Plauderei über Brecht
Der Brechtabend im Theater weckte vor allem Sehnsucht nach Theater
Von Frank Heindl
Jochen Schneider las aus Brechts Tagebüchern, Isabell Münsch und Geoff Abbott spielten Brechtsongs, …
Der Literaturwissenschaftler Werner Hecht beschäftigt sich seit den 50ern mit Brecht. Gewichtiges Resultat seiner Arbeit: Die „Große Brecht-Chronik 1898-1956“, 1465 Seiten dick. Weil das auch manchen interessierten Leser überfordern dürfte, hat er nun eine Kurzfassung vorgelegt – mit leichter zu bewältigenden 288 Seiten. Im Rahmen eines Brechtabends im Foyer des Stadttheaters wurde dieses Buch am Dienstagabend dem Augsburger Publikum vorgestellt.
Buchhändler Kurt Idrizovic moderierte die Veranstaltung als Stichwortgeber für Hecht, der über einen staunenswerten Fundus an Brechtkenntnissen verfügt. Er komme „zunehmend gerne hierher“, stellte er gleich zu Anfang fest, weil Augsburg die einzige Stadt sei, die „den Brecht pflegt“. Hecht war von 1959 an Dramaturg am Ost-Berliner Deutschen Theater und damit ein enger Mitarbeiter von Brechts Ehefrau Helene Weigel.
Vielleicht hätte man den Erzählfluss von Werner Hecht ein wenig thematisch ordnen sollen, anstatt ihn einfach analog zum Buch chronologisch erzählen zu lassen. So war der Abend eine wenig aufregende Plauderei entlang von vielen Themen, die in Augsburg seit den letzten Brechtfestivals größtenteils sattsam bekannt sind. Brechts Zeit in Augsburg und München, von Hecht als „eine Art Generalprobe für Berlin“ charakterisiert, die entbehrungsreichen Jahre im Exil, der Versuch, in den USA Fuß zu fassen, die anschließende Rückkehr nach Europa und schließlich der Aufbau des Berliner Ensembles. Einmal mehr wurde auch über Brechts Frauen räsoniert – erstaunlich, dass es für dieses Thema immer noch Publikum gibt. Doch endlich einmal gab es dazu eine klare Antwort: „Ich würde mich nicht trauen, darüber zu sprechen“, gab Hecht zu Protokoll, und das mag zwar die altmodische Einstellung eines 86 Jahre alten Mannes sein – sympathisch ist sie trotzdem.
…auf dem Podium daneben wurde über Werner Hechts „Kleine Brecht-Chronik“ geplaudert – Brechtabend im Foyer des Stadttheaters (v.l.: Kurt Idrizovic, Joachim Lang, Werner Hecht).
Im Laufe des Abends wurde auch Joachim Lang aufs Podium gebeten und von Kurt Idrizovic zu einem Ausblick auf das kommende Brechtfestival aufgefordert, „ohne viel zu verraten.“ So gab es denn vage Auskünfte darüber, dass man sich thematisch dem Frühwerk Brechts zuwenden will, zum wiederholten Mal wurde das Gastspiel eines auswärtigen Ensembles angekündigt, das offenbar nach wie vor vertraglich nicht gesichert ist, ferner wurde gesprochen über die Inszenierung eines frühen Stückes von Brecht („Die Bibel“, erstmals veröffentlicht in der Schülerzeitung „Die Ente“) und eine Ausstellung des Konvoluts von „Brechtiana“, das die Stadt Augsburg 2009 von der Brechttochter Barbara Brecht-Schall erworben hat (DAZ berichtete), sowie darüber, dass das Brechtfestival verstärkt mit Augsburger Künstlern zusammenarbeiten will. Das Theater Augsburg trägt, wie mittlerweile bekannt, zum Brechtfestival neben der organisatorischen Hilfestellung die Inszenierung von „Im Dickicht der Städte“ bei – Premiere ist am 7. Februar 2013.
Zwischendurch las Jochen Schneider aus den Tagebüchern Bertolt Brechts – nach so vielen Gesprächen über Brecht also doch ein wenig Brecht im Original, nun eben Brecht über Brecht. Schön, dass wenigstens Isabell Münsch und Geoff Abbott Brechtsongs von ihrer CD „Ach, in jener Nacht der Liebe“ vortrugen – also Texte vom Autor, nicht über ihn. Fazit des Abends: Sehnsucht nach Brecht-Theater, nach Brecht-Gedichten, nach Brechts Werk!
Werner Hecht empfiehlt sein neues Buch für „Schüler, Studenten, Lehrer und normales Theaterpublikum“:
Werner Hecht: Kleine Brecht-Chronik
Verlag Hoffmann und Campe, 288 Seiten, 19,99 Euro.
Wer dieser Zielgruppe nicht angehört, kann auch zur dickeren Schwarte greifen:
Werner Hecht: Große Brecht-Chronik 1898-1956
Verlag Hoffmann und Campe, 1465 Seiten, 39,80 Euro.