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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Satire

Fake-News als Parodie-Show: „Der Postillon“ in Gersthofen

Die satirische Nachrichten-Website https://www.der-postillon.com/ ist nicht nur unter Satire-Fans eine heiß gehandelte Ware, sondern hat sich als eigenständiges Format für absurde Fake-News längst im Bewusstsein der bundesrepublikanischen Gesellschaft abgespeichert. „Der Artikel ist vom Postillion, oder?“, fragte kürzlich Fußballnationalspieler Julian Brandt, als er sein Unverständnis über Marco Roses Freistellung beim BVB spontan und elegant zum Ausdruck brachte.  

Von Sabine Sirach

Thieß Neubert und Anne Rothäuser in der Stadthalle Gersthofen – Foto: © DAZ

Nun war der Postillion (nach drei Terminverschiebungen) als eine für die Bühne dramatisierte Nachrichtenshow mit den Schauspieler-Moderatoren Thieß Neubert und Anne Rothäuser in der Stadthalle Gersthofen zu sehen.

In einem dramatischen Intro-Trailer geht es von der Entstehung des Universums im Urknall über die Entstehung des Lebens bis zu – Ursula von der Leyen! „Das haben wir jetzt davon.“ Dann wird in vielen Superlativen angekündigt: „Mehr Nachrichten als vergleichbare News-Shows“, bis die Moderatoren auf die Bühne kommen und verkünden: „Alles ist in Ordnung!“

Das Publikum wird nur zu Anfang kurz einbezogen, mit dem Zuschauer Markus in der ersten Reihe, und einem läppischen Quiz rund um Gulasch. Es folgt eine Salve absurder Nachrichten und Wortspiele, teils nur albern, teils als Fake News präsentiert (Lauterbach und Thunberg), teils bitterböse (die  Politiker, die sich in Kiew als Kriegs-Touristen die Klinke in die Hand geben). Kurzmeldungen laufen als Nachrichten-Ticker durch, und (natürlich nicht) „Live“-Schaltungen mit dem „Experten für Alles“ nehmen Themen aufs Korn wie Lohnzahlungen, die den Unternehmern ja doch nur Kosten verursachen.

Höherer Blödsinn und Wortspiele jagen aneinander in atemberaubenden Tempo, mit Themen wie dieselbetriebenen Windrädern, der Rückrufaktion von unfähigen Fahrern bei BMW und Audi, dem Rauchmelder mit Schlummerfunktion und Fernbedienung oder dem Gebührenautomat zum Überqueren an Fußgängerampeln. Renault dankt Angela Merkel für die jahrzehntelange kostenlose Werbung mit der Raute; zur Eindämmung der Wolfspopulation werden Grizzlybären ausgesetzt, und die ersten Aufnahmen vom neuen Weltraumteleskop zeigen das Innere der Abdeckkappe vom Olympus-Objektiv. Beim Sport ist alles pseudo-aktuell: Neue olympische Sportarten werden ebenso vorgestellt wie der Videoassistent für Schachspieler, und es kommt heraus, dass Jesus zwölf Mal durch die Tauchscheinprüfung gefallen ist.

Die seriöse Sprechweise der Moderation zu den absurden Fake-Nachrichten erhöhen die satirischen Effekte und bilden das Stilmittel der Inszenierung, die als verstärkte Formatversion der ZDF  „Heute-Show“ zu verstehen und zu nehmen ist. Durch mediale Einsprengsel wird die rasende Rampenshow angereichert: Live-Schalte per TV-Übertragung und Telefon im Radio, PowerPoint-Präsentationen (die Verdünnung des Plastikmülls im Meer durch steigenden Meeresspiegel) und ein Sketch in einer Bäckerei. Schauspielerische Hochleistung liefern Thieß Neubert und Anne Rothäuser mit einem Gedicht, das die erwarteten Reime zerstört, der ellenlange, höchst komplizierte Nonsens-Merksatz für das Periodensystem der Elemente oder eine lange, fast unaussprechliche „Fischers Fritze“-Variante.

Die erfolgreiche Nachrichten-Parodie war zum ersten Mal bereits 2013 im Netz zu erleben. Im NDR erreichte eine Ausstrahlung von 2 Staffeln à 6 Folgen das große Publikum. Seit 2018 gibt es nun die Postillion-Bühnen-Show, die in prall gefüllten Häusern in allen Ecken des Landes für Begeisterungsstürme sorgt. Nicht so in der Stadthalle Gersthofen, die nur spärlich gefüllt war.

Zum Abschluss posierten die beiden Moderatoren ironisch für Handy-Fotos; Es gab verhaltenen Applaus vom Publikum für eine wilde Show, die ein ausverkauftes Haus verdient gehabt hätte.