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Dienstag, 26.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Schluss mit der Hetze gegen Harz-IV-Betroffene – gute Arbeit statt Schikane!

Alexander Süßmair

Alexander Süßmair


In diffamierenden Schlagzeilen konnte man in den letzten Wochen von Sanktionen in Rekordmenge bzw. von mehr als einer Million Hartz-IV-Sanktionen lesen. Wenn überhaupt, dann erfuhr man erst im weiteren Text, dass gegen 96,8 Prozent der 4,35 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher keine Sanktionen verhängt wurden, weil sie sich an die Gesetze hielten. Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte der Hartz-IV-Sanktionen als Unrecht von Gerichten aufgehoben wurden, sofern sich Betroffene juristisch wehrten.

DIE LINKE wendet sich grundsätzlich gegen das Hartz-IV-System. Es bekämpft die Arbeitslosen anstatt die Ursachen für fehlende Arbeitsplätze, von denen man auch vernünftig leben kann. Kürzungen der Grundsicherung von bis zu 60 Prozent sind menschenverachtend und verfassungswidrig, weil sie das Einkommen der Menschen unter das Existenzminimum drücken. Es sei hier daran erinnert, dass das Bundesverfassungsgericht vor einigen Monaten urteilte, dass die Leistungen für Asylbewerber, ein Drittel niedriger als der Hartz-IV-Regelsatz, verfassungswidrig sind und auf das Niveau von Hartz IV angehoben werden müssen. Also ist auch eine Kürzung von Hartz IV verfassungswidrig! DIE LINKE im Bundestag fordert als Sofortmaßnahme eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 500 Euro für Alleinstehende. Da Hartz IV aber grundsätzlich diskriminierend und entwürdigend ist, muss es abgeschafft werden. Wir brauchen eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die so hoch ist, dass eine gesellschaftliche Teilhabe wirklich möglich ist.

Weiteres Beispiel für verschleiernde Statistiken sind die allmonatlich veröffentlichten Arbeitslosenzahlen. Im November 2012 waren offiziell 2.751.480 Menschen arbeitslos, tatsächlich waren es aber 3.624.540 Menschen. Es wurden 873.060 Arbeitslose nicht gezählt, die sich wie folgt aufteilen: über 58-Jährige, die Arbeitslosengeld I und/oder ALG II beziehen (198.532), Ein-Euro-Jobs (144.873), Arbeitssuchende in Förderungsmaßnahmen (81.810), Menschen in der Bürgerarbeit (29.131) oder der beruflichen Weiterbildung (166.720) sowie in Aktivierungs- und Eingliederungsmaßnahmen (161.705), krankgeschriebene Arbeitslose (83.988) und weitere Ausnahmen von der Zählung (6.301). Offene Stellen gab es im November übrigens nur etwa 451.000. Selbst wenn alle offenen Stellen sofort mit geeigneten Menschen besetzt würden – was absolut utopisch ist – blieben immer noch über 3 Millionen Menschen arbeitslos – egal welche Strafen man ihnen auch auferlegen würde!

Gerne brüsten sich die Protagonisten des Neoliberalismus, auch in Augsburg, mit vielen neuen Jobs, die z.B. durch die Ansiedlung von Logistikunternehmen entstanden seien. Die meisten offenen Stellen aber bieten Leih- und Zeitarbeitsfirmen an, die die Menschen „weitervermieten“- besser sollte man wohl „verkaufen“ sagen! Solche Jobs sind jedoch fast immer befristet und schlechter bezahlt. Derzeit wirbt ein großes Logistikunternehmen im Süden von Augsburg auf Bussen und Plakatwänden mit dem Spruch „Spielen sie gerne Weihnachtsmann?“ und sucht „Aushilfskräfte“. Alleine in dieser Anzeige ist klar: Weihnachten ist bekanntlich im Januar vorbei und der Lohn einer Aushilfskraft wird wohl entsprechend ausfallen. Darüber hinaus wird der Lohn für die Beschäftigen häufig ganz oder teilweise von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter bezahlt, obwohl meist fest steht, dass die Betroffenen hinterher nicht übernommen werden. Es findet also letztlich eine Subventionierung von Unternehmen mit Steuergeldern statt und reguläre gut bezahlte Arbeitsplätze werden damit auch noch gefährdet oder vernichtet. Nach Angaben des DGB ist Augsburg die bayerische Region mit dem höchsten Anteil an Leiharbeitern und prekär Beschäftigten, die arm sind trotz Arbeit. Auch der Dritte Sozialbericht 2012 des bayerischen Sozialministeriums hat dies bestätigt, Augsburg ist die unter den Städten und Landkreisen in Bayern, diejenige mit dem geringsten relativen Nettoeinkommen. Das ist ein Skandal!

Damit muss endlich Schluss sein! Wir brauchen einen flächendeckenenden, gesetzlichen Mindestlohn von zunächst mindestens 10 Euro. Wir brauchen ein Investitionsprogramm in Bildung, Soziales, Kultur und öffentliche Daseinsvorsorge, statt Milliarden an Rettungshilfen für Banken und Superreiche. Prekäre Beschäftigung und Niedriglöhnen müssen bekämpft werden, nicht Menschen die eine Arbeit suchen von der man auch anständig leben kann. Artikel eins unserer Verfassung gilt uneingeschränkt für alle Menschen in Deutschland: Die Würde des Menschen ist unantastbar!



Alexander Süßmair, MdB

Augsburg, den 3.12.2012