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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Einen schlechteren Zeitpunkt für eine Fahrpreiserhöhung gibt es nicht

Der Augsburger ÖPNV kommt aus den schlechten Schlagzeilen nicht heraus. Auch wenn sie längst angekündigt war, kommt die neue Tariferhöhung zur Unzeit. Nun entsteht starker Gegenwind aus dem Stadtrat. Während es bei den Grünen knirscht, bestehen die großen Oppositionsfraktionen auf einen Verzicht.

Der Augsburger ÖPNV: teuer und langsam © DAZ

Die FDP wendet sich gegen die angekündigte Fahrpreiserhöhung beim Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV) zum 1. Juli 2020. Die vom AVV vorgebrachten Einnahmeausfälle aufgrund des Corona-Virus lassen die Liberalen als Begründung nicht gelten. Im Gegenteil seien die corona- bedingten Belastungen der Bevölkerung ein Grund, auf die Fahrpreiserhöhung in diesem Jahr zu verzichten. „Dass die Fahrkarten im Jahr 2020 um knapp fünf Prozent teurer werden sollen, wurde schon weit vor Corona festgelegt. Bereits Mitte 2019 wurden Faktoren wie Strom- oder Treibstoffpreise und Personalkosten herangezogen, um die neuen Preise zu berechnen. Das heißt, die geschönt ‚Tarifanpassung‘ genannte Verteuerung hat nicht nichts mit Corona zu tun“, so FDP-Stadtrat Lars Vollmer.

FDP: Wegen Corona wird auch in Zukunft keine Fahrpreiserhöhung notwendig

Die FDP sieht dennoch das Problem, dass die Coronakrise für den AVV eine große Belastung darstellt. Da viele Menschen aus Angst vor Ansteckung öffentliche Verkehrsmittel meiden, muss der AVV monatlich auf zirka zwei Millionen Euro verzichten, die in normalen Zeiten durch Fahrkartenverkäufe als Einnahmen verbucht werden können. Außerdem sind für Hygienemaßnahmen in Bussen, Bahnen, Werkstätten und Büros zusätzliche Kosten entstanden.

Für diese corona-bedingten Belastungen darf der AVV auf Hilfen der Bundesregierung hoffen, wie Vollmer ausführt: „Die Spitzen der Berliner Koalition haben sich letzte Woche darauf geeinigt, für den öffentlichen Nahverkehr 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Auch wenn noch nicht klar ist, wie diese Summe auf die knapp 120 Tarifverbünde in Deutschland verteilt werden, kommt man für die Region Augsburg rein rechnerisch auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Wegen Corona wird also auch in Zukunft keine Fahrpreiserhöhung notwendig.“

Allerdings sind viele Kunden des AVV durch die Folgen der Pandemie finanziell stark getroffen. „Viele Angestellte sind in Kurzarbeit und erhalten nur zwei Drittel ihres normalen Gehalts. Viele Selbständige bangen um ihre Existenz. Vor diesem Hintergrund die Fahrpreise zu erhöhen, obwohl das ÖPNV-Angebot seit Wochen stark eingeschränkt ist, halte ich für ein völlig falsches Signal“, so FDP-Stadtrat Lars Vollmer.

Die Kosten, die ein Verzicht auf die Tarifanpassung auch in der zweiten Jahreshälfte bedeuten würde, beziffert der AVV auf zwei Millionen Euro für das gesamte Tarifgebiet. In der Stadt Augsburg fällt etwas mehr als die Hälfte an. Diese Summe hält die FDP für verkraftbar. “Die Stadtwerke subventionieren den Nahverkehr aus Erträgen der Energiesparte ohnehin mit knapp 40 Millionen Euro pro Jahr. Gleichzeitig entfallen Sponsoringausgaben für zahlreiche Kultur- und Sportveranstaltungen, die dieses Jahr wegen Corona abgesagt werden mussten. Deswegen halten wir einen einmaligen Verzicht auf die Fahrpreiserhöhung für möglich und notwendig.“

SPD: Preiserhöhung des AVV ist das falsche Signal für eine Verkehrswende

Nachdem sich die Linken bereits konsequent ablehnend positioniert haben und die von der neuen Stadtregierung anvisierte Verkehrswende anmahnt, erhöht die Augsburger SPD den Druck, indem sie das Konjunkturpaket der Bundesregierung in ihre Argumentationskette einbaut: „Während landauf, landab die Medien darüber berichten, wann und wie diese Finanzspritzen zu Fahrpreissenkungen im ÖPNV, wie etwa in Freiburg, führen können, erfahren die Bürger*innen im AVV-Raum von einer neuerlichen Fahrpreiserhöhung zum 1. Juli 2020, die im Gelegenheitsverkehr bis zu 6,7 % betragen soll. Bei einem Fahrgastaufkommen von aktuell nur 35 % der sonst üblichen Zahlen zeigt sich, dass die Corona-Krise massive Auswirkungen auf den ÖPNV hat. Es wird sehr mühsam, die Fahrgäste zurückzugewinnen. Eine Steigerung bei den Fahrgastzahlen wird es mit einer Tariferhöhung nicht geben, wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig das Autofahren durch niedrige Benzinpreise günstiger geworden ist. Gleichzeitig haben die Stadtwerke die Taktzeiten verlängert. All diese Umstände werden langfristig einen Fahrgastverlust zur Folge haben. Das ist eine verkehrs- und klimapolitische Bankrotterklärung und droht die Verbundvorteile des AVV seit seiner Gründung 1985 zunichte zu machen!“, so Florian Freunds langes Statement, dem sich Dirk Wurm anschließt. Freund und Wurm sitzen der SPD-Fraktion vor.

Wurm verweist darauf, dass „in der Kalkulation des AVV die veränderten Kalkulationsgrundlagen wie Mehrwertsteuerreduzierung, Milliardenzuschüsse durch den Bund und niedrige Kraftstoffpreise noch nicht berücksichtigt sind.“ „Daher“, so Wurm weiter, „beantragen wir, dass eine Aussetzung der Preiserhöhung zum 1. Juli und eine vollständige Neukalkulation der Fahrscheinpreise unter Berücksichtigung aller Faktoren durchgeführt wird. Es kann nicht sein, dass der AVV vom Bund das Steuer-Geld der Bürger*innen bekommt um dann den Bürger*innen höhere Preise in Rechnung zu stellen! Nur mit einer vernünftigen Preisgestaltung wird es gelingen die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen und Fahrgäste zurückzugewinnen.“

Einen schlechteren Zeitpunkt, den Augsburger Bürgern eine Preiserhöhung des AVV zu verkaufen, kann eine Stadtregierung kaum finden. Die Augsburger Grünen haben angekündigt, das Thema nochmal zu überdenken. Die CSU schweigt. Die Bürgermeisterriege ebenfalls, während sich die Empörung der Bürgerschaft in der Leserbriefspalte der AZ widerspiegelt. Es ist also denkbar, dass der SPD-Antrag in abgeänderter (Schwarz-Grüner) Form eine Mehrheit findet.