StaWA-Dornröschen wachgeküsst
Mächtig überragt hat der 86 Meter hohe Scheibengasbehälter auf dem Gelände des alten Gaswerkes der Stadtwerke, von den Einheimischen seit jeher nur „Gaskessel“ genannt, den Stadtteil Oberhausen schon immer und war so ein von weitem sichtbares, wenn auch früher nicht immer als schön empfundenes Wahrzeichen Oberhausens. Nun stellt er Augsburgs neueste Aussichts-Attraktion dar.
Als Teil eines in europäischem Rang stehenden Industriedenkmals war der Gaskessel mit diesem jahrzehntelang im Dornröschenschlaf versunken. Seit zwei Jahren weht wieder ein zarter Lebenshauch durch die Anlage an der August-Wessels-Straße 30. Der Gebäudekomplex, der den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat, wurde 1915 in Betrieb genommen und versorgte für viele Jahrzehnte die Stadt Augsburg mit Gas, das aus Kohle gewonnen wurde.
Bis 1969 hielt diese Art der Gasgewinnung an, dann wandelte man Erdgas in so genanntes Stadtgas um, bis schließlich 1978 eine endgültige Umstellung der Augsburger Gasversorgung auf Erdgas erfolgte. Gebäude und Gelände versanken in einen Dämmerzustand, der in eine Art Märchenschlaf überging, als 2001 auch die Spitzengasspeicherung eingestellt und das Gaswerk stillgelegt wurde. Märchenschlaf deshalb, weil das Gelände mit seinem einzigartigen Gebäudeensemble (bei dem im Ofenhaus sogar Elemente des Augsburger Rathauses nachempfunden wurden) von betörender Schönheit ist und eine märchenartig zauberhafte Stimmung ausstrahlt. Nicht umsonst steht es unter Denkmalschutz und sucht bayernweit Vergleichbares.
Seit der Stilllegung gab es verschiedenste Diskussionen und Vorschläge darüber, was mit dem Gelände und den Gebäuden geschehen solle. 2004 träumte man von einem Mozartmusical, 2005 von Gaskesseln als Lifestyle-Tempel. Auch als Ausweichquartier für das Theater war der Gaskessel öfter im Gespräch. Immer wieder waren die imposanten Kolosse der Teleskopgasbehälter und des Gaskessels auch Kulisse für kulturelles Treiben, so 2005 und 2006 für das Musikfestival Popcity, Nachfolger des legendären X-Large.
Dauerhafte Wiederbelebung
Weil Zauber allein aber die Substanz nicht erhält und die Anlage früher oder später dem Verfall preisgegeben gewesen wäre, war es ebenso wichtig wie richtig, dass sich die Stadtwerke Augsburg 2007 entschlossen, das stillgelegte Schmuckstück einer dauerhaften Wiederbelebung zuzuführen. Sie ließen sich dabei von dem bekannten Städteplaner Professor Karl Ganser beraten. In erster Linie sollen Kunst- und Gewerbe-Betriebe auf den Standort aufmerksam gemacht und zu einer Niederlassung am Gaswerk bewegt werden. Die Anlage soll sich auch zu einer „coolen Location“ für verschiedene Anlässe entwickeln. Um Interessenten anzulocken und den Augsburgern „ihr Gaswerk“ wieder nahe zu bringen, fand im Oktober 2007 eine Woche des Gaswerks statt, die mit dem Wochenendfest „Herbst im Gaswerk“ beschlossen wurde. 15.000 Neugierige zog „Dornröschen“ damals an. 2008 dann das „Gaskesseltreiben“ – ein sehr erfolgreiches Festival, das internationale Straßenkünstler ebenso darbot wie die Bespielung der Gebäude am Gelände mit Installationen und Open-Air-Theater.
Heuer nun warten die Stadtwerke mit einem neuen Highlight auf, das zum Besuchermagnet werden könnte: Der Scheibengasbehälter kann über die 392 Stufen einer Außentreppe erklommen werden. Von der neu errichteten Aussichtsplattform bietet sich ein atemberaubend schöner Ausblick über die gesamte Stadt bis ins Umland. Von der DAZ interviewte Besucher zeigten sich begeistert (siehe Video). Kondition und Schwindelfreiheit sowie festes Schuhwerk sind für die Besteigung, die nur bei einer Führung möglich ist, unbedingt erforderlich. Bis Ende Oktober ist die Aussichtsplattform jeden Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Auch im Inneren des Gasbehälters kann man staunen: Ein riesiges Foucault’sches Pendel lässt die Erdrotation erkennen und eine neuartige Installation mit Orgelpfeifen macht sie hörbar, wobei die Pendelbewegung den Takt für eine Komposition von Bach vorgibt.
» YouTube: Der Augsburger Gaskessel