„Wir sind an unseren Grenzen“
Die Augsburger freien Theater organisieren sich und fordern mehr Geld
Von Frank Heindl
Die „Augsburger Theaterlandschaft“ – was ist das? Wenn in letzter Zeit von Theatersanierung und Bürgerbeteiligung die Rede ist, wird der Begriff oft genannt. Wer gehört dazu? Nun haben sich die Augsburger Freien Theater organisiert, um mit Forderungen an die Öffentlichkeit zu treten. Natürlich geht es dabei ums Geld, aber auch um Anerkennung kontinuierlich erfolgreicher Arbeit. Zentraler Punkt in einer Resolution der neu gegründeten Gruppe: „Unsere Zuschauerzahlen sprechen für sich.“
Das Papier vergleicht Zuschauerzahlen und Förderungsgelder von Theater Augsburg und der freien Theaterszene: 16 Millionen, heißt es da, bekomme das Stadttheater jährlich und erreiche mit dieser Förderung etwa 240.000 Besucher. Die Freien dagegen erhielten 235.000 Euro und spielten damit pro Spielzeit für 160.000 Zuschauer. Anders ausgedrückt: Das Stadttheater erhält pro Zuschauer 67 Euro pro Jahr, wogegen die freien Theater mit 1,47 € pro Zuschauer auskommen müssen – 1,5% dessen, was dem großen Theater zur Verfügung steht.
Doch nicht nur mit diesem krassen Subventionsgefälle argumentieren die Augsburger Freien. Sie stellen auch selbstbewusst dar, dass sie alle Anforderungen erfüllen, die an zeitgemäßes Theater zu stellen sind: „Wir haben eine eigene Identität und ein eigenes Profil. Wir spielen regional, bundesweit und international. Wir tragen Augsburg in die Welt. Wir erreichen Junge und Alte, bildungsnahe und bildungsferne Schichten. Wir gehen in die Stadtteile, die Kindergärten und in die Schulen. Wir kümmern uns um den Publikumsnachwuchs. Wir leben Integration. Unser Publikum ist so vielfältig wie unsere Kultur“ – so die Resolution.
Kulturreferent Weitzel fordert Subventionskriterien
In der Tat ist die Augsburger freie Theaterszene vielfältig. Unterzeichner der Resolution sind das Sensemble Theater und blue spot productions, das Junge Theater, die Theaterwerkstatt, das Theater Interkultur, das theter ensemble, sowie die Kinder- und Jugendtheater Moussongtheater, Fakstheater, Klex, Fritz & Freunde und Märchenzelt. Junges Theater und Sensemble sind die am höchsten subventionierten Freien, die freien Jugendtheater haben das meiste Publikum (etwa 100.000 Zuschauer pro Saison), bekommen aber die geringsten Fördergelder, die anderen Theater werden eher projektbezogen unterstützt. Nun wollen die Theatermacher gemeinsam das Gespräch mit der Politik suchen.
Die hatte auch ihrerseits schon den Kontakt hergestellt: Kulturreferent Thomas Weitzel möchte die Förderung der kleinen Theater nicht mehr ad hoc oder anlassbezogen verteilen, sondern die städtischen Subventionen an konkrete Kriterien binden. Er hat die Freien aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten. Und bei ihm hat die Gruppe demnächst einen Termin – bis Montag ist Weitzel allerdings noch im Urlaub. Parallel wollen die Freien aber auch den Kontakt zu den Parteien zu suchen: Mit den Grünen sei man schon im Gespräch, berichtet Karla Andrä vom Fakstheater, aber auch die anderen würden nun baldigst angesprochen. Wichtig ist der Schauspielerin, dass es bei den Forderungen nicht darum gehe, dem Stadttheater seine Sanierungs- und Subventionsgelder streitig machen zu wollen: „Wir sind nicht futterneidisch!“, betont sie, „was die bekommen, brauchen sie auch, um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten.“ Sven Mussong vom Moussongtheater stimmt ihr zu: „Die Frage der Verteilung von Fördergeldern steht auch ohne Sanierung schon längst an.“
Krasser Nachholbedarf bei der Förderung
In der Tat hat die Stadt bei der Finanzierung der freien Szene ähnlich krassen Nachholbedarf wie bei der Sanierung des Großen Hauses: Seit 20 Jahren dümpelt deren Förderung auf demselben Niedrigniveau. Die Mitarbeiter der großen Theaterhäuser sind bekanntermaßen schlecht bezahlt – doch die Betreiber der kleinen, freien Theater sind Schauspieler, Buchhalter, Organisatoren, Vertragsanwälte, Putzmänner und –frauen in einem, sie kümmern sich selbst um Sponsoren, öffentliche Gelder, Spielorte und vieles mehr – und wenn sie Personal beschäftigen, so sind auch diese Menschen mit abhängig von Minigagen und Minisubventionen, arbeiten oft am Rand der Krise und haben doch ebenfalls Familien zu ernähren. „Wir sind ja alle überall an unseren Grenzen, zeitlich, leistungsmäßig, finanziell“, sagt Moussong, ohne dabei seine gute Laune zu verlieren, „irgendwann geht’s so einfach nicht mehr weiter.“ Was wiederum in heftigem Gegensatz zum Erfolg der Freien stehe: „Wenn von Integration und Stadtteilarbeit gesprochen wird, muss man sehen: Wir sind dort überall vertreten. Wir sind auch in den Schulen, in den Kindergärten, an den Brennpunkten, wir gehen dahin, wo das Publikum ist!“
„Das muss der Stadt mehr Wert sein als eineinhalb Prozent“
Problem der Freien: Wer nicht in ihre Theater geht, kann sie fast nicht wahrnehmen. Keine Öffentlichkeitsarbeit, keine Werbung, keine Lobby: „Wir müssen uns vorhalten lassen, dass wir uns nicht früh genug positioniert haben“, gibt Moussong selbstkritisch zu, „aber nur weil wir still arbeiten, arbeiten wir ja nicht schlecht!“ Ab sofort gelte es, die Leistungen der Freien in den Mittelpunkt zu stellen: „Wir haben einen politisch-öffentlichen Auftrag. Wir sind zum Beispiel für Bildungsaufgaben und Kulturvermittlung zuständig. Das muss der Stadt mehr Wert sein als eineinhalb Prozent des Theateretats.“ Ab sofort wollen man „einen Ausgleich für 20 Jahre lang versäumte Erhöhungen. Und wir möchten in Zukunft bei den jährlichen Erhöhungen dabei sein.“ Konkretes Ziel der Gruppe: Ab 2017 sollen 600.000 Euro pro Jahr fließen, eine Marge von vier Prozent des Theateretats soll als Richtlinie für die Zukunft gelten. Zu Verteilungskämpfen innerhalb der Zunft werde es nicht kommen, versichert Moussong: „Wir haben schon diskutiert und aufgeschrieben, wer wie viel braucht, und sind uns da sehr einig.“
In der kommenden Woche will die Gruppe mit konkretisierten Forderungen und einem detaillierten Papier an die Öffentlichkeit gehen – und in intensive Auseinandersetzungen mit der Politik.