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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Wiederauferstehung des Biennale-Konzepts?

Kommentar von Siegfried Zagler

„Ich dachte, dass das Thema erledigt ist, jetzt fangen Sie wieder damit an“, so polterte Karl-Heinz Schneider (SPD) gestern im Kulturausschuss Richtung Peter Grab. Schneider hat vor zirka acht Monaten im Schulterschluss mit allen Festivalleitern, der CSU und Kulturamtsleiter Thomas Weitzel das so genannte Biennale-Konzept von Kulturreferent Peter Grab pulverisiert. Dergestalt gescholten steuerte Grab um, erklärte Schneiders und Kränzles „Augenstern“ (das Brecht-Festival, das nach diesem Konzept im zweijährigen Turnus hätte stattfinden sollen) zur unangreifbaren Festivalgröße und brachte gestern im zweiten Anlauf nach einem relativ kurzen und beinahe harmlosen Gefecht mit der Opposition ein anderes Sparmodell in Sachen städtische Festivals durch. Ohne großen Widerstand der Betroffenen, ohne große Widerrede der CSU, die seinerzeit die Filmtage, Lab30 und Klapps vor dem Aus wähnte. „Totgesagte leben länger“, wie der Volksmund so schön sagt. Das soll in diesem Zusammenhang aber nicht für die „Quadratur des Kreises“ gelten, wie Grab sein Biennale-Konzept vor acht Monaten bezeichnete, sondern für Peter Grab, der gestern sehr gelassen und gut vorbereitet die Kritik der Opposition abzuwehren verstand, ohne dabei als Kulturpolitker zu überzeugen.

„Die Argumente der Opposition konnten genauso wenig überzeugen wie die Argumente Grabs.“ Das schrieb die DAZ zur „Schlacht“ um das Biennale-Konzept und das ist auch für die gestrige Diskussion zutreffend. Peter Grab erklärte sein Zahlenwerk nicht differenziert also politisch, er präsentierte es einfach als Notwendigkeit: Man müsse in Zeiten knapper Kassen eben sparen. Einzige politische Aussage: Alles kann weiter bestehen, nichts fällt aus dem städtischen Fördertopf. Grab setzt in erster Linie das Vorhandene fort und gestaltet wenig. Das ist auch ein Konzept, eines das Grab nicht sprachlich erklärt, sondern in Zahlen gießt.



Kulturpolitik muss sich aus aus gesellschaftlichen Notwendigkeiten heraus begründen


Die Opposition ist aber auch nicht gewillt (beziehungsweise nicht in der Lage) zu leisten, was Thomas Weitzel bereits vor acht Monaten umsonst einklagte. Nämlich eine Diskussion über den Wert und Sinn städtischer Kulturförderung anzuzetteln. Weder für die mit städtischen Steuergeldern geförderten Veranstaltungsreihen noch für das Stadttheater und andere kulturellen Einrichtungen der Stadt besteht eine politische Legitimation, die darüber hinausgeht, dass das in der Vergangenheit Entstandene weitergeführt werden soll oder (je nach Kassenstand) eben nicht. Kulturpolitik muss sich aus gesellschaftlichen Notwendigkeiten heraus begründen, womit gesagt sein soll, dass man zuerst begreifen muss, in welcher Situation man sich befindet und sich darüber verständigen muss, wohin man sich mit den Geldern der Steuerzahler entwickeln möchte. Karl-Heinz Schneider ist es zum Beispiel zu verdanken, dass die Stadt weiterhin ein Brecht-Festival fördert, das ohne Konzept und ohne Entwicklungsvision auskommt. Den Augsburger Grünen liegen seit einem halben Jahr ein paar DAZ-Fragen in Sachen Theater vor. Dabei geht es um den Gedanken, wohin sich das Theater in Zukunft entwickeln soll – und ob wir überhaupt eines brauchen. Bisher gab es dazu keine Antwort.

Die freie Szene ist nicht frei, sondern leicht zu lenken

Das Biennale-Konzept ist nicht wiederauferstanden, sondern zu einem reinen Sparkonzept mutiert. Ein kulturpolitischer Diskurs hat nicht stattgefunden. Totgesagte sind nicht tot und die so genannte freie Szene ist nicht frei, wenn sie von Steuergeldern subventioniert werden muss. Wäre sie frei, dann wäre sie zum Beispiel in der Lage, Peter Grab 2014 ganz schlecht aussehen zu lassen, indem sie einfach zwei Jahre komplett aussteigen würde und somit Grabs Konzept der reduzierten Fortführung ins Leere laufen ließe. „Kultur für alle“ wäre erledigt. Grab als Kulturreferent am Ende. Das wird nicht geschehen, und zwar deshalb nicht, weil Grabs Rechnung aufgehen wird: Die so genannte „freie Szene“ ist flexibel und leicht zu lenken, während dem Flaggschiff Stadttheater bei jeder kleinen Kursänderung beziehungsweise Mittelkürzung der Untergang droht. So lässt sich Peter Grabs Zahlenwerk lesen. Eine Alternative dazu muss die Opposition liefern, wenn sie als solche ernst genommen werden will.