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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Der Fall Ebrahim Jenekanlo – Die Abschiebpraxis in Bayern ist menschenverachtend und gesetzeswidrig

Warum die Abschiebepraxis in Bayern menschenverachtend und gesetzeswidrig ist

Kommentar von Siegfried Zagler

Demonstration gegen Bayerische Abschiebepraxis in Augsburg Foto: DAZ-Archiv

Der Fall des iranischen Kurden Ebrahim Jenekanlo ist schnell erzählt: Seit 2010 ist Jenekanlo in Deutschland. Er lebt und arbeitet im oberpfälzischen Weiden. Nach sechs abgelehnten Asylanträgen ordnete das Amtsgericht Weiden Sicherungshaft an, die das Landgericht wieder aufhob. Das Amtsgericht erließ am 14. Januar einen zweiten Haftbeschluss, und noch am gleichen Tag brachte ihn die Polizei in die Abschiebehaftanstalt Eichstätt. Am 29. Januar wurde er aus Frankfurt abgeschoben und sollte in Begleitung von fünf Polizisten über Istanbul in den Iran gelangen.

Den Zwischenaufenthalt von knapp sechs Stunden hatte Jenekanlo genutzt, um den türkischen Polizisten in Istanbul seine Situation zu erzählen. Er konnte auch Zeugen benennen, die seine Situation bestätigten. Eine Recherche innerhalb der türkischen Sicherheitsbehörden hat seine Version bestätigt und die Türkei hatte sich gestern geweigert, seine weitere Rückführung in den Iran zu gestatten. Samt der fünf Polizisten in Begleitung musste er die Rückreise antreten. Um 10:25 Uhr MEZ am heutigen Sonntag ist Jenekanlo wieder in Frankfurt gelandet und befindet sich zur Stunde zum zweiten Mal in der Abschiebehaftanstalt Eichstätt.

“Es herrscht eine erbärmliche Abschiebepraxis in Bayern” polterte der Grüne Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu zurecht, denn “wer in Sachen Menschenrechte von der Türkei eine Lektion bekommt, muss sich ernsthafte Gedanken machen!”

“Trotz unserer Intervention und unserer Briefe, trotz einer ausstehenden Gerichtsentscheidung, trotz bevorstehender Eheschließung und trotz Nichtbehandlung einer Petition im Bayerischen Landtag, war das Bayerische Innenministerium bis zur letzten Sekunde stur geblieben”, so Bozoglu, der im Gespräch mit der DAZ angab, dass diese unmenschliche Abschiebepraxis in Bayern Methode habe.

“Das ist ein erbärmliches Verhalten des Innenministeriums. Wir mussten annehmen, dass auch auf den Betroffenen staatliche Repressalien zukommen oder sogar eine Hinrichtung wartet. Er und seine Familie fürchteten das Schlimmste”, so Bozoglu, der hinzufügt, dass dieser Skandal in Bayern zum Alltag der Abschiebepraxis gehöre.

Nirgendwo in Deutschland und im Rest der aufgeklärten Welt wird dergestalt blind am Gesetz vorbei abgeschoben wie in Bayern, das allein 50 Prozent aller Abschiebungen in Deutschland zu verantworten hat. Kabul/Afghanistan fliegt die Lufthansa in der Regel direkt an, Teheran/Iran offenbar nicht. Ein Sachverhalt des Zufalls, der Jenekanlo möglicherweise das Leben rettete.

Für die CSU, die Freien Wähler und für Innenminister Joachim Herrmann muss man sich fremdschämen. Dass sich die politisch Verantwortlichen ob dieses Skandals selbst schämen, ist auszuschließen. Sie verschanzen sich lieber hinter einer das Recht bis zur Unkenntlichkeit dehnenden Bürokratie, die in Bayern den politischen Impulsen einer Staatspartei folgt, die das “C” wie zum Hohn in ihrem Namen führt.