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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

UNESCO-Welterbe: Kultur ist die Basis, die Wirtschaft der Gewinner

Die unterschwellig in der Augsburger Stadtverwaltung stattfindende Debatte bezüglich der Folgekosten eines UNESCO-Welterbe-Titels lockte Martin Kluger aus der Deckung. Er gilt als impulsfähiger Ideengeber des Projektes „Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg“. Kluger sieht derzeit einen kafkaesken Dämon in Augsburg herumspazieren und vermisst eine pragmatische Haltung der Stadt. Schließlich gehe es um ein Projekt, das man, so Kluger, nicht als Konsumption einzustufen habe, sondern als eine Investiton.

Den einen geht die Lust aus, den anderen das Wasser

Von Martin Kluger

Welterbe-Kandidat zu werden ist nicht leicht. 2013/2014 evaluierte der von der Kultusministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland eingesetzte Fachbeirat 31 Welterbevorschläge aus 13 Bundesländern für die Aufnahme in die deutsche Tentativliste. Schon diese 31 waren das Ergebnis einer harten Vorauswahl: Allein aus Bayern hatten 13 Kandidaten ihr Interesse bekundet. Nummer eins und Favorit war bei allen Experten (hinter vorgehaltener Hand) die historische Augsburger Wasserwirtschaft. Genau so kam es. „Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg“ dürfen sich schon 2018 als deutscher Beitrag für die Welterbeliste bewerben – mit weitaus besseren Chancen als zum Beispiel Jahre später die bayerischen Königsschlösser, glaubt man den Fachleuten.

… dann könnte man auch über einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Rathausplatz nachdenken

Was in anderen Städten Jubelchöre verursachen würde, führt in Augsburg zu Diskussionen. Nicht mehr darüber, ob die hiesigen Wasserwerke und Kanäle, Wasserkraftwerke, Monumentalbrunnen und die Modellkammer welterbewürdig sein könnten. Das interessiert nur noch am Rande. Denn daran ist ja nun mal – nach diversem Hohn und teils bösartigem Spott von verschiedenen Medien und Kritikern im Vorfeld – seit dem amtlichen Testat nicht mehr zu rütteln. Wenn dies nicht der Haken an der Sache ist, muss eben ein anderer her. Aus dem Nichts hervor geholt und umgehend in die kommunalpolitische Diskussion eingespeist wurde deshalb ein entsetzlicher Gedanke: Welterbe zu werden kostet etwas und macht Arbeit. Widerstand aus der Stadtverwaltung gegen das Projekt Welterbe führte zuletzt dazu, dass die „Augsburger Allgemeine“ titelte: „Wird die Welterbe-Bewerbung gekippt?“. Kritik am UNESCO-Projekt gäbe es, so wurde Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl zitiert, durchaus auch bei einem „Teil der Stadträte“. Die versenden schon mal eine Pressemitteilung mit der Erkenntnis: „Augsburg geht hier kaum abschätzbare Verpflichtungen in Millionenhöhe ein, ohne dass ein relevanter Nutzen erkennbar wäre“. Angesichts solcher Polit-Lyrik weiß man nicht, ob weinen oder lachen. Dass nach Meinung der Kritiker ein kostenträchtiger Großparkplatz beim Wasserwerk am Roten Tor entstehen müsste, grenzt an Parodie. Mit dem gleichen Recht könnte man über einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Rathausplatz nachdenken. Genau das ist ja Sinn und Zweck des Schutzprädikats UNESCO-Weltkulturerbe, dass nämlich städtebauliche Zerstörung unterbleibt. Doch um Kosten „jenseits der Zehn-Millionen-Grenze“ aufzurechnen, kommt manchem Kritiker jede Fama recht. Auch der Popanz eines kostenintensiven Welterbezentrums wird ins kalkulatorische Spiel gebracht, um den Finanzbedarf des UNESCO-Welterbes zu dämonisieren. Wenn interessiert es da, dass Würzburg seit 1981 UNESCO-Welterbestadt ist und bis heute kein Welterbezentrum gebaut hat? Genauso wie die Welterbestädte Trier (seit 1986) und Bamberg (seit 1993)! Bauen muss man nämlich ebenso wenig wie man kostenintensive Vermittlungs-, Beschilderungs- oder gar Marketingprojekte finanzieren muss.

Dass ein UNESCO-Welterbe mehr bringt als es kostet, ist keine Vermutung …



Was bis heute fehlt, ist eine kaufmännische Betrachtungsweise. Bei einer UNESCO-Bewerbung fließt nämlich nicht einfach viel Geld in die Kultur. Eine UNESCO-Bewerbung ist nicht Konsumption, sie ist eine Investiton. Kultur ist die Basis. Nutznießer ist die Wirtschaft. Dass ein UNESCO-Welterbe mehr bringt als es kostet, ist keine Vermutung. Das bestätigen empirische Daten und Wissenschaftler, die zur Ökonomie des Welterbes forschen. Eine Erkenntnis: Die Zahl der Besucher einer Welterbestadt nach einer Nominierung steigt dauerhaft um mehrere Prozente. Experten sprechen davon, dass die Aufnahme eines Reiseziels in die Liste des UNESCO-Welterbes dem Aufstieg in die Champions League des Tourismus gleichkäme. Das UNESCO-Welterbe-Prädikat gilt unter Brüdern als eine der besten Marken mit dem höchsten globalen Markenwert. Ein Fachmann hat dieser Tage gemunkelt: „Anders als Augsburg wird München nie Welterbe werden.“ Abgesehen davon, dass er damit nicht recht gehabt haben muss: München braucht das gar nicht; Augsburg schon.

… sondern eine Erkenntnis der Tourismusforschung

Es geht dabei nicht nur um das Plus an direkten Steuereinnahmen für den Stadtsäckel. So viel ist das nicht. Es geht auch nicht nur um die Arbeitsplätze in der Hotellerie und Gastronomie, im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel, wobei hier schon mal kaufmännische Existenzen oder  Lebensplanungen auf dem Spiel stehen. Es geht darum, dass die Stadt über das UNESCO-Prädikat mit einem einmaligen und überschaubaren Mitteleinsatz eine kontinuierliche Außenwahrnehmung erhalten würde, die sie aus eigener Kraft niemals wieder erreichen könnte. So sehr zum Beispiel dem Theater Augsburg trotz der immensen Kosten eine gelungene Sanierung des Großen Hauses zu wünschen ist: Aufwand und Ertrag stehen im emotionsfreien Kosten-Nutzen-Vergleich in einem schier irrwitzigen Verhältnis. Auch mit dem besten Ensemble endet die Außenwirkung des Augsburger Theaters wohl bestenfalls in Stuttgart. Das UNESCO-Welterbe aber ist ein globales Label, seine Wirkung in Geld nicht aufzuwiegen. In aller Deutlichkeit: Es geht nicht darum, Äpfel und Birnen gegeneinander auszuspielen und aufzurechnen. Es geht um wertfreie Fakten.

Das UNESCO-Welterbe ist ein globales Label, seine Wirkung ist in Geld nicht aufzuwiegen

Um die Imagewirkung eines UNESCO-Prädikats weiß man übrigens auch in Augsburgs chinesischer Partnerstadt Jinan, wohin 2013 und 2014 Delegationen aus dem Augsburger Rathaus reisten, um sich – ja, unter anderem auch dies – über die jeweilige Bewerbung zur Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes auszutauschen. Denn auch Jinan, die „Stadt der Quellen“, wäre gern mit seinem Wasser Welterbe geworden. Daraus wird wohl nichts werden. Glaubt man den Medien, ist die „Schwarze Tiger-Quelle“ versiegt. Aus der zweitgrößten unter Jinans 72 beinamensgebenden Quellen bezogen viele Einwohner zuvor ihr Trinkwasser. So traurig das ist: Wassermangel wird in Augsburg absehbar nicht das Problem sein. Hier ist die segensreiche Wirkung des globalen Mega-Themas Wasser bestenfalls durch künstlich ausgetrocknete Etats gefährdet.

Was für ein Treppenwitz: Ausgerechnet einigen Angehörigen der Stadtverwaltung und Kommunalpolitikern mangelt es an Lust auf ein Welterbe, das nicht zuletzt das Denkmalsensemble einer jahrhundertelang funktionierenden städtischen Selbstverwaltung adelt.

Martin Kluger

Martin Kluger

Zum Autor:

Martin Kluger ist Gründer, Inhaber und Leiter des context verlags Augsburg, und wurde vor wenigen Tagen durch Dr. Markus Söder mit dem “Schwäbischen Heimatpreis” geehrt.  Seit der Konzeption des Lechmuseums Bayern in Langweid im Jahr 2008 vom Thema Wasser­wirtschaft “infiziert”, befasst sich Kluger seit Dezember 2010 mit der Interessen­bekundung zur Aufnahme zum Augsburger UNESCO-Welterbetitel von “Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg”. Kluger verfasste zahlreiche Sachbücher zur regionalen Geschichte.

2015 erschien sein wegweisendes Kompedium “Augsburgs historische Wasserwirtschaft. Der Weg zum UNESCO-Welterbe” sowie erst vor wenigen Tagen der Kulturreiseführer “Wege zum Wasser. Führer zu den Denkmälern der historischen Augsburger Wasserwirtschaft”.