DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Ratsentscheid – Globoli für Gribl und Grab

Die Stadtwerke wollten noch im Januar ihr Wasserkraftwerk am Hochablass vom Stadtrat absegnen lassen. Die Gegner haben sich fast schon damit abgefunden. Der Bau sollte im März beginnen. Fertig sollte das Kraftwerk im August 2013 sein. Und ans Netz sollte es noch vor dem 31.12.2013, damit die Förderquellen aus dem Erneuerbare-Energie-Gesetz fließen können.

Doch dann kam der Ratsentscheid wie ein „friendly fire“ aus dem Stadtrat. Die Bürger sollen selber über das Kraftwerk entscheiden. Woher kommt diese plötzliche Liebe zur direkten Demokratie? Niemand hat ein Bürgerbegehren gegen das Kraftwerk am Hochablass geplant. Es gab Proteste, ja. Aber der Protest der Hochzoller Bürger war für die Stadtwerke eine zu vernachlässigende Größe. Warum also entdeckt die Stadtregierung so plötzlich ihre Liebe zur direkten Demokratie?

Die malade Koalition aus CSU, NCSM, Pro Augsburg und einem fraktionslosen Stadtrat (ehemals Pro Augsburg) kann anscheinend nur noch mit diesem Placebo geheilt werden. War von Anfang an die Mehrheit schon hauchdünn, so hat sich nach der Halbzeit die Regierungskoalition heillos zerstritten. Von der rauflustigen CSU hat sich unter der Führung des Kämmerers Hermann Weber die Neue Christlich-Soziale Mitte abgespalten. Und Pro Augsburg mit dem glücklosen Kultur- und Sportreferenten Peter Grab muss mit ansehen, wie die Topleute sich dem Intrigenspiel entziehen, davonlaufen und ein anderes Betätigungsfeld suchen.

Die schlimmste Niederlage aber dürfte der Haushaltsplan für das Jahr 2012 sein. Der Kämmerer hat für teures Geld eine externe Kommission angeheuert, die für die nächsten Jahre einen Sparplan mit einem Volumen von 50 Millionen Euro ausgearbeitet hat. Diese Radikalkur hat die Stadtregierung aber zum Glück nicht gewagt. Der Kämmerer mit seiner NCSM wollte eine maßvolle Erhöhung der Gewerbesteuer, die aber in der Regierungskoalition keine Mehrheit fand, und nach dem Gießkannenprinzip einen Sparplan, der aber immer nur als „Hermann Webers Giftliste“ empfunden wurde.

Das Ergebnis ist kein ausgeglichener Haushalt, sondern ein Defizit von 13 Millionen Euro. Derzeit muss der Stadtrat noch darauf warten, dass die Regierung von Schwaben den Haushalt genehmigt.

Und nun der Ratsentscheid. Mit direkter Demokratie hat er nur in homöopathischer Dosierung zu tun. Wenn die gewählten Repräsentanten zu diesem kostspieligen Mittel greifen, dann nur deshalb, weil sie selbst zu einer Mehrheitsentscheidung nicht mehr fähig sind. Um Aufklärung und Bürgerbeteiligung geht es ihnen nicht. Das Gegenteil ist zu befürchten. Das Thema sei hoch emotional, heißt es. Und so werden die Bürgerinnen und Bürger demnächst mit teuren Schaukämpfen konfrontiert und emotionalisiert. Aufklärung geht anders. Direkte Demokratie ist anders. Anders als dieses Stadttheater.

 

Wolfgang Walter