Chatkontrolle: FDP warnt vor „Dammbruch für digitale Grundrechte“
Die FDP hat eine Petition gestartet, um gegen die geplanten EU-weiten Regelungen zur sogenannten Chatkontrolle zu protestieren. Die Liberalen sehen darin eine massive Bedrohung der digitalen Privatsphäre und der Freiheit aller Bürger. Messenger-Dienste wie WhatsApp und Signal sollen verpflichtet werden, Nachrichten vor dem verschlüsselten Versenden auf verdächtige Inhalte zu scannen.
Von Bruno Stubenrauch
Die FDP kritisiert den Vorschlag scharf als einen „Dammbruch“ für die digitale Grundrechtearchitektur in Europa, da er zu anlassloser Massenüberwachung führe und die Bürger unter Generalverdacht stelle (DAZ berichtete). Anstatt auf fehleranfällige Überwachungstechnologie zu setzen, fordert die FDP gezielte, rechtsstaatliche Ermittlungsinstrumente und eine bessere Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden.
EU-Abstimmungstermin und deutsche Position
Die Entscheidung über die umstrittene Chatkontrolle im EU-Ministerrat (Rat der Europäischen Union) steht kurz bevor, voraussichtlich am Dienstag, den 14. Oktober 2025.
Die Position Deutschlands gilt als entscheidend für den Ausgang der Abstimmung. Aktuell besteht ein Ressort-Konflikt in der schwarz-roten Koalition:
Die Bundesministerin der Justiz, Dr. Stefanie Hubig (SPD), lehnt die Pläne klar ab und argumentiert, die anlasslose Massenüberwachung verstoße gegen die Grundrechte und den Rechtsstaat. Im Gegensatz dazu wird das Bundesinnenministerium (CSU) das Vorhaben tendenziell unterstützen, da es als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch gesehen wird. Die finale Stimme Deutschlands hängt somit von der Einigung zwischen diesen Ministerien ab.
Modalitäten der EU-Ratsabstimmung
Die Entscheidung über die Verordnung im EU-Ministerrat (Justiz und Inneres) erfolgt in der Regel mit qualifizierter Mehrheit. Für eine qualifizierte Mehrheit ist erforderlich:
- Mindestens 55% der Mitgliedstaaten
(derzeit 15 von 27); - diese Staaten müssen zusammen mindestens 65% der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren.
Umgekehrt kann ein Vorhaben durch eine Sperrminorität blockiert werden. Dafür sind nötig:
- Mindestens 4 Mitgliedstaaten, die den Vorschlag ablehnen;
- diese ablehnenden Staaten müssen zusammen mindestens 35% der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Da Deutschland das bevölkerungsreichste EU-Land ist und die Mitgliedstaaten Luxemburg, Österreich und Polen ebenfalls Bedenken geäußert haben, ist die deutsche Stimme maßgeblich dafür, ob die Gegner der Chatkontrolle die nötige Sperrminorität erreichen können.
Links:
- Petition „Stoppt die Chatkontrolle!“
- Chatkontrolle: Europa steht am Scheideweg der digitalen Privatsphäre
- EU: Abstimmung zur Chatkontrolle abgesetzt