„Augsburg checkt’s“ – Faktencheck mit Fragezeichen
Fünf Partner wollen die Augsburger faktenfit machen: Die dpa, die Stadt Augsburg, die Stadtwerke (swa), die Augsburger Allgemeine und die Günter Holland Journalistenschule (GHJS) haben am 8. Oktober das Projekt „Augsburg checkt’s“ gestartet. Ein Disclaimer erweckt allerdings den Eindruck, dass sich die Augsburger Partner von den dpa-Faktencheckern distanzieren.
Von Bruno Stubenrauch
So funktioniert das Projekt: Die Faktenchecker der dpa bereiten die Inhalte vor, die GHJS bereitet sie redaktionell auf. Die Augsburger Allgemeine veröffentlicht sie als Serie, die swa zeigen sie in ihren Trams und Bussen, und die Stadt bringt sie auf Plakate im öffentlichen Raum. Über QR-Codes mit der markanten Zirbelnuss gelangen Interessierte zu täglich neuen Faktenchecks – und sollen so lernen, Desinformation zu erkennen und kritisch zu hinterfragen.
Korallen und Klima – ein typischer Faktencheck
Grund genug für die DAZ, einen dieser Faktenchecks selbst zu prüfen. Wir haben uns den Beitrag zur Frage angesehen, wie stark der Klimawandel das Great Barrier Reef vor Australien beeinträchtigt.
- Behauptung: Dem Great Barrier Reef geht’s gut.
- Faktencheck: Das Riff verzeichnet eine langfristige Verschlechterung seines Ökosystems und 2025 den stärksten Wachstumsrückgang seit Beginn der Messungen. Der Klimawandel ist schuld.
Auf den ersten Blick ein klassischer Faktencheck – viel irgendwie logisch und kompetent klingender Text, viele Quellen, leicht tendenziös geschrieben. Liest man jedoch die zugrunde liegenden Daten des Australian Institute of Marine Science (AIMS), einer Regierungsbehörde, ergibt sich ein anderes Bild.
Laut AIMS gilt die prozentuale Steinkorallenbedeckung als verlässlicher Indikator für die Gesundheit des Riffs. Betrachtet man die Entwicklung seit 1986, zeigt sich: 25 Jahre lang war die Lage stabil. Zwischen 2011 und 2017 halbierte sich die Korallenbedeckung – die Zeit der Klimaalarmisten war gekommen. Danach jedoch die Kehrtwende: Innerhalb von fünf Jahren verdreifachte sich die Bedeckung und übertraf sogar den langjährigen Durchschnitt. Jetzt hatten die Klimaskeptiker Oberwasser. Erst 2025 kam ein deutlicher Rückgang – endlich Zeit für einen belehrenden Faktencheck!
Das Herausgreifen dieses Einzeljahres ist allerdings so wenig aussagekräftig wie die Widerlegung der globalen Erwärmung mit einem kühlen Sommer. Der Trend insgesamt ist nahezu waagrecht – und widerspricht der im Faktencheck behaupteten „langfristigen Verschlechterung“. Die starken Schwankungen deuten zudem darauf hin, dass die lineare Klimaerwärmung allein kaum die Ursache für die sich ändernde Korallenbedeckung sein kann.
Rettungsanker Korallenbleiche?
Bleibt noch das Argument der Korallenbleiche. Doch hat die Regierungsbehörde Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) in ihrem jüngsten Bericht kaum bleiche Korallen festgestellt. Die Faktenchecker erklären das damit, dass der Bericht den australischen Herbst abbildet – in anderen Jahreszeiten gebe es sie durchaus.
Das ist etwa so sinnfrei wie die Feststellung, dass Deutsche im Sommer braun und im Winter blass sind. Oder die Blätter im Herbst bunt und im Frühling grün.
Achtsam bleiben – selbst denken
Fazit: Eine gesunde Skepsis gegenüber Faktenchecks kann nicht schaden. Wir erinnern uns an den peinlichen Fall vor zwei Jahren, als Luisa Neubauer in der ARD-Sendung „Maischberger“ den bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) fälschlich der Fake News bezichtigte und behauptete, Deutschland sei auch nach dem Abschalten der letzten AKW noch Netto-Stromexporteur. Die ARD-Faktenchecker stellten sich zunächst auf ihre Seite – und mussten ihren Beitrag nach Protesten dreimal innerhalb von 48 Stunden korrigieren, bis schließlich zu lesen war: Neubauers Behauptung war „nicht korrekt“.
Wir waren’s nicht!
Sind auch der Augsburger Allgemeinen und ihren Partnern Stadt und swa die jetzt im Rahmen von „Augsburg checkt‘s“ publizierten Faktenchecks nicht ganz geheuer? Der Gedanke liegt nahe. Unter jedem Artikel findet sich ein distanzierender „Transparenzhinweis“, in dem es heißt, man recherchiere nicht selbst, sondern publiziere nur – und die anderen Partner seien für den Inhalt ohnehin nicht verantwortlich.
Bleibt zu hoffen, dass die Augsburger dem Projekt kritisch begegnen. Um es mit den Worten von Oberbürgermeisterin Eva Weber zu sagen: „Fakten sind das Fundament unserer Demokratie. Nur wenn wir Informationen kritisch hinterfragen und verlässlich einordnen, können wir als Gesellschaft gute Entscheidungen treffen.“ Das gilt gleichermaßen für Faktenchecks.