein faszinierender Teil eines komplexen Ganzen, das erklärt, warum ein Spiel nach dem Abpfiff nicht vorbei ist.
Dass Stegemann aber nach dem Studium der Fernsehbilder Onisiwos Führungstreffer mit der Begründung gelten lässt, er habe kein absichtliches Handspiel erkennen können, ist ein Skandal, der dazu führen sollte, dass Stegemann aus der ersten Garde der Bundesligaschiedsrichter verschwindet. Was Spieler in Bruchteilen von Sekunden tun oder nicht tun, hat nichts mit Absicht oder mit absichtlichem Handeln zu tun. Der Begriff der “Absicht” hat in der Bewertung von Fußballbildern nichts verloren. Schließlich handelt es sich dabei stets um subjektive Einschätzungen der Abläufe, da kein Schiedsrichter einem Spieler ins Gehirn schauen kann.
Es ist unstrittig, dass sich Onisiwo mit einem eindeutigen Handspiel bei der Ballannahme den Vorteil verschaffen konnte, der schließlich zum Tor führte. Wenn das nicht als strafwürdiges Handspiel zu bewerten ist, was dann? Das Gleiche gilt natürlich für den zweiten Mainzer Treffer. Spielte der Mainzer Spieler den Ball eine Millisekunde zu früh, sodass er beim Kick nicht ruhte? Wenn sich das mittels Fernsehbilder feststellen lässt, dann muss es festgestellt und bewertet werden. Dass beides offenbar ausblieb, ist ebenfalls skandalös und erneuert die Frage, ob es sinnvoll war, den Videobeweis überhaupt eingeführt zu haben.
Fehlentscheidungen der Unparteiischen gehören nur dann zum Spiel, wenn sie unmittelbar auf dem Platz geschehen. Wird mithilfe des VAR falsch entschieden, entsteht das Gefühl, dass man verschaukelt wird. Das muss man zum Ausdruck bringen und daran mitwirken, dass das gesamte VAR-Verfahren verbessert wird. Wenn man dafür Sendezeit geschenkt bekommt, sollte man das in diesem Sinne annehmen.
Viertens: Warum der FCA aufpassen muss, dass der Laden nicht auseinander fliegt
Dass André Hahn und Enrico Maaßen ihre Einladungen zur populären BR-Sendung “Blickpunkt Sport” ablehnten, ist nicht nur aus diesem Grund unverständlich und ebenfalls eine Fehlentscheidung der ersten Kategorie, die sanktioniert werden sollte.
Doch wer soll das machen? Seit einer kleinen Ewigkeit fehlt dem FC Augsburg ein Vorstandsvorsitzender, eine Führungsfigur, die für Verstöße gegen die FCA-Ethik zuständig wäre. Ein BR-Auftritt eines FCA-Trainers ist immer noch ein Marketingerfolg für den Klub. Wer das ablehnt, versteht den Verein und sein mediales Umfeld nicht. Kluge Kommunikation sieht anders aus.
Das Gleiche gilt auch für Torhüter Rafal Gikiewicz, dessen Interviewauftritte seitens des Klubs nicht sanktionslos hingenommen werden dürfen – weder in Form, noch in Inhalt. Die Kritik an seinen Leistungen war nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig. Diese Kritik richtete sich – by the way – nicht gegen ihn persönlich (Gikiewicz wird als Bundesligatorhüter bewertet), sondern in erster Linie an die sportliche Leitung des FCA, die es sich nicht leisten kann, einen Keeper gut zu finden, der nicht wirklich 1A gut ist und sich dabei wiederum Defizite in der Kommunikation leistete, als das Werben um Finn Dahmen nicht öffentlich erklärt wurde. “Gikiewicz ist 34 Jahre alt und jeder Bundesklub hat einen zweiten Top-Torhüter, der der Nummer eins im Nacken sitzt – nur der FCA nicht.” So einfach hätte man Gikiewicz die narzisstische Kränkung erspart, die er offenbar gerade abarbeitet.
Beim FCA läuft seit einiger Zeit zu vieles ungesteuert und schlecht oder gar nicht kommuniziert dahin. Das ist für einen Bundesligaklub unwürdig, und es ist höchste Zeit, dass sich das ändert.