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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Theater für alle: Kirschgarten für 10 Euro

Am heutigen Freitag, 11. März 2011, wird um 19.30 Uhr Anton Tschechows “Der Kirschgarten” in einer Inszenierung von Markus Trabusch zum letzten Mal aufgeführt. Die Schlussvorstellung findet im Rahmen von “Theater für alle” statt, weshalb die Karten auf allen Plätzen nur 10 Euro kosten.

Tschechows Kirschgarten, dessen Ernte nichts Bares mehr bringt, ist Dekoration – und dahinter geht die Monarchie zugrunde. Nicht nur in der marxistischen Rezeptionsgeschichte symbolisiert der Kirschgarten bei Tschechow (Uraufführung 1904) den Adel, der die russische Gesellschaft mit seiner selbstverliebten Dekadenz in den Abgrund führt. Am Ende wird der Kirschgarten abgeholzt. Alle verlassen das Gut, nur der alte Diener Firs bleibt. Wohin soll er auch gehen?

Hinweggefegt von den Mächten der Geschichte

"Als ob ich überhaupt nicht gelebt hätte": Diener Firs (Anton Koelbl)

"Als ob ich überhaupt nicht gelebt hätte": Diener Firs (Anton Koelbl)


„Am Schluss sind sie alle weg – und das heißt in diesem Stück: aus der Geschichte verschwunden. Zurück bleibt nur der alte, vom allzu langen Leben geplagte Firs, hinreißend gebückt, mal senil, mal altersklug von Anton Koelbl gespielt. Er kehrt, ohne Blick für ihre Schönheit, die Massen von Kirschblüten zusammen, die wie ein dichter Schneefall unentwegt auf die Gesellschaft niedergehen. An ihm ist die Geschichte vorübergezogen – er hat nichts davon bemerkt. Die anderen haben ihre Freiheit gefeiert, als die Leibeigenschaft abgeschafft wurde. Er nicht – hat sich etwa jemals etwas verändert für ihn? Das Leben, brabbelt er, sei vergangen, „als ob ich überhaupt nicht gelebt hätte.“ Das war Tschechows visionäre Erkenntnis: Dass der Einzelne im Getriebe untergeht, untergehen muss, hinweggefegt von den Mächten der Geschichte.

Markus Trabusch hat in seiner Inszenierung dankenswerter Weise darauf vertraut, dass die aktuellen Bezüge dieses Stoffes so sehr auf der Hand liegen, dass es für seine Deutung keines Zaunpfahls, nicht mal einer Hinweises bedarf. „Viel Applaus für eine nur kurzzeitig zähe, dann fesselnde Inszenierung“, so DAZ-Kulturredakteur Frank Heindl in seiner Premierenkritik am 19. Oktober 2010.