Stadttheater: Abschiedsgala mit Pomp und Donnergrollen
„Servus und Baba – schön war’s“ hieß die Abschiedsgala für Juliane Votteler und ihr Team auf der Freilichtbühne. Neben vielen lobenden Worten zeigte sich der Rückblick auf ihre 10jährige Intendanz vor allem als bunter Reigen aus Produktionen dieser Zeit.
Den Abschiedsabend auf der Freilichtbühne anzusetzen war schon gewagt, er hätte ohne Weiteres (und ersatzlos) ins Wasser fallen können. Ein leises Grummeln und Wetterleuchten erinnerte im Laufe der auf zweieinhalb Stunden anberaumten (und deutlich länger dauernden) Aufführung immer wieder daran, dass die Schleusen jederzeit aufbrechen können. Aber Juliane Votteler bewies Stehvermögen und gute Nerven – das hatte sie wohl im Laufe ihrer zehn Jahre währenden Intendanz zur Genüge an den Tag legen müssen. Und sie bewies auch, dass sie einen guten Draht zu Petrus hat, denn das Gewitter kam auf die Sekunde genau nach dem Ende der Vorstellung. Die Instrumente waren schon eingepackt und das Feuerwerk abgebrannt. Nochmal Glück gehabt. Irgendwie kennzeichnend für diese Ära Votteler, die nun zu Ende ging. Auch im Intendantenalltag zog sie unbeirrt und stoisch ihre Pläne und Vorhaben durch. Auch dann, wenn ihr der Wind scharf ins Gesicht wehte oder gar ein Bürgerbegehren die schon geplante Theatersanierung vereiteln wollte. Sie kämpfte für die Umsetzung der Sanierung, mit Worten und Taten. Mit Erfolg, wie sich zeigte. Von dem Ergebnis wird wohl ihr Nachfolger profitieren – nicht sofort, aber dann, wenn das Theater tatsächlich saniert sein wird.
Doch dieser Abend auf der Freilichtbühne gehört ihr ganz allein. Mit vielen Gags und Déjà-Vus werden die Zuschauer dazu eingeladen, Erinnerungen an Produktionen der letzten zehn Jahre aufzurufen. Cosí fan tutte – „ein Skandal“. Mit „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ eröffnete Juliane Votteler mutig ihre erste Spielzeit. Johannes Martin Kränzle, der damals den Schwanda sang, ließ es sich nicht nehmen, für diesen Auftritt aus Bayreuth anzureisen. Auch Sophia Brommer, die von Augsburg ausgezogen war, um die Welt zu erobern, war an diesem Abend da. Nicht alle Highlights konnten präsentiert werden. In der Mega-Stresszeit der Freilichtbühne war das Ensemble maximal gefordert mit dieser Zusatzaufgabe. Letztlich kam eine überdimensionale Liebeserklärung an die Intendantin heraus. Bei allen Schwächen und menschlichen Unzulänglichkeiten, die sie wohl auch immer wieder gezeigt hatte, war das Fazit überwältigend positiv. OB Kurt Gribl, nicht eben als passionierter Theatergänger bekannt, war Teil der Inszenierung. Er wurde als Interpret der Arie „Nessun dorma“ angekündigt. („Dass mir ja niemand einschläft“ – wie Klaus Müller das moderiert hatte). Souverän unterbrach er das Orchester und überreichte Juliane Votteler charmant seine guten Wünsche nebst Loblied und Blumenstrauß. Und zum Schluss, schon unter drohendem Donnergrollen, wurden alle nochmal namentlich aufgerufen und auf die Bühne gebeten, die dabei waren und die Ära Votteler mitgestaltet hatten – Regisseure, Schauspieler, Sänger, Mitstreiter. Ein fröhliches Wiedersehen unter Kollegen.
Abschiede, wenn auch nicht immer so endgültige, gab es in diesen Julitagen einige am Theater. Das Schauspielensemble hatte mit „Pension Schöller“ noch einen Publikumsrenner in die Brechtbühne gebracht. Das war der Abschied von Maria Viktoria Linke, der aufgrund der bekannten räumlichen Engpässe jedoch nur einen Bruchteil der potenziellen Interessenten erreichte. Die bekannte Komödie hätte das Potenzial von „Arsen und Spitzenhäubchen“ oder anderen Dauerbrennern gehabt. Allerdings hätte man hier, gerade unter dem Stichwort „Abschied“ gerne noch mehr der (scheidenden) hauseigenen Ensembleschauspieler gesehen und weniger unbekannte (und nicht in jedem Fall gut ausgewählte) Gäste.
Das Sinfonieorchester verabschiedete sich bereits Mitte Juli mit dem letzten Abonnementkonzert, das unter dem Gastdirigat von Anthony Bramall (künftiger Chef des Münchner Gärtnerplatztheaters) Mendelssohns Reformationssymphonie und Wagners Parsifal-Zwischenspiele zu einem „Erlösungskonzert“ zusammenbrachte. Zum wirklichen Abschied jedoch gab das Orchester wie jedes Jahr auch ein Open-Air-Event in einer tatsächlich lauen Bilderbuch-Sommernacht im Annahof. Domonkos Héja hatte ein „osteuropäisches“ Programm zusammengestellt, das im ersten Teil die Russen Korsakow, Mussorgski und Glinka mit dem Polen Szymanowski und seinem eigenen Landsmann (und erklärten Liebling) Ernö Dohnányi verknüpfte. Dessen Konzert für Harfe und Kammerorchester war ein selten gehörter Genuss für die Zuhörer. Im zweiten Teil erklangen, begleitet von Videoprojektionen, Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“. Ein musikalischer Höhepunkt auch für verwöhnte Konzertgänger.
Bei aller Abschiedsstimmung bleibt zumindest der Trost, dass die musikalische Komponente des Theaterensembles eine gewisse Beständigkeit garantiert. Wie musik(theater)affin der neue Intendant ist, wird sich zeigen. Juliane Votteler hat durch ihre Verwurzelung in der Operndramaturgie hier deutliche und durchaus spektakuläre Akzente gesetzt. Das Ballett wird von Grund auf neu aufgestellt und das Schauspielensemble zeigt auch nur noch in Ansätzen Kontinuität. Bleibt nur noch Hesse zu zitieren: „Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne“. Die wohlfeilen Worte haben bereits Klaus Müller und Ute Fiedler bei der Abschiedsgala als Klischees verworfen.
Es wird einfach – um Sokrates zu zitieren – darauf ankommen, das Neue zu formen. Mit dieser Erwartung verabschieden wir uns alle in die Ferien und sind gespannt auf das Theaterfest am 24. September und die bald folgenden Premieren.