Mina Ahadis Vortrag zur Situation im Iran: “Frauen, Leben, Freiheit”
Seit mehr als zwei Monaten protestieren die Menschen im Iran für die Freiheit. Proteste, die mit dem Tod von Mahsa Amini begannen, weiteten sich schnell zu einer neuen iranischen Revolution aus.
Von Heidi Jovanovic
„Frauenrevolution“ nannte sie die Frauenrechtlerin Mina Ahadi bei ihrem Vortrag in Augsburg. Denn zu Beginn waren es vor allem Frauen, die trotz brutaler Repressionen auf die Straße gingen, um die ihnen bislang verwehrte Freiheit und Würde zu fordern. Inzwischen kamen auch Männer dazu – vor allem viele junge, die ihre Turbane zu den heruntergerissenen, auf die Straße geworfenen Kopftüchern warfen und die Frauen unterstützen. Was als Protestbewegung begann, wurde zu einer massiven Umsturzbewegung. Auch außerhalb des Iran sind es aber immer wieder vor allem Frauen, die Solidarität bezeugen und zu weiterer Unterstützung aufrufen.
Am vergangenen Samstag sprach die gebürtige Iranerin Mina Ahadi in den Räumen des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg in der Haunstetter Straße über ihre Arbeit als Menschenrechtsaktivistin sowie die Entwicklung und gegenwärtige Situation im Iran.
„Das Kopftuch ist eine Waffe gegen Frauen“ so Ahadi, das äußere Zeichen ihrer Unterdrückung. Darum ist das Abnehmen und Verbrennen von Kopftüchern bei der gegenwärtigen “Frauenrevolution” eine bezeichnende Geste. Nicht nur in den großen Städten, aus denen die Medien im Ausland berichten, finden gegenwärtig Demonstrationen und Protestaktionen statt, sondern auch in den Dörfern und Kleinstädten, wie der Stadt Abhar, aus der Ahadi stammt und in der Verwandte von ihr leben, mit denen sie in Kontakt steht. “Alles ist teuer, viel zu viel ist verboten. Das Leben ist schwer, freudlos und erstickt. Immer weniger Menschen wollen sich mit der Situation abfinden”, so Ahadi. Auf die Frage aus dem Publikum, wie sie aufgrund dessen, was ihr Verwandte und Freunde aus dem Iran berichten, die aktuelle Situation einschätze und ob sie in einen Bürgerkrieg münden könne, verneint sie letzteres: „Von Teheran bis Kurdistan sind wir uns einig“. Ziel sei ein säkularer Staat.
Ahadi setzt große Hoffnungen in das massivste Aufbegehren, das sie in ihrem 66-jährigen Leben erleben durfte, gegen Islamisten, die 1980 ihren Mann und viele ihrer Freunde inhaftiert und hingerichtet haben – ein Schicksal dem sie nur knapp entkam, weil sie in dem Moment, als die Festnahmen in ihrer Wohnung erfolgten, auf Arbeit war und danach untertauchte, bis sie schließlich 1981 zunächst nach Iranisch-Kurdisan und dann 1990 nach Wien fliehen konnte.
Sie appellierte in Augsburg erneut an die Weltöffentlichkeit, die Proteste und Durchsetzung der Menschenrechte zu unterstützen. Mit ihrer Hilfe war es zwischen 2007 und 2010 bereits gelungen, Steinigungen zu stoppen. Auch nun ist wieder ein Punkt, wo es des Beistands aller freiheitlichen Länder bedarf. Dazu hat sie zahlreiche Politiker*innen angesprochen, die ihren Berichten und Appellen „mit kalten Augen“ folgten, wie sie sagt, während ihre eigenen braunen Augen glühen, ihre Schultern sich heben und ihre Arme sich öffnen und die leeren Hände vorschieben. „Bis jetzt haben wir immer wieder Gleichgültigkeit gesehen“ beklagt sie. Skeptisch sieht sie vor allem Politikerinnen wie Claudia Roth, die mit Kopftuch in den Iran reisen. Als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet sie die vor einigen Tagen erlassene Resolution des UN-Menschenrechtsrat gegen den Iran, die unter anderem eine unabhängige Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens der iranischen Führung gegen die Protestbewegung verlangt. Doch seien weiter die Öffentlichkeit ebenso wie die Politik gefragt, um den Protesten zum dauerhaften Erfolg zu verhelfen.
Augsburger Unterstützung durch Spende und Demo am 3. Dezember 2022
Ihr Appell fand offene Ohren. Am Ende ihres Vortrags durfte sie sich über die Ankündigung einer Spende in Höhe von 1000 Euro des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg an den Zentralrat der Ex-Muslime ZdE freuen, dessen Gründerin und Vorsitzende sie ist.
Wie von ihr erhofft, findet diesen Samstag, den 3. Dezember 2022, um 14.30 Uhr am Augsburger Königsplatz eine Kundgebung unter dem gleichen Motto statt, unter dem zur Zeit in ihrem Heimatland demonstriert wird: „Frauen, Leben, Freiheit“, um die Solidarität der Augsburger für die tapferen iranischen Frauen zu zeigen, die – wie einst sie selbst als junge Frau – alles bis hin zu ihrem Leben aufs Spiel setzen um einen Wandel herbeizuführen und endlich ohne Unterdrückung in den Genuss grundsätzlicher Menschenrechte zu kommen.