„Ein Trauerspiel, das mit uns allen zu tun hat“
Bühnenbildnerin Judith Oswald über ihre Schrankwand in Hebbels „Maria Magdalena“
Am vergangenen Samstag hatte im Stadttheater Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ Premiere (DAZ berichtete). Im Mittelpunkt der Inszenierung stand das von Judith Oswald gestaltete Bühnenbild: eine hohe Wand aus aufeinander montierten Schränken, Kommoden, Vitrinen.
Oswald wurde 1976 in Freiburg im Breisgau geboren und lebt derzeit in München. Seit 2007 ist sie als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin tätig und arbeitete am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Frankfurt, am Staatstheater Stuttgart, für die Wiener Festwochen, sowie an den Münchner Kammerspielen, wo sie zuletzt für die Gesamtausstattung des Stadtprojekts „Munich Central“ verantwortlich war. DAZ-Redakteur Frank Heindl hat Frau Oswald am Telefon interviewt:
DAZ: Frau Oswald, was ist die Botschaft einer meterhohen Schrankwand?
Oswald: Wir – das sind die Regisseurin Anne Lenk, die Kostümbildnerin Eva Martin und ich – sind ursprünglich über das „deutsche Wohnzimmer“ auf den Einfall mit den Schränken gekommen. Am Anfang hatte ich ein großes, schweres, dunkles Möbel im Sinn, diese Idee hat uns dann zur Schrankwand geführt. Ich bin eher gefühlsmäßig auf die Lösung gekommen: „Maria Magdalena“ ist ein „bürgerliches Trauerspiel“, das mit uns allen zu tun hat. Also musste das Bild etwas Deutsches zeigen, zum Beispiel den Rückzug ins Private, wo das Wohnen in den eigenen vier Wänden so wichtig wird. Zumal es in Hebbels Text viele Bezüge zu den Möbeln gibt, angefangen damit, dass Meister Anton Tischler ist.
DAZ: Ich habe in diesem Bild ziemlich viel Psychologie gefunden. Liege ich da richtig?
Oswald: Ich habe es nicht so direkt psychologisch gedacht. Ich bin über die calivinistischen Möbel dahin gekommen. Aber es ist wichtig, dass jeder seine eigene Idee dazu haben kann, dass der Assoziationsraum und die Phantasie nicht eingeschränkt werden.
DAZ: Das Theater hat im vergangenen Jahr über die Medien zu Möbelspenden aufgerufen. Können die Theaterwerkstätten keine Schränke zimmern?
Oswald: „Maria Magdalena“ hat viele aktuelle Bezüge. Wir wollten, dass der Zuschauer sein eigenes Möbelstück im Bühnenbild entdecken kann – z.B. „so eine Kommode hatten meine auch Eltern im Wohnzimmer stehen“, dass er ein Stück seiner Welt wieder finden kann. Und deshalb wollten wir Fundstücke. Das war mir aber auch ästhetisch wichtig: Man sieht das, wenn’s in der Werkstätte gemacht ist, und das wollte ich nicht. Im Übrigen war das Bühnenbild auch so sehr arbeitsintensiv – die Werkstätten hatten da sehr viel Arbeit und haben die Aufgabe super gelöst.
DAZ: War es einfach, so viele Schränke zu bekommen?
Oswald: Mit den Kommoden ging’s relativ schnell, Schränke waren schwieriger – am Schluss haben wir noch einiges zusammengekauft.
DAZ: Wie viel Zeit hatten Sie?
Oswald: Ich arbeite freiberuflich und projektbezogen. Im August hat sich herausgestellt, dass ich das Bühnenbild für „Maria Magdalena“ machen werde. Seit Oktober habe ich intensiv dran gearbeitet, bin von München gependelt. Augsburg kannte ich ja schon, seit ich 2008 die Kostüme für Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ gemacht habe.
DAZ: Und was bauen Sie als nächstes?
Oswald: Jetzt werde ich in Hamburg mit Jan Philipp Gloger (Anmerkung der Redaktion: Gloger hat in Augsburg bei Mozarts „Figaro“ Regie geführt) an der Uraufführung eines neuen Stückes von Philipp Löhle arbeiten, das in Recklinghausen Premiere haben wird. Der Titel steht noch nicht fest.
„Sein eigenes Möbelstück entdecken“: Bühnenbild von Judith Oswald
Foto: Nik Schölzel