Meinung
Kommentar zum FCA: Ein Weiter so wäre tödlich
Je länger die abgelaufene Bundesligasaison zu Ende ist, desto absurder erscheint die Situation beim FCA – Cheftrainer Enrico Maaßen und Stefan Reuter haben eine schreckliche Saison zu verantworten – Beide sind für den Klub nicht mehr tragbar – Doch offenbar setzt der FCA ein weiteres Jahr auf das Krisenduo
Kommentar von Siegfried Zagler
Würde man in aller Ruhe und der gebotenen Konsequenz die vergangene Spielzeit beim FCA analysieren, müsste ein Beben zu vernehmen sein. Wirklichkeitswahrnehmung und Wirklichkeit liegen beim FC Augsburg nämlich weiter auseinander als beim FC Bayern. Bei den Bayern hat die Differenz zwischen Wirklichkeit und Anspruch über eine gesamte Saison hinweg immerhin zu einem Umbruch geführt, dessen Kernaussage einfach zu verstehen ist: „Starke Leistungsschwankungen werden in diesem Klub nicht toleriert. Ein Weiter-so wird es nicht geben.“
Ganz anders stellt sich die Situation beim FCA dar. Bei den Augsburgern ist die Mannschaft in dieser Saison mehrmals eingebrochen, gehörten starke Leistungsschwankungen innerhalb einer Partie durchgehend zum Gesamtbild, haben Management und Trainerstab gravierende Fehler begangen und dennoch sieht derzeit alles danach aus, als würde der FCA mit dem aktuellen Trainerstab und Stefan Reuter in seine 13. Bundesligasaison gehen. Ein verheerendes Signal für alle, die es mit dem FCA haben.
Ein verheerendes Signal für alle, die es mit dem FCA haben
Ein „Weiter-so“ gilt offenbar beim FCA als Maxime, so lange sich der FCA in der Bundesliga halten kann – auch dann, wenn es mit Glück und Zufall zu erklären ist, wie der Klassenerhalt in der kürzlich zu Ende gegangenen Saison.
Stefan Reuters historischen Verdienste für den FCA sind unbestritten, doch spätestens seit dem Pepi-Transfer und der irrwitzigen Aussage, dass man Pepi jahrelang beobachtet habe, sollte Augsburgs Geschäftsführer Sport unter genauer Beobachtung stehen. Reuter ist auch dafür in Haftung zu nehmen, dass der FCA seit dem Abgang von Marwin Hitz (2018) sich mit Torwartproblemen durchlaviert und seit dem Abgang von Paul Verhaegh (2017) auf der Rechtsverteidiger-Position erkennbar zu schwach besetzt ist.
Spielerpersönlichkeiten und formstabile Leistungsträger wie Verhaegh (RV), Hitz (TW) oder Baier (auf der Sechs) oder eben auch wilde Identifikationsfiguren wie Bobadilla und Caiuby fehlen dem FCA stärker als jedem anderen Klub. Auch ein leistungsstarker Sympathieträger, wie einst Tobi Werner, ist im aktuellen Kader nicht auszumachen. In einem Interview mit der AZ sagte Reuter, dass man nur Spieler geholt habe, die sich mit dem FCA identifizieren. Darüber kann man nur lachen und mutmaßen, dass Reuter sich die Welt so zurecht schnitzt, wie sie ihm gefällt. Dass er damit die Öffentlichkeit veräppeln darf, hat wiederum der FCA zu verantworten, der Reuter offenbar reden und machen lässt, bis sich die Balken biegen.
Hätte der Verein ein professionelles Analyse-Management, wäre Reuter längst weg
Hätte der Verein ein professionelles Analyse-Management, wäre Reuter längst weg. Reuters noch von Klaus Hofmann bis 2026 verlängerter Vertrag mag hoch dotiert sein, der von ihm verursachte Flurschaden ist nicht weniger kostenintensiv. Reuters Kaderzusammenstellung hätte in dieser Saison zu einem Desaster geführt, wäre sie nicht in der laufenden Saison mit gewaltigem Aufwand repariert worden. Neun neue Spieler wurden während der laufenden Saison verpflichtet.
„Wären wir von ihm nicht absolut überzeugt, hätten wir ihm keinen Vertrag über drei Jahre gegeben.“ Diesen Satz sagte Stefan Reuter in der ersten Pressekonferenz nach der Verpflichtung von FCA-Trainer Enrico Maaßen, der genau vor einem Jahr auch deshalb verpflichtet wurde, weil er Reuter und Co. die Mär von einer neuen FCA-DNA auf die Nase binden konnte. „Ich bin sicher, dass wir den FCA weiterentwickeln werden“, verkündete der neue Trainer, der zusammen mit seinem Co-Trainer Sebastian Block dabei krachend gegen die Wand fuhr. Das Experiment mit Maaßen ist gescheitert und werde offenbar in der Zweiten Liga weitergehen, orakelte die DAZ noch vor dem Heimspiel gegen Union Berlin und hätte damit wohl ins Schwarze getroffen, hätte der VfB Stuttgart in den letzten 15 Minuten der Saison gegen Hoffenheim eine seiner hochkarätigen Torchancen verwertet.
Dass der FCA an Maaßen festhält, ist kaum zu verstehen
Dass ein schwer abstiegsgefährdeter Klub sich so desolat in der Schlussphase der Bundesliga präsentiert und dabei dennoch nicht absteigt, grenzt an ein Wunder. Dass sich die FCA-Führung (und damit ist auch Reuter gemeint) an einen jungen wie unerfahrenen Trainer klammert, der nicht wenige Fehler zu verantworten hat, ist ebenfalls kaum zu verstehen.
Bei Enrico Maaßen ist in aller Sachlichkeit festzuhalten, dass er angetreten ist, um beim FCA den Ballbesitz zu verbessern, um eine klare Struktur im Spiel nach vorne zu entwickeln. Genau daran mangelte es dem FCA unter Herrlich und Weinzierl – und genau daran hat es dem FCA auch mit Maaßen als Cheftrainer gemangelt. Augsburgs neuer „Traumcoach“ trat also mit einem Versprechen an, das er nicht halten konnte. Besser: Er trat mit einem Traum an, den er besser nicht versprochen hätte.
Sportlich sieht Maaßens Bilanz schlechter aus als bei Herrlich und Weinzierl, auch spielerisch hat sich in Augsburg wenig getan. Die Passquote war lausig, die Anzahl der Torchancen war unterirdisch. Und dies, obwohl mit Demirovic, Berisha, Engels und Beljo technisch starke Offensivspieler nachverpflichtet wurden – auch Arne Maier verfügt deutlich über dem Durchschnitt liegende technische Fähigkeiten.
Coaching-Fehler in Serie
Auffällig ist auch der Sachverhalt, dass Maaßen sich öfters beim Leistungsvermögen seiner Spieler verschätzte. Bei Caligiuri unterlief ihm das sogar zweimal: Zu Beginn der Saison schätzte er Caligiuri zu stark ein, zum Ende als zu schwach. Womit wir bei Arne Engels wären: Ein Transfer-Volltreffer und ein Glücksfall erster Güte. Engels Dynamik gepaart mit der Erfahrung und dem Spielverständnis eines Caligiuri hätte ihn auf der zentralen Sechs gehalten, wo er wohl auch hingehört. Maaßen verschob Engels mal nach halbrechts, mal nach links und schwächte somit die Mitte, wo Rexhbecaj all zu oft überfordert wirkte: ein Granaten-Coaching-Fehler in Serie.
Interessant auch Maaßens Fehleinschätzung von Renato Veiga, der kaum ein Bein auf die Erde brachte und es dennoch immer wieder in den Kader schaffte, während Maximilian Bauer zu oft auf der Bank Platz nahm. In den ersten Spieltagen schaffte es unter Maaßen auch Ricardo Pepi stets in den Kader, am vierten Spieltag in Hoffenheim sogar in die Startelf, wo er in 56 Minuten kein Dribblig gewann, keine Flanke schlug und keinen Torschuss abgab. Noch nie stand beim FCA ein dergestalt eigenschaftsloser Kicker im Sturmzentrum – auch nicht in Liga zwei.
Schließlich folgte die trostlose 0:2-Heimpartie gegen Hertha, wo der FCA erstmalig mit gellenden Pfiffen verabschiedet wurde. Völlig hilflos fügten sich die Augsburger nach einem desolaten Auftritt in eine grauenvolle Heimniederlage.
Neuanfang nach dem 5. Spieltag
Der vom FCA so hoch aufs Schild gehobene Maaßen stand bereits nach sechs Pflichtspielen unter Druck, stellte auf ein offensiveres wie rustikales 4-4-2 um und gewann damit in Bremen mit Wucht und Glück, aber nicht unverdient eine wilde Abendpartie. Danach folgte der 1:0-Heimsieg gegen Bayern München. Zum zweiten Mal erfand sich der FCA unter Maaßen neu: Der FCA hatte gegen Bayern tatsächlich drei Großchancen und die Münchner sechs. Der alte FCA schien auferstanden: intensiv und hoch pressen, sicher und wach in den Räumen stehen, Balleroberungen erzwingen, schnelle Konter fahren.
Endlich kapiert, endlich eine wirksame Rezeptur gegen den Abstieg, dachte man, doch die Mannschaft ließ weitere schwache Leistungen folgen. Heute weiß man, dass der FCA in der Hinrunde gegen Leverkusen in der Krise gewann (Die Werkself stand nach dem 8. Spieltag auf dem vorletzten Tabellenplatz.). Weiß man, dass Augsburg in der Hinrunde auf Schalke gegen eine Gespensterelf gewann. Weiß man, dass der FCA in der Rückrunde zu Hause viermal in Folge gegen Gästeteams gewonnen hatte, die sich in einem Formtief befanden (Wolfsburg, Gladbach, Hoffenheim und auch wieder Leverkusen). So viel Glück hat man nicht oft in einer Saison.
Am auffälligsten war jedoch fast über die gesamte Saison, dass der FCA nach einem Führungstreffer das System veränderte und defensiver agierte. Dabei aber nicht aggressiv nach vorne verteidigte, sondern sich passiv mit zwei Reihen tief stellte, und aufhörte Fußball zu spielen. Dachte man zu Beginn der Saison noch, dass das Zufall sei – oder der jungen und neu zusammen gestellten Mannschaft geschuldet war, dem Druck der zurückliegenden Mannschaft geschuldet war, weiß man heute, dass dieser Impuls von der Trainerbank kam. Zu viele Disziplinlosigkeiten reihten sich aneinander, zu viele dumme Gelbe, Gelbrote und Rote Karten waren die Folge. Auch hier darf man bezweifeln, dass dabei der Zufall Regie führte.
Eine Lernphase ist bei dieser Gehaltsklasse nicht zulässig
Maaßen darf man zugute halten, dass er in schwierige Umstände geraten ist. Dennoch ist es so, dass ein Bundesligatrainer-Job bei einhundert Prozent beginnt. Lern- und Einarbeitungsphasen sind in dieser Gehaltsklasse nicht zulässig. Der FC Augsburg darf auch mal mit einem Trainer in die Zweite Liga gehen. Darf natürlich gegen Hertha und Bochum jeweils zweimal verlieren, darf Glück haben und sich dumm anstellen, aber er darf nicht eine Bundesligamannschaft unterhalten, die im Abstiegskampf so auftritt, wie zum Beispiel am letzten Spieltag in Mönchengladbach. Das war eine Schande für den Klub, die Stadt und für alle Augsburgerinnen und Augsburger, die sich mit dieser Stadt in irgendeiner Form identifizieren. Zu verantworten haben das Maaßen und Reuter, die beide nicht mehr vermittelbar sind.