Türkisch-deutsch- englisch-russisches Musik-Lesungs- Tanz-Happening
Vom 16. bis 18. Juli ist wieder „Festival der Kulturen“
Von Frank Heindl
Die einen veranstalten ein „süßes kleines Straßenfest“, die anderen haben 150 Vereine um Mitarbeit gebeten. Bei den einen ertönt große Oper, bei den anderen orientalischer Funk. Die einen zeigen Kurzfilme, die anderen Folkloretänze – und alles zusammen ergibt den kunterbunten Mix, der in Augsburg als „Festival der Kulturen“ bekannt geworden ist. Am Mittwoch stellten die Veranstalter ihr Programm den Medien vor – programmatischer Weise im derzeitigen Dorado der undogmatischen Spontankunst: im „Jean Stein“ in der Kapuzinergasse.
Das Festival könne man auch ein „Beteiligungsprojekt“ nennen, meint Tim Köster, Projektleiter im städtischen Kulturamt. 150 Vereine habe man angeschrieben mit dem Angebot, entweder für eigene Darbietungen zu sorgen oder Gäste einzuladen, und sei auf großes Interesse gestoßen. So kam erneut ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm zusammen, das sich um den Schwerpunkt „Weltmusik“ gruppiert. Die Veranstaltungsorte wurden dabei ein wenig reduziert, laut Köster mit dem Ziel, das Festival noch mehr zum „Bürgerfest“ zu machen. Das klappt nicht nur bei der Zusammenarbeit mit den Vereinen. Nachdem der Dönerwirt Arkadas bereits im vergangenen Jahr als Sponsor eingestiegen war, kamen in dieses Jahr neben der Fluggesellschaft Turkish Airlines auch diverse Kleinsponsoren dazu. Zum ersten Mal, freut sich Köster, hätten sich „die so genannten Migrantenökonomien in größerem Umfang beteiligt.“ Eine Veränderung, die man wohl gar nicht hoch genug einschätzen kann – zeigt sie doch, dass Augsburgs Migrantenbevölkerung mehr und mehr in der Stadtgesellschaft ankommt und das Festival der Kulturen auch als ihr Festival zu verstehen beginnt. Die Rolle der Sponsoren ist zudem – wie in vielen Bereichen der städtisch unterstützten Kultur – noch größer geworden: Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist der Zuschuss der Stadt zum Festival um 20.000 Euro geschrumpft – von 100.000 auf nun 80.000 Euro.
Zum Startschuss Kurzfilme im Bürgerhof
Das Festival der Kulturen beginnt am Freitag, 16. Juli nach Einbruch der Dunkelheit im Bürgerhof: Zur Feier des 25jährigen Bestehens des „Brücke“-Vereins gibt es hier ein Kurzfilmnacht. Brücke-Geschäftsführer Erwin Schletterer ist als Organisator Garant für nachdenklich-kurzweilige 90 Filmminuten – er leitet seit vielen Jahren das Kurzfilmfest innerhalb der Augsburger Filmtage und kann aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen. Unter anderem präsentiert Schletterer den Film „Das grüne Schaf“, der im vergangenen Jahr in Augsburg den Publikumspreis gewann.
Doch die Kurzfilme sind nur der Auftakt. Am Morgen danach geht’s schon ab 11 Uhr mit dem Karneval der Welten weiter. Es haben sich schon 40 Gruppen angemeldet, weshalb der Anfang vorverlegt wurde – Organisatorin Sylvia Hanka von der „Werkstatt solidarische Welt“ freut sich über die „enorm gute Resonanz“ und ein stetiges Wachstums des Karnevals der Welten seit der ersten Veranstaltung im Jahr 2003 – aber auch darüber, dass ihr Part am Festival der Kulturen über zusätzliche Zuschüsse des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit verfügt. Das Konzept, globale Zusammenhänge auch „mitten in der Stadt“ deutlich zu machen, wird in Berlin als unterstützungswürdig angesehen. Am um 13 Uhr beginnenden Straßenumzug kann man noch teilnehmen: „Ein kurzer Anruf genügt“, betont Sylvia Hanka. Näheres erfährt man unter www.augsburger-friedensaktionen.de oder telefonisch unter 37261.
Tanz, Musik, Kampfkunst, Straßenfest …
Von 11-18 Uhr gibt’s am Samstag eine große Vielzahl von Veranstaltungen in schneller Abfolge. Tänze aus aller Welt, Sambamusik und chinesische Kampfkunst wechseln sich ab. Zwischendurch und auch später kann man abwandern zum „kleinen, süßen Straßenfest“, das die Kulturkneipe „Jean Stein“ veranstaltet. „Wir sind hier in der Kapuzinergasse eine kleine Gemeinschaft geworden“, freut sich Georg Heber vom Jean Stein. Zusammen mit dem Hotel Ulrich haben die jungen Kreativen ein explosives Musikprogramm zusammengestellt. Während sich im Hotel Jazz und Oper abwechseln, bietet die Jean-Stein-Bühne den ganzen Tag über ein abenteuerliches Stilgemisch. Ab 11 Uhr gibt’s Weißwurstfrühstück mit bayerischen Gstanzeln, ab 14 Uhr dann russisch-ukrainische Lieder, deutsch-englisch-russischen Poprock, Black Music Groove mit einem 14jähriger HipHopper, türkisch-orientalischen Folk, französische Chansons, schweizerischen Balkanbeat, orientalischer Funk aus Barcelona und vieles mehr. Präsentiert wird dieser Mix nicht etwa von internationalen Gaststars, sondern von lokalen „Musikern mit Migrationshintergrund“. Zu denen hat man im Jean Stein eine nahe Beziehung: „Die interkulturelle Vielfalt erleben wir täglich, wir haben jeden Tag 20 verschiedene Nationen hier“, freut sich Georg Heber.
Das ist allerdings noch lange nicht alles. Im Rahmen des Festivals kann man beispielsweise auf dem Rathausplatz das Projekt „Text will Töne“ mit Brechtgedichten sehen und hören oder sich in der Reischleschen Wirtschaftsschule mit der deutsch-türkischen Theatergruppe „Halber Apfel“ und ihrem Stück „Stefanie integriert die Öztürks“ amüsieren. Auf dem Rathausplatz präsentiert das Projekt „Rap4Peace“ noch einmal seine HipHop-Bühnenshow unter dem Titel „Songs for Othello“ (DAZ berichtete). Dort kann man auch den türkischen Rockstar Haluk Levent hören, muss sich aber entscheiden, ob einem nicht der irakische Autor Abbas Khider wichtiger ist, der zeitgleich in der Kresslesmühle aus seinem ersten Roman liest.
Politisches aus der Türkei
... und René Lacaille von der Insel Réunion mischt Afrikanisches, Indisches, Kreolisches und Französisches
Am Sonntag beginnt das Kulturfestival um 11.45 mit Tanzfolklore wiederum auf dem Rathausplatz und geht ähnlich bunt wie der Vortag weiter. Im Laufe des Tages gibt es tropische Rhythmen von der Insel Réunion, afrikanische Pygmäengesänge und vieles mehr. Von 20 bis 22 Uhr steht schließlich Zülfü Livaneli auf der Bühne am Rathausplatz. Der türkische Allroundstar hat 300 Preise für seine Musik, 50 weitere für seine Filme und außerdem den angesehensten türkischen Buchpreis erhalten. Livaneli ist ein politisch engagiertes Multitalent und sein Konzert wird wohl nicht nur den Schluss-, sondern auch den Höhepunkt des Festivals der Kulturen bilden, das wieder eine enorme Vielfalt an Veranstaltungen aus der bunten Welt der Vielkulturalität bietet. Flyer und Veranstaltungsprogramme liegen in den nächsten Tagen an den üblichen Stellen aus.