“Ich bin davon überzeugt, dass die Neuverschuldung verantwortungslos ist”
Christian Moravcik im DAZ-Interview zur Finanzierung der Theatersanierung
Christian Moravcik hat sich als finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Finanzausschuss wie im Gesamtstadtrat einen ausgezeichneten Ruf als Finanzpolitiker und als Haushaltsexperte erarbeitet. Das galt für die vergangene Stadtratsperiode, in der sich die Grünen in der Opposition befanden und das gilt noch stärker für die aktuelle Stadtratsperiode, in der die Grünen einen Referenten stellen, und somit ein Teil der Regierung sind. Aus diesem Grund ist Moravciks Kritik an der Finanzpolitik der Stadtregierung, zu der er formal immer noch gehört, mehr als „nur“ ein Politikum erster Güte, viel mehr: Moravciks Kanonenschlag trifft “Mitten ins Herz” der Stadtregierung, ist also ein Volltreffer mit Tiefenwirkung, der nicht nur prinzipiell das „Gestaltungsprinzip Schuldenmachen“ geißelt, sondern konkret das Finanzierungskonzept der Theatersanierung als „demokratiefeindlich und verantwortungslos“ angreift. „Das mit Moravcik trifft uns richtig hart“, sagt einer, der es wissen muss, nämlich der Fraktionschef der CSU, Bernd Kränzle. Christian Moravcik (32) gehört seit 2008 dem Stadtrat an, seine Berufsbezeichnung: Diplomgeograph (univ.). Sein Studium schloss der gebürtige Augsburger in diesem Jahr ab.
DAZ: Herr Moravcik, zu Beginn unseres Gesprächs, möchte ich Ihnen ein Kompliment machen: Ihr Ausscheiden aus dem Finanzausschuss wird nicht nur von den Grünen als Verlust begriffen, sondern auch von den anderen Parteien. Mit ihm verliere man ein wichtiges Korrektiv, so der Kanon der Mitglieder des Finanzausschusses. Wäre es nicht politisch wirksamer gewesen, weiterhin als Korrektiv zu agieren, statt auf den Modus „Fundamentaloppositionspolitiker“ umzuschalten, der Ihnen möglicherweise droht?
Moravcik: Um als “Korrektiv” – wie Sie es ausdrücken – auf die großen Partner CSU und SPD einwirken zu können, ist eine Sache fundamental wichtig: Die eigene Fraktion muss hinter der Position des finanzpolitischen Sprechers stehen. Die Grüne Stadtratsfraktion möchte jedoch die Schuldenpolitik mittragen. In dieser Situation können sie sich dann nur noch entscheiden, den Kurs entgegen ihrer eigenen Überzeugung mitzugehen, oder ehrlich zu sagen, dass es hier um eine so grundsätzliche Entscheidung der Finanzpolitik geht, die ich für verantwortungslos halte und nicht vertreten kann. Dass ich für mich daraus Konsequenzen zu ziehen habe, ist nichts Besonderes, sondern etwas Selbstverständliches. Sehen Sie das anders, Herr Zagler?
DAZ: Natürlich sehe ich das anders, aber das ist an dieser Stelle nicht von Bedeutung.
Moravcik. Der Druck auf mich war jedenfalls hoch und belastend. Die Entscheidung den Finanzausschuss nieder zu legen, war aber richtig und befreiend. Ein dauernder Konflikt zwischen Fraktionsdisziplin und eigener Gewissensentscheidung ist nicht leicht zu ertragen. Ich bin aber auch etwas enttäuscht. Ich hätte mit Hassmails a la „Kulturbanause” bis “Totengräber des Theaters“ gerechnet (lacht), aber die Rückmeldungen sind bisher alle positiv ausgefallen.
DAZ: Warum haben Sie sich für diese Entscheidung so viel Zeit gelassen?
Moravcik: So viel Zeit? Herr Zagler, die Details des Finanzkonzepts zur Theatersanierung wurden erst zur Novembersitzung des Finanzausschusses bekannt. Auch ich kannte es vorher nicht. In beachtlicher Geschwindigkeit haben wir Grüne uns damit auseinandergesetzt, eine Stadtversammlung einberufen und ein Meinungsbild der Parteimitglieder eingeholt. Erst nach diesem Prozess war klar, dass die Grünen einen anderen Finanzkurs einschlagen wollen und persönliche Konsequenzen für mich angezeigt sind. Ich habe dann sehr schnell das vertrauliche, persönliche Gespräch mit der Fraktionsvorsitzenden gesucht. Dann begannen erst die fraktionsinternen Gespräche.
DAZ: Es wäre für die DAZ-Leser in diesem Zusammenhang sicher auch noch von Interesse, warum Sie sich nicht gleich ganz aus der Grünen Fraktion verabschiedet haben, sondern weiterhin für die Grünen und somit für das Dreierbündnis in Ausschüsse gehen wollen.
Moravcik: Ich bin davon überzeugt, dass die Grüne Fraktion zusammen viel erreichen kann. Mein Ziel muss es doch aber sein, möglichst viel des Wahlprogramms wegen dem die Bürgerinnen und Bürger mich in den Stadtrat geschickt haben umzusetzen. Die Erfolgsaussichten dafür sind in einer Regierungsbeteiligung bekanntlich höher.
DAZ: Da stimme ich Ihnen gerne zu. Nur bin ich mir nicht sicher, ob das jetzt noch für Sie persönlich zutrifft. Für Sie persönlich bedeutet diese Entscheidung doch jede Menge Ärger. Ihnen droht möglicherweise politische Isolation und Einzelkämpfertum. Wie wollen Sie in dieser Rolle noch Grüne Programme umsetzen? Haben Sie das bedacht?
Moravcik: Kommunalpolitiker sind für sechs Jahre gewählt. Die politische “Karriere”
hat von Anfang an ein Ablaufdatum und das ist auch gut so. Ich war über sieben Jahre für die Grüne Stadtratsfraktion als finanzpolitischer Sprecher und als Mitglied im Finanzausschuss tätig. In dieser Zeit haben die Grünen in Augsburg ein auch über Parteigrenzen hinaus anerkanntes finanzpolitisches Konzept und eine eigenständige Finanzprogrammatik entwickelt. Diese Programmatik schlug sich neben Beschlüssen der Stadtversammlung auch im Wahlprogramm und schlussendlich als politischer Kompromiss im Kooperationsvertrag nieder. Für mich persönlich ist mit einer weiteren Schuldenausweitung eine rote Linie überschritten. Der erreichte Umfang der Neuverschuldung überschreitet aus meiner Sicht weit den Rahmen, in welchem die Stadt in Zukunft handlungsfähig bleiben kann. Nach langen Diskussionen in Partei und Fraktion ist die Niederlegung die für mich persönliche Konsequenz aus der Entwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass die Neuverschuldung verantwortungslos ist und dazu stehe ich. So einfach ist das. Und Sie können sich sicher sein, dass ich die möglichen persönlichen Konsequenzen genauso gut bedacht habe, wie die Auswirkungen der Rekordneuverschuldung auf die Stadt.
“Das ist weder nachhaltig noch generationengerecht. Dem Stadtrat fehlt dazu die Legitimation”
DAZ: Warum haben Sie dann bei der Neuverschuldung für das Schulsanierungspaket zugestimmt?
Moravcik: Auch die Kredite für die Schulsanierungen habe ich damals kritisch beleuchtet. In der Analyse gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Bei den Schulen ist die Stadt Sachaufwandsträger. Es handelt sich folglich um eine städtische Pflichtaufgabe die auf jeden Fall erledigt werden muss. Auch beim Umfang der Sanierungen gibt es bei den Schulen nicht viel Spielraum und es handelt sich um, in kommunalen Zeitschienen gemessen, relativ kurzfristige Kredite mit Laufzeiten bis zu elf Jahren. Dass eine Stadt in kritischer Finanzlage ein Theater dieser Größe vorhält, ist zunächst eine freiwillige Leistung und damit eine Entscheidung, die die Stadt selbst in der Hand hat. Die Theatersanierung ist eine „Generalsanierung“ und die Kosten übersteigen im hohen Maße die Ausgaben, die nötig wären, um den normalen Betrieb aufrecht zu erhalten. Diese angestrebte Generalsanierung sprengt den Rahmen des finanziell Leistbaren der Stadt. Diesen Fakt ignorierend will man dieses Projekt offenbar dennoch per Kredite durchziehen und die Kopfzerbrechen über die Leistbarkeit den nachfolgenden Stadträtinnen und Stadträten der nächsten vier Perioden bis zum Jahr 2039 überlassen. Das ist nicht nachhaltig und auch nicht generationengerecht. Ich meine sogar, es ist demokratiefeindlich. Die für sechs Jahre gewählten Stadträte sind nicht legitimiert, massiv den Haushalt der noch zu wählenden Stadtregierungen vorzuschreiben.
DAZ: Das ist ein Gedanke, der zunächst einleuchtet. Ist es aber nicht so, dass die Politik alle Nase lang Finanzierungsprojekte dieser Art startet? Auch die Neue Stadtbücherei wurde doch zu 100 Prozent finanziert und ist erst in 30 Jahren abbezahlt. Wäre der Stadtrat an den „Moravcik-Kodex“ gebunden, nur Projekte zu finanzieren, die auch innerhalb einer Periode finanziert werden können, wäre der Gestaltungsspielraum wohl eher zu eingeschränkt und die Stadt Augsburg würde von anderen Kommunen abgehängt werden.
Moravcik: Sie haben Recht, die Politik beschließt immer wieder solche Konzepte. Die Konsequenz daraus ist eine ständig ansteigende Verschuldung, steigende Zins- und Tilgungslasten und damit einhergehend der Verlust von Handlungsoptionen unserer Nachfolger. Die Grünen hatten dies erkannt und eine Lösungsstrategie entwickelt. Ihr sogenannter Moravcik-Kodex wurde vom Finanz-Arbeitskreis der Grünen entwickelt, von der Stadtversammlung beschlossen und ins Wahlprogramm aufgenommen. Der Beschluss ließe übrigens auch Finanzierungen über längere Zeiträume zu, dazu bedarf es aber nach dem Grünen Wahlprogramm der Legitimation der Bürgerinnen und Bürger über einen Bürgerentscheid. Und um auf die Stadtbücherei zurück zu kommen. Ihr Kollege der großen Tageszeitung hat errechnet, dass die Errichtung der Stadtbücherei 15 Millionen gekostet hat. Zahlen wird die Stadt am Ende 30 Millionen. Wenn wir also über eingeschränkte Gestaltungsspielräume sprechen ist das doch das beste Beispiel. Weil eine Regierung keine saubere Finanzierung aufstellt, kostet es die Stadt das Doppelte und das zu Lasten der nachfolgenden Regierungen.
DAZ: Wenn ein marodes Stadttheater Anlass einer Generalsanierung ist, lassen sich die damit verbundenen finanziellen Drahtseilakte politisch besser rechtfertigen. So kommt man vermutlich auch einfacher an höhere Fördergelder vom Freistaat. Aber gemessen an den laufenden Kosten, die der normale Stadttheaterbetrieb verursacht, sind die Sanierungskosten doch ein Klacks. So ähnlich hat das jedenfalls der Intendant vom Karlsruher Staatstheater Peter Spuhler bei der Eröffnungsveranstaltung des Bürgerbeteiligungsverfahrens gesagt. Da ist was dran.
Moravcik: Herr Spuhler wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Sanierungskosten nicht wirklich das Problem sind?
DAZ: Genau! Also betrachten wir mal des Pudels Kern: Zirka 25 Millionen Euro kostet der bloße Betrieb unseres Stadttheaters jährlich, 15 Millionen davon belasten jährlich den städtischen Haushalt. Mit den Kosten für den Gebäudeunterhalt hat die Stadt Augsburg in den vergangenen 30 Jahren grob geschätzt 450 Millionen Euro für ihr Stadttheater ausgegeben. Ist es in diesem „Kosten-Szenario Stadttheater“ wirklich so dramatisch, wenn man jährlich noch „vier Milliönchen“ aufsattelt, damit der Dreisparten-Betrieb am Kennedyplatz für die nächsten 30 Jahre fortgesetzt werden kann?
Moravcik: Interessante Summen die Sie da nennen. Haben Sie mal ausgerechnet, wie viel in der Zeit für andere Bereiche ausgegeben wurde? Zum Beispiel für die städtischen Altenheime oder Bildung? Ich nehme an, nicht mal Bruchteile davon und das beschreibt schon einen Teil des Problems. Aber lassen Sie uns nicht über die Vergangenheit reden.
“Die Selbstverwaltung der Kommune ist nur noch in einem lächerlichem Ausmaß möglich”
DAZ: Die Fehler der Vergangenheit lehren uns doch, wie wir unsere Zukunft gestalten sollen.
Moravcik: Das stimmt natürlich. Die Entscheidungen für die Gestaltung der Zukunft werden aber in der Gegenwart getroffen. Die gegenwärtige Haushaltslage – und die wird sich auf absehbare Zeit nicht verbessern – sieht so aus: Die Einnahmen der Stadt Augsburg sind im Vergleich zu anderen Städten unterdurchschnittlich, dagegen die Belastungen durch Sozialausgaben, aber auch schon bestehende Zinslasten im Vergleich zu anderen bayerischen Städten überdurchschnittlich. Bereits knapp 8 Prozent unserer Einnahmen werden für den Schuldendienst benötigt. Dazu kommt, dass wir die Investitionen schon lange nicht mehr frei wählen können. Tatsächlich ist der Investitionshaushalt von Projekten geprägt, die zur Vermeidung von Notsituationen, Gefahr im Verzug, oder der Abwendung von Schließungen und Sperrungen bei Pflichtaufgaben unausweichlich sind. Die Selbstverwaltung der Kommune ist faktisch nur noch in einem lächerlichem Ausmaß möglich.
DAZ: Bei einem Investitionsbetrag von zirka 100 Millionen Euro im Schnitt?
Moravcik: Das klingt nach viel, ist aber in Wahrheit wenig. Im Wesentlichen kann die Bürgervertretung Stadtrat nämlich nur noch über 5 bis 10 Millionen Euro jährlich frei verfügen. Man kann es gar nicht oft genug sagen: In den Haushaltsberatungen 2015 waren für die drei Kooperationspartner noch 800.000 Euro zur politischen Prioritätensetzung vorgesehen, also etwa 0,1 Prozent des Haushaltsvolumens. Hierin begründet sich auch die Diskussionswürdigkeit des Finanzierungskonzepts: Wer ein Finanzierungskonzept bis zum Jahr 2039 beschließt, engt damit den kleinen verbliebenen Handlungsspielraum nachfolgender Entscheider und Entscheiderinnen um weitere 3,85 Millionen Euro zuzüglich Zinsen und mögliche Baukostensteigerungen, weiter ein. Mehrkosten bei anderen Großprojekten wie dem Hauptbahnhof, neuen Straßenbahnlinien, oder kommende soziale Herausforderungen wie Wohnungsbau, die Flüchtlingskrise und damit verbundene Integrationskosten, könnten damit zum Kollaps der städtischen Finanzen, beziehungsweise zur Sinnlosigkeit von weiteren Stadtratswahlen führen, da keine Handlungsspielräume mehr vorhanden sind.
“Soziale Herausforderungen wie Wohnungsbau, die Flüchtlingskrise und damit verbundene Integrationskosten, könnten zum Kollaps der städtischen Finanzen führen”
DAZ: Wenn bereits heute der Gestaltungsspielraum so gering ist, wird das Rätsel immer rätselhafter, wie Sie im Bauausschuss oder Umweltausschuss Grüne Inhalte in dieser Regierungsperiode umsetzen wollen. Außerdem besteht im aktuellen Stadtrat der Konsens, dass es ein Stadttheater mit drei Sparten, also ein Dreisparten-Haus in Augsburg braucht. Im Sommer gab es dazu im Stadtrat einen Grundsatzbeschluss. Das kostenintensive „Konzept Eigenbetrieb Stadttheater“ in ein weniger kostspieliges Konzept umzubauen, indem man zum Beispiel das Musiktheater aus dem Eigenbetrieb auslagert, gilt in der Politik als obsolet und ist somit wohl auf absehbare Zeit politisch nicht durchsetzbar. Also wird uns unser Stadttheater weiterhin 15 Millionen Euro + x pro Jahr wert sein müssen. Oder schwebt Ihnen gar vor, die „Heilige Kuh Stadttheater“ mit Haut und Haar Richtung Schlachthaus zu führen?
Moravcik: Schlachthaus und Kühe. Geben Sie schon Stichworte für die Hassbriefe? Wissen Sie, ich bin kein Kulturpolitiker. Ich bin Finanzpolitiker und als solcher sehe ich, dass wir jeden Euro nur einmal ausgeben können. Und wenn der Stadtrat mehrheitlich der Meinung ist, dass der Unterhaltungsbetrieb Theater einen jährlichen Zuschuss in dieser Höhe erhalten soll, dann ist das eine demokratische Entscheidung, welche übrigens jederzeit geändert werden kann. Aber auch hier gilt: Jeder Euro der schon ausgegeben ist, kann nicht mehr an anderer Stelle verwendet werden. Der Konsens, Geld auszugeben, besteht immer recht schnell – im Gegensatz zu diskutierten Einsparungen. Und um ihr Rätsel zu lösen: Im Bau- oder Umweltausschuss besteht die Möglichkeit durch Bebauungspläne und Satzungen die Stadt nachhaltig zu verändern, ohne dass die Stadt selbst fiskalisch belastet wird.
“Spielräume im Haushalt sind nicht mehr vorhanden”
DAZ: Bitte nicht die Frage umschiffen!
Moravcik: Gut, spielen wir ihren Schlachthausgedanken mal durch. Nehmen wir mal an wir hätten das Jahr 2025 und die Kredite für die Theatersanierung belasten jährlich den Haushalt mit vier Millionen zusätzlich zum Zuschuss von fünfzehn Millionen. Spielräume im Haushalt sind nicht mehr vorhanden. Die neue Stadtregierung will aber ihre eigenen investiven Schwerpunkte setzen, schließlich muss ja jede Regierung ihre Tatkraft durch verbaute Betonmillionen unter Beweis stellen. Oder die Stadt hat wiedermal ein Haushaltsdefizit und muss jetzt einen Ausgleich herstellen. Eines der beiden Szenarien trifft immer zu (lacht). So Herr Zagler: Stellen Sie sich vor, Sie wären Stadtrat im Jahr 2025. Welche freiwillige Leistung kürzen Sie? Die Zinsen und Tilgung für die Theatersanierung können sie nicht streichen, diese Handlungsoption hat Ihnen der Stadtrat 2015 genommen. Kürzen Sie den jährlichen Zuschuss ans Theater um fünf Millionen und machen sich damit lächerlich, weil Sie ein riesiges, teuer generalsaniertes Theater haben, welches Sie dann nicht mehr adäquat bespielen können? Oder machen sie die vermeintliche Kuh zum Schlachter und kürzen anderswo? Vielleicht schließen Sie die Hallenbäder, oder verkaufen Anteile der Stadtwerke oder unsere Wohnungsbaugesellschaft?
“Der Umfang der Investition ist mit der kritischen Haushaltslage der Stadt Augsburg nicht zu leisten”
DAZ: Da es sich wohl um rhetorische Fragen handelt, die die „Schlachthausfrage“ ein wenig konkreter umschiffen, gehe ich darauf nicht ein. Schließlich bin immer noch ich in der Rolle des Fragestellers, aber ich nehme Ihren zu kurz gespielten Pass gerne an. Deshalb gleich die Steilvorlage, die Sie sicher direkt verwandeln können: Welches Finanzierungskonzept für die Theatersanierung hätten Sie mitgetragen?
Moravcik: Sie geben die gleiche Antwort wie die Schuldenbefürworter, nämlich keine. Herr Zagler (lacht), Sie sind ja schon ganz Stadtrat! Aber zurück zum Thema: Die Finanzierung der Theatersanierung beinhaltet aus meiner Sicht zwei wesentliche Probleme. Erstens ist der Umfang der Investition, auch mit Zuschüssen des Freistaats, mit der kritischen Haushaltslage der Stadt Augsburg nicht zu leisten. Es ist auch nicht absehbar, dass sich die Haushaltslage mittelfristig substanziell verbessert. Eine Einzelinvestition dieser Höhe ist deshalb nicht vertretbar. Zweitens verschiebt das Schuldenkonzept die Tilgung in die nachfolgenden Stadtrats-perioden. Dabei schränkt es die verbliebenen marginalen Handlungsspielräume der nachfolgenden Stadtratsperioden massiv ein. Dafür ist der aktuell gewählte Stadtrat, wie gesagt, nicht legitimiert.
DAZ: Herr Moravcik, das hatten wir schon. Ich fragte danach, welches Theatersanierungskonzept Sie mitgetragen hätten!
Moravcik: Geduld Herr Zagler, nur wer sein Ziel kennt findet den Weg (lacht). Eine Finanzierungsalternative müsste aus meiner Sicht folgende Säulen beinhalten: Erstens sollte der Umfang auf das Nötigste zur Betriebssicherung reduziert werden.
Zweitens muss die Finanzierung im Wesentlichen in der Stadtratsperiode geleistet werden, welche die Sanierung beschließt. Dafür nötige Steuererhöhungen oder Streichungen in anderen Bereichen dürfen nicht auf die nachfolgende Stadtratsperiode verschoben werden.
Drittens muss klar kommuniziert werden, dass eine Priorisierung der Theatersanierung zu Lasten anderer investiven freiwilligen Aufgaben gehen wird. Es muss deutlich gesagt werden, welche dies sein werden. Steht die Schließung von Sportstätten, oder von Hallenbädern zur Disposition? Gehen die Kosten fürs Theater zu Lasten der Stadtteilentwicklung, oder zu Lasten sozialer Leistungen wie dem Sozialticket? Der Investitionsplan der nächsten Jahre ist schon jetzt mit 46 Millionen überzeichnet. Das heißt, dass wir bereits zahlreiche Projekte beschlossen haben, für die es keine Finanzierung gibt. Welche dieser Projekte werden dadurch verschoben werden müssen, oder ganz aufgegeben? In welchem Maße leidet die gesamte Stadtentwicklung unter der freiwilligen Leistung „Eigenbetrieb Stadttheater“? All das muss in einem Konzept beantwortet werden, und zwar von denen, die die Entscheidung für die Sanierung treffen.
“(…) All das muss in einem Konzept beantwortet werden, und zwar von denen, die die Entscheidung für die Sanierung treffen”
DAZ: Das klingt aus Ihrem Mund alles sehr dramatisch und einleuchtend zugleich. Warum aber hat die Regierung von Schwaben die exorbitante Schuldenpolitik der Stadt genehmigt?
Moravcik: Die Regierung von Schwaben hat den Haushalt der Stadt Augsburg realistisch beurteilt, in dem sie beim Genehmigungsschreiben feststellte, dass der Ausgleich künftiger Haushalte gefährdet ist. Sie forderte zudem “Sparwillen” und “Priorisierungen” ein. Der Satz, “Der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit in den Folgejahren hat besonderes Augenmerk zu gelten” – oder die Aufforderung, die Stadt solle den Finanzplan an die “tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Finanzierbarkeit der Investitionen” anpassen, ist für das diplomatische Beamtendeutsch, das die Regierung von Schwaben pflegt doch mehr als deutlich und dem ist nichts hinzuzufügen. Herr Zagler, ich glaube, dass das Schuldenpaket zwar von einer Regierung genehmigt wurde, aber nicht von der Regierung von Schwaben.
DAZ: Herr Moravcik, vielen Dank für das Gespräch.
————— Fragen: Siegfried Zagler