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Samstag, 09.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

BUNDESLIGA

FCA: Wenn der Trainer das Spiel verliert

Am heutigen Sonntagabend trennten sich der FC Augsburg und der FC Schalke 04 in der  WWK Arena mit 2:3. Nach dieser unnötigen Niederlage verharren die Augsburger weiter in der Todeszone der Tabelle, während sich der FC Schalke mit diesem geschenkten Sieg an die Spitzengruppe anflanschen konnte. 

Von Siegfried Zagler

Vorneweg: Der FCA spielte gut, ja beinahe “bockstark”, wie es Schalke-Trainer David Wagner formulierte. Die Spitzen Niederlechner und Finnbogason liefen unermüdlich im Verbund mit Vargas und Richter die ballführenden Schalker an, und das nicht nur alibimäßig, sondern richtig mit Balleroberungswillen. Baier und Khedira machten vor der Abwehrkette die Räume eng und gingen klug in die Zweikämpfe. Die dadurch entlastete Viererkette hatte mit langen Bällen, mit denen die Knappen gezwungenermaßen ihr Glück versuchten, nicht die geringsten Schwierigkeiten. Kamen die Schalker dennoch in die Nähe des FCA-Tores, verschob die Augsburger Abwehrkette intelligent, sodass kein Torschuss, kein Hauch einer Chance für Schalke entstand. Eine großartige Leistung des Augsburger Defensivverbundes.

Nach vorne spielte der FCA mit schnellem Umschaltspiel und kam zu Großchancen, so wie das bei den besseren Mannschaften eben der Fall ist. Bereits nach vier Minuten hatten die Brechtstädter drei gute Chancen durch Richter (2.), Vargas (4.) und erneut Richter (4.). Dann verletzte sich Schalkes Sané nach einem Zweikampf mit Niederlechner (5.) und musste früh das Feld verlassen – für ihn kam Caligiuri (9.). Und das Schalker Spiel verlor dadurch völlig den Faden, ohne dass der FCA davon hätte direkt profitieren können.

Das Spiel war plötzlich von Fahrigkeiten beiderseits geprägt, bis der FCA begriff, dass sie das desolate Schalke nach vorne bearbeiten müssen: Erst schlug Niederlechner in guter Position über den Ball (16.), dann versprang Richter das Leder in einer Topposition (21.). Die größte Torchance vergab anschließend Niederlechner, der frei vor Nübel am Schalker Keeper scheiterte (27.). Alle Großchancen waren herausgespielt und eine 2:0-Führung der Augsburger wäre zu diesem Zeitpunkt völlig verdient gewesen. Und konsequenterweise fiel auch die Augsburger Führung: Eine Vorlage von Finnbogason legte Richter Baier in den Lauf, der aus 20 Metern überlegt mit einem Schlenzer Schalkes Nübel verlud: 1:0 (38.).

Der FCA war im Anschluss immer noch optional gefährlicher als Schalke, das dennoch den Ausgleich erzielte, auch wenn ein Augsburger, nämlich der schwache Rechtsverteidiger Lichtsteiner dieses Tor im Alleingang organisierte. Zuerst foulte er kurz vor der Halbzeit unnötig auf gefährlicher Außenposition. Caligiuri zirkelte den Freistoß scharf und hoch in den Strafraum und Lichtsteiner verlängerte mit dem Hinterkopf ins eigene Netz – 1:1 (45.+1).

Trainer Schmidt las das Spiel falsch

In der zweiten Hälfte begann der FCA defensiver, überließ also mit weniger Pressing und mit zwei solid wie tief verteidigenden Viererketten den Schalkern das Spiel. Deshalb spielte sich Vieles im Mittelfeld ab, Torchancen blieben Mangelware, aber es gab sie: Richter schoss knapp und wie so oft überhastet vorbei (49.). Und plötzlich hatte Koubek zum ersten Mal aus dem Spiel heraus Arbeit: Oczipkas Flachschuss wurde von ihm pariert (50.).

Als Oczipka eine Finnbogason-Flanke aus kurzer Distanz an den Arm bekam, forderte der FCA einen Elfer (56.). Zuerst wollte  Schiedsrichter Patrick Ittrich weiterspielen lassen, doch nach den Protesten überprüfte er die Situation auf dem Schirm und gab Strafstoß. Finnbogason verwandelte zum 2:1 (60.). Darauf folgte mehr Initiative der Gäste, ohne dass sie mit ihren harmlosen Bemühungen den FCA in Bedrängnis bringen konnten. Die FCA-Abwehr stand, ließ aber einen ruhenden Ball zuviel zu. Wieder schlenzte Caligiuri einen Freistoß in den Strafraum, Kabak köpfte ein – 2:2 (71.). Ein Tor aus dem königsblauen Nichts.

Damit war der defensive Strukturwechsel von Augsburgs Coach Martin Schmidt ein Griff ins Klo: In der 68. Minute kam Oxford für Richter, Baier rückte weiter nach vorne, Khedira mehr nach rechts. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Nun wollte FCA-Trainer Schmidt das Unentschieden verteidigen und brachte Iago für Niederlechner (78.). Wenig später legte der eingewechselte Oxford dem Schalker Harit den Ball vor. Harit überlief Jedvaj und ließ Koubek keine Chance – 3:2 für Schalke (82.), das alle Tore als verfrühte Augsburger Weihnachtsgaben verbuchen darf.

In der 85. Minute warf  Schmidt noch Gregoritsch in die von ihm bereits restlos vermurkste Partie und hätte mit diesem absurden Wechsel um ein Haar ein Glückslos gezogen: Gregoritsch köpfte aus aussichtsreicher Position eine scharfe Flanke knapp über den Kasten. (90.+4).

Hat mit dem besten FCA-Kader aller Zeiten nach 10 Spielen eine prekäre Punktebilanz zu verantworten: Trainer Martin Schmidt © Siegfried Kerpf

Martin Schmidt hatte dieses Mal einen nachweisbar hohen Anteil an der FCA-Niederlage. Zunächst machte er vieles richtig, ließ die gleiche Startelf wie in Wolfsburg auflaufen. Die Abwehr stand stabiler denn je, der Angriff zeigte Durchschlagskraft, der Matchplan schien zu funktionieren. Dass man 90 Minuten nicht durchgehend pressen kann, also zwischendrin auch mal tief stehen darf, leuchtet auch ein. Unverständlich dagegen, dass Schmidt Lichtsteiner und Vargas durchspielen ließ. Vargas lief zwar viel, schuf somit im Angriff Räume, konnte sich aber kaum durchsetzen und zeigte sich in der Abwehrarbeit als zu schwach. Wäre Lichtsteiner durch Framberger ersetzt worden, hätte dieser mit seiner Geschwindigkeit nach vorne Dampf machen können und nach hinten mit mit mehr Wucht stabilisieren können, während Lichtsteiner nur einen Gang zu haben scheint und sein Einsatz von der Ökonomie eines 35-jährigen Profifußballers gezeichnet ist. Auch Max schien in den letzten 20 Minuten am Limit zu spielen, er wirkte ausgepumpt und lief den Bällen meist nur noch hinterher. Unklar auch, warum Rumpelfuß Finnbogason durchspielte. Von ihm ging keine Torgefahr, keine Kreativität aus.

Schmidt aber nahm die beiden Spieler vom Feld, die die meiste Torgefahr generierten, und die konsequent nach hinten arbeiteten. Als der FCA schließlich 10 Minuten später in Rückstand geriet, waren diese Wechsel obsolet. Schmidt las das Geschehen auf dem Rasen falsch. Vielleicht wollte er mit Baier und Khedira an der Mittellinie pressen lassen und mit einem genauen Ball auf Finnbogason kalkulieren. Aber Schmidt macht die Mannschaft dort schwach, wo sie am stärksten war, nämlich im Zentrum (vorne wie hinten). Mit diesen Angst-Wechseln schwächte er die eigene Mannschaft und baute den Gegner auf. Nicht in der Mitte, sondern auf den Seiten hatte der FCA Probleme. “Es bleibt das Gefühl, dass wir über weite Strecken ein gutes Spiel gemacht haben. Wir lernen in jedem Spiel und werden uns von Woche zu Woche verbessern. Rückschläge gibt es immer. Die beiden Standardgegentore dürfen wir so nicht kriegen. Aus der Leistung heute nehmen wir viel Positives mit”, so Martin Schmidt nach dem Spiel. “Wir” von der DAZ-Sportredaktion nehmen auch das Negative mit, nämlich den Sachverhalt, das auch ein Trainer ein Spiel verlieren kann.

Am kommenden Samstag (15.30 Uhr) findet in Paderborn das Kellerduell des 11. Spieltags statt. Sollte der FCA dort verlieren, verliert Schmidt wohl kurz nach Bayern-Trainer Kovac seinen Job. Schlechter als in dieser Saison ist der FCA nur einmal gestartet, nämlich in seiner zweiten Bundesligasaison, als er nach 17 Spielen lediglich neun Punkte auf dem Konto hatte.