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Dienstag, 01.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Lange Brechtnacht: The same and the same and the same

Same Old Song: Belangloses in der Soho-Stage

Von Dr. Sabine Eisenreich

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Soho-Stage: ideale Lokalität, schwache Performance


Show me the way tot he next Whisky-Bar“ erscholl es in der langen Brechtnacht auf zehn verschiedene Weisen in der SOHO-Stage. Darum war die Veranstaltung auch übertitelt mit „Same Old Song“. Alt ist das Lied wirklich, denn der Alabama Song wurde erstmals 1927 in Bertolt Brechts Hauspostille veröffentlicht. Die heute üblicherweise gesungene Fassung ist aus demselben Jahr und stammt von Brecht (Text) und Kurt Weill (Musik). Der Text der Brecht/Weill-Oper “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” erzählt von sechs Mädchen, die ihre Heimat verloren haben, auf dem Weg in die Stadt Mahagonny. Mädchen, die ihre einzige Überlebenschance darin sehen, sich an Männer zu verkaufen. Sie verabschieden sich vom Mond und damit von der Hoffnung auf ein besseres Leben, auf romantische Liebe und die Geborgenheit eines Elternhauses.

„I tell you we must die“, erklang es immer wiederim Soho-Keller: Verschiedene KünstlerInnen versuchten eine eigene Interpretation des Underdog-Klassikers, wobei es leider keinem gelang, der von Weill konzipierten Solostimme Jennys auch nur annähernd nahezukommen. Es fehlte den einzelnen Darbietungen gerade die Vielschichtigkeit des Originals und die Sublimität der Botschaft. Die bekannteste Coverversion stammt von The Doors und wurde 1967 auf dem Album The Doors veröffentlicht. Jim Morrison änderte die zweite Zeile von „Show us the way to the next pretty boy“ auf „Show me the way to the next little girl“. Diese Form wählte der erste Künstler, der von einer älteren Dame am Klavier begleitet wurde und dem Song durch seine Tenor-Stimme eine beschwingt-feierliche, pathetische Note gab.

Dies war bereits auch das Highlight des Abends, der sich über mehr als zwei Stunden hinzog und zunehmend an Originalität verlor. Das junge Publikum mag diesbezüglich anderer Meinung sein, aber die Kombination von Tristess und Zynismus blitzte nur anfänglich auf in dieser Nacht, die Bert Brecht gewidmet war.  Dabei war die Lokalität außerordentlich gut gewählt: Das SOHO-Stage, ein heruntergekommener Kellerraum, der nur durch eine steile und dunkle Treppe erreicht werden kann, bietet außer seinem Rotlichtflair die muffige Enge eines Etablissements, das die Bezeichnung „Bar“ nicht verdient. Hier hätte der Originalsong tatsächlich aufgeführt werden können.

Am Samstag quetschten sich auf den etwa 50 Quadratmetern etwa 80 Jugendliche, die man lediglich mit rockigen und lauten Darbietungen fesseln konnte. Schade eigentlich, denn die Idee ist gut. Doch anscheinend passt ein Lyriker wie Bert Brecht auch heute nicht in die gängigen Formate sogenannter kultureller Veranstaltungen. Denjenigen, die sich für wirklich originelle Interpretationen des Alabama Songs interessieren, finden im Netz genug Anregungen: „Das Lied wurde bereits 1964 von Dave Van Ronk gecovert. Eine Coverversion von David Bowie übernahm die Originalzeile aus der Hauspostille „Show us the way to the next whiskey bar“, die in der Oper auf „Show me the way to the next whiskey bar“ geändert wurde. Der britische Jazzmusiker Mike Westbrook hatte das Stück in den siebziger Jahren regelmäßig in seinem Live-Repertoire. Weitere Versionen stammen unter anderem von Bette Midler, Dalida, The Young Gods, Tim Fischer, Abwärts, Johnny Logan, Viza, Guesch Patti & Scorpions, Eric Dolphy & John Lewis, Esther Ofarim, Marianne Faithfull, Milva und Marilyn Manson. Es gibt auch eine Instrumentalversion mit Akkordeon und singender Säge von Otto Lechner mit dem 1. strengen Kammerorchester (1991)“, so die Tipps der Online-Enzyklopädie Wikipedia.



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