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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Bürger attacieren Stadtregierung

Von Stadtrat Benjamin Clamroth

Zunächst sei den Bürgerinnen und Bürgern gedankt:

Ihre Opposition gegen das Gas- und Dampfkraftwerk hat das Projekt vorerst auf Eis gelegt.

In enger Zusammenarbeit mit dem aus vielen Gründen umstrittenen Umweltreferenten hat der sogenannte Investor, PQ energy, zielstrebig dieses Kraftwerk vorangetrieben, das mit der regionalen Energieversorgung kaum etwas zu tun hat. Es wäre eigentlich nur dann notwendig, wenn es in ganz Bayern zu Stromausfällen käme – und das in Zeiten, wo Strom in großen Mengen exportiert wird. Hinter PQ energy steht Blackstone, eines der größten Private-Equity–Unternehmen, im Volksmund auch mit dem wenig glücklichen Namen „Heuschrecke“ versehen.

Der attac Arbeitskreis Energie hat frühzeitig gewarnt. Zum Beispiel auf dem Infotag der Stadtwerke am 9. November, der von Stadträten wenig besucht war. Die Kritik wurde Ende November auch in der Stadtwerkstatt der Agenda-Arbeitskreise bekräftigt. Die LINKE hat die Bedenken geteilt, die großen Parteien hingegen haben es erst mal kräftig ignoriert. Die Stadtregierung aus CSU und Pro Augsburg sowieso, aber auch SPD und Grüne haben keinen Gedanken darauf verschwendet.

Kritik wurde z.B. von OB-Kandidat Reiner Erben als energiepolitische Inkompetenz abgetan. Und so kam es Ende Mai zum Grundsatzentscheid für das Kraftwerk gegen die Stimmen von LINKE und Freie Wähler. Und das war das erste, was die Öffentlichkeit auf offiziellem Wege erfuhr.

Eigentlich hieß es, da müsse erst ein Konzept entworfen und eine Machbarkeitsstudie erstellt werden, also noch ein wenig Zeit, sich das noch mal genau zu überlegen.

Doch zwei Wochen später sollten im Liegenschaftsausschuss plötzlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Attac schlief nicht, und bereitete ein Bürgerbegehren vor. Und plötzlich fiel den Rosa-Grünen ein, dass sie mit solchen Bürgerbegehren schon mal schlechte Erfahrungen gemacht haben, und bekamen Muffensausen. Die Entscheidung wurde erst mal auf den Stadtrat vertagt.

Die Stadtregierung versuchte einen altbewährten Trick, mit dem sie sich durch zahlreiche Probleme geschlängelt hat: Sie setzte es nicht auf die Tagesordnung des Stadtrats, obwohl es noch anderthalb Wochen bis dahin waren, und erkannte dann urplötzlich eine Dringlichkeit. Kurz vor Beginn der Sitzung werden Tischvorlagen gereicht, mit 5 bis 6 Seiten Umfang, die man dann nur noch querlesen kann. Die Dringlichkeit gab es aber allenfalls aus Sicht des Investors, weil die Bundesregierung noch kurz vor der Bundestagswahl schnell “Bedarf” im Sinne der Konzerne schaffen wollte.

Da Bürger bereits zahlreiche Unterschriften – passenderweise u.a. im Gaswerk – gesammelt haben, und ja bekanntlich Wahljahr ist, ließ sich die Mehrheit des Stadtrats diesmal nicht vom Investor erpressen. Aber auch wenn Dazulernen nicht schadet, es gibt eben politische Kräfte, die umgefallen sind.

Und dann sind dann diejenigen, die von vornherein für die Vernunft plädiert haben.