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Dienstag, 08.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Die Aufführung war sehr, sehr intensiv“

Komponist Tobias PM Schneid zur Uraufführung seines Streichtrios in Augsburg

Das Mozartfest Augsburg hatte – gemeinsam mit Ute Legners “Mehr Musik”-Projekt an Tobias PM Schneid eine Auftragsarbeit vergeben (siehe obenstehender Artikel). Schneids Streichtrio wurde in einem „Zukunftsmusik“-Konzert inmitten von Bach/Mozart-Werken uraufgeführt. Frank Heindl sprach mit dem Komponisten.

DAZ: Herr Schneid, überraschend viele Ihrer Werke sind bereits auf CD eingespielt – wird man sich demnächst auch Ihr in Augsburg uraufgeführtes Streichtrio zuhause anhören können?

Schneid: Ich habe glücklicherweise einen Verlag für meine Arbeiten und ich werde auch immer wieder im Rundfunk gespielt, weil viele Aufführungen mitgeschnitten worden sind. Noch 2011 wird das Tecchler Trio eine CD mit Arbeiten von mir veröffentlichen. Das ist natürlich toll. Aber ob auch das Streichtrio bald aufgenommen wird, kann ich nicht sagen. Natürlich hoffe ich das, ich habe auch drei Streichquartette komponiert – das würde schon zusammenpassen.

Auftragsarbeit fürs Deutsche Mozartfest in Augsburg: der Komponist Tobias PM Schneid.

Auftragsarbeit fürs Deutsche Mozartfest in Augsburg: der Komponist Tobias PM Schneid.


DAZ: Kann man denn als Komponist von seiner Arbeit leben?

Schneid: Nun, ich lebe ja! Ich habe aber zusätzlich zum Komponieren auch eine Dozentur für Tonsatz an der Hochschule für Musik in Würzburg.

DAZ: Wie haben Sie selbst die Uraufführung des Streichtrios in Augsburg empfunden?

Schneid: Die Aufführung war sehr, sehr intensiv. Das war schwere Arbeit für die drei Musiker, zumal ich relativ spät fertig geworden bin und die Probenzeit daher begrenzt war – und sie haben das hervorragend gelöst. Ich habe mich sehr gefreut, dass das Trio in diesem unglaublich toll kombinierten Programm aufgeführt wurde: Schönberg, Gubaidulina, dazwischen die Mozart/Bach-Stücke, und dazu noch die ganze Atmosphäre im Rokokosaal …

DAZ: Das Publikum hat im ersten Teil nach den einzelnen Stücken nicht geklatscht, sondern erst ganz am Schluss – war das nicht etwas befremdlich?

„Ein unglaublich dichtes Zusammenwirken“

Schneid: Im ersten Moment war ich verblüfft und habe mir vorgenommen, beim nächsten Stück zu klatschen. Das war natürlich nicht böse gemeint von den Zuhörern: Wer nicht genau ins Programmheft geschaut hatte, der hat bei Mozarts Streichtrio auf einen dritten Satz gewartet. Aber ich wollte dann im weiteren Verlauf selbst auch nicht mehr zwischendurch klatschen, weil auf diese Weise ein unglaublich dichtes Zusammenwirken zwischen den Stücken entstanden ist. Schönberg ist auf Mozart gefolgt, als ob das zusammengehören würde – und auf diese Weise hat sich eine Zusammengehörigkeit gezeigt und entwickelt.



DAZ: Finden Sie den Rokokosaal im Schaezlerpalais denn wirklich geeignet für Ihre Musik?


Schneid: Der Rokokosaal ist sicher nicht für jedes Programm der geeignetste Ort, aber er ist akustisch toll, und mit Bach und Mozart zusammen – das hat doch hervorragend gepasst. Allein der Gang durch die Galerie bis zum Saal ist ein Genuss. Das war ein sehr in sich stimmiges Programm, optisch wie akustisch! Der Kompositionsauftrag aus Augsburg und die Uraufführung hier hat mich aber auch gefreut, weil ich ja lange Zeit in Königsbrunn gelebt habe – von der ersten Klasse bis zum Abitur.

„Man soll bei meiner Musik assoziieren!“

DAZ: Das Programmheft hat darauf hingewiesen, dass Ihrer Komposition ganz konkrete Eindrücke zugrunde liegen – man darf also bei Ihrer Musik ungehemmt assoziieren?

Schneid: Das soll man sogar! Das fällt ja bei neuer Musik viel leichter, als bei Bach oder Mozart. In dem Moment, wo Sie was Neues hören, ist es völlig normal, dass sie das den Erfahrungen im eigenen Leben zuordnen. Auch Neues entsteht ja immer in Berührung mit Bekanntem. Stellen Sie sich eine Hotellounge vor: Zunächst hören Sie ein Flirren, Surren, was Undefinierbares. Wenn Sie dann genauer hinhören, nehmen Sie zum Beispiel ein streitendes Ehepaar wahr, Geschirrklappern, solche Dinge. Solche Themen sind vertraut, und daraus entwickle ich neuartige Klänge. Auch Multiperspektivität interessiert mich: Gehen Sie durch Augsburg, da sind Sie ständig von verschiedenen Zeitaltern, aber auch vom Lärm aus den Straßen und Cafés und von vielen anderen Eindrücken umgeben. Da ist ein permanenter Fokuswechsel, den man gar nicht bewusst verarbeiten kann. Und das versuche ich einzufangen, indem ich immer wieder den Fokus ändere. Manchmal klärt sich das auch und alles wird ganz einfach, diese Momente gibt’s ja auch in meinem Trio – aber auch die anderen Momente, wo alles in Anspannung explodiert …

DAZ: … und dann sogar die Musiker einen Schrei ausstoßen müssen!

Schneid: Dieser Schrei ist biographisch bedingt: Ein guter Freund von mir hat in seinem Streichquartett was Ähnliches gemacht – das ist mein Gruß an ihn. Aber natürlich geht es auch darum zu hören, wie die Anspannung der Musiker sich löst. Aber nur ganz kurz – für diesen Schrei habe ich ihnen nur eine Sechzehntel lang Zeit gelassen.