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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Gemeinsamer Sound, konzeptionelle Vielstimmigkeit

Wolfgang Lackerschmids Friedensfest-Projekt auf CD

Von Frank Heindl



„Common language – common sense” – zum Friedensfest im vergangenen August stand der Augsburger Vibraphonist Wolfgang Lackerschmid wieder mit einer eigens zusammengestellten Band auf der Bühne. Seit 2009 verfolgt er das Konzept, zu Augsburgs einzigartigem Feiertag mit Musikern aus verschiedenen Religionen beispielgebend ein friedlich-kreatives Miteinander musikalisch vorzuleben. Jeder Musiker, so der im Jazz nicht unübliche Grundgedanke, bringt ein Stück mit, gemeinsam werden die Kompositionen geprobt und dann aufgeführt. Die Stücke, die 2012 entstanden sind, liegen jetzt auf einer hörenswerten CD vor.

Die Aufnahmen entstanden in Lackerschmids Augsburger Tonstudio, dem „traumraum“ – und zwar zunächst nicht im Rahmen einer regulären Plattenaufnahme, sondern während der Proben für das August-Konzert: „Das Band lief einfach immer mit“, erzählt Lackerschmid, was sich jetzt auf der CD befindet, sind teilweise Zusammenschnitte aus mehreren Aufnahmen.“ Im traumraum, aber auch in den Kneipen, die man zwischendurch aufsuchte, kamen sich die Musiker aus verschiedenen Nationen und Religionen näher, doch das, so Lackerschmid, sei eigentlich das Ur-Prinzip der Kommunikation unter Jazzmusikern: „Ich habe als Jazzer immer alle möglichen Religionen in meinem Auto, wenn wir auf Tournee unterwegs sind.“ Wichtig für die fruchtbare Zusammenarbeit sei aber auch, dass die Musiker auch in unterschiedlichen musikalischen Ecken zuhause sind: Biliana Voutchkova etwa kommt aus der Neuen Musik und bringt so ganz eigene Erfahrungen und Zugänge in das Gemeinschaftswerk ein.

Klang und Geräusch führen zum gemeinsamen Sound

Zur CD trägt die Geigerin das Stück „Response“ bei, dem man diese musikalische Herkunft deutlich anhört: Eine mehr Klang und Geräusch als der Melodie verpflichtete Geige eröffnete die ruhige Nummer, allmählich kommen aus anderen Ecken die Antworten von Klavier (Bob Degen), Bass Ron Mahdi), Lackerschmids Vibraphon, Schlagzeug (Yoron Israel) und Trompete (Tiger Ogoshi) hinzu, jedes Instrument scheint geradezu auf der Suche nach den anderen zu sein, auf der Suche nach der gemeinsamen Sprache, die sich dann auch tatsächlich nach und nach einstellt, ohne aber deshalb in Gleichtönigkeit abzufallen – alle behalten ihre Eigenständigkeit, es gibt keine gemeinsame Melodie, nicht einmal ein Akkord entsteht – aber was am Ende leise und betörend schwingt, ist der gemeinsame Sound als Ergebnis konzeptioneller Vielstimmigkeit. Mehr als alle anderen Stücke der CD zeigt Voutchkovas Komposition Idee und Ergebnis der interreligiösen, interkulturellen, intermusikalischen Zusammenarbeit.

„Kagomee, Kagomee“ von Tiger Okoshi beginnt mit einer ähnlichen Ausgangssituation, mündet aber dann, wie sich das für eine Jazzproduktion gehört, in eine swingende Nummer voller Hochspannung – natürlich mit gemeinsamem Thema und Rhythmus, aber mit sehr unterschiedlichen Lösungen in den Improvisationsteilen. „Peace – Bell – Um“ von Wolfgang Lackerschmid, um noch ein drittes Stück herauszugreifen, spielt mit der Doppelbedeutung von englisch bell – die Glocke – und dem lateinischen bellum – der Krieg. Er habe, sagt Lackerschmid, bei dieser Komposition an einen Sonntagvormittag vor dem Augsburger Dom gedacht: Die Glocken, vom Vibraphon imitiert, läuten friedlich – doch kriegerisch-streitend platzen Trompete und Geige in die Idylle. Es dauert eine Weile, bis sie sich geeinigt haben, und das Ergebnis ist kein kitschig-klebriges Bonbon, sondern ein ausdrucksstarker Jazzcocktail mit ganz eigenem Ton.

„Common language common sense“ entwickelt, wie jede gute Jazzplatte, aus der gemeinsamen musikalischen Sprache ein wunderbares, hörenswertes Gemeinschaftswerk der Musiker. Schön wär’s, wenn das im echten (politisch-religiösen) Leben auch so wunderbar klappen würde. Die CD ist im CD-Handel erhältlich, man kann sie aber auch von allen gängigen Internet-Plattformen downloaden.

Einen kleinen Foto-Musik-Film als Kostprobe gibt’s auf YouTube – allerdings mit dem mainstreamigsten Stück der CD: www.youtube.com/watch?v=gXsWF3p0SLg .