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Montag, 25.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Sanierungsstau: Augsburgs Straßen sind in einem katastrophalen Zustand

Gäbe es einen europaweiten Städtewettbewerb bezüglich der Zustände der Straßen, würde die Stadt Augsburg einen der hinteren Plätze belegen. Viele Straßen (auch in der Innenstadt) sind in einem dergestalt schlechten Zustand, dass man versucht ist, ein raffiniertes System der Verkehrsberuhigung zu vermuten, doch die Angelegenheit ist wesentlich profaner: Es fehlt das Geld zum Unterhalt.

Von Siegfried Zagler

Alpenstraße im Bismarckviertel

Alpenstraße im Bismarckviertel Foto: (c) DAZ


Wird aber saniert, werden von den Kommunen seitens der Grundstückseigentümer „Beiträge“ erhoben, deren Höhe von der sogenannten „Straßenausbaubeitragssatzung“ abhängt. Nachdem gegen diese Satzung ein erfolgversprechendes Volksbegehren von den Freien Wählern in die Gänge gebracht wurde, sickerte durch, dass die CSU im Wahljahr 2018 vorhabe, diese Satzung komplett abzuschaffen, um den Unterhalt und die Sanierung der Straßen über laufende Steuereinnahmen zu gestalten.

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, einer von fünf Vizeparteivorsitzenden der CSU und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags, hat sich nun dazu kritisch geäußert: Ohne die Beiträge werde ein Sanierungsstau auflaufen, so Gribl in der Augsburger Allgemeinen. „Der Bayerische Städtetag – und mit diesem die Stadt Augsburg – betont, dass die Straßenausbaubeiträge ein elementarer Bestandteil für die Finanzierbarkeit von Straßenausbau-Maßnahmen sind“, heißt es im gleichen Artikel. Dennoch verstehe Gribl „gleichwohl, dass die Beitragserhebung von den Betroffenen als belastend und ungerecht empfunden werde“. Dieses Geld würde jedoch der Stadt fehlen. Würde der Freistaat die Satzung abschaffen, müsste das Land die Finanzierungslücke schließen, so Gribl in der AZ.

Gegen letzteres lässt sich nichts sagen, auch von „Oppositionsführer“ Volker Schafitel (FW) nicht, der in der politischen Stadt eine herausragende Stellung im Kampf gegen die Straßenausbaubeitragssatzung einnimmt und ein laufendes Bürgerbegehren (mit aktuell 10.000 Unterschriften) unterstützt. Volker Schafitel bringt in Rage, dass es „in Augsburg schon lange eine Straßenausbaubeitragssatzung gibt, die OB Gribl im zweiten Jahr seiner Amtszeit (2009) überarbeitet hat“, wie Schafitel heute in einer Stellungnahme ausführt, und dennoch skandalöse Zustände vorzufinden sind.

„Trotz dieser Satzung hat sich in Augsburg ein enormer Sanierungsstau in 3-stelliger Millionenhöhe, aufgebaut, weil die jeweiligen Stadtregierungen dem Tiefbauamt nicht die nötigen Mittel für den Straßenunterhalt im Haushalt bereitgestellt haben, und auch keine konsequente Straßensanierung über alle Stadtteile verfolgt haben. Auch dafür wurden keine Mittel für den erforderlichen Eigenanteil der Stadt im Haushalt eingestellt.“ So Schafitel, der in seiner heutigen Stellungnahme vorrechnet, dass für den Unterhalt und die Sanierung der Augsburger Straßen in den nächsten 30 Jahren wohl knapp eine Milliarde Euro (!) zu veranschlagen sind. Schafitel macht dafür die Versäumnisse der städtischen Unterhaltspflichten verantwortlich, „die auch Kurt Gribl zu verantworten hat“.

Mit dem bisherigen Haushaltsansatz zwischen 2 und 3 Millionen Euro sei „das Tiefbauamt für den pflichtgemäßen Bauunterhalt der Straßen seit Jahren chronisch unterfinanziert“, so Tiefbauamtsleiter Josef Weber. Notwendig wären für die 6,5 Millionen Quadratmeter Straßenfläche laut Weber 1,30 Euro pro Quadratmeter pro Jahr – also 8,45 Millionen Euro pro Jahr und somit fast die dreifache Summe, die die Stadt jährlich dafür einstellt.

„Für den Unterhalt der Straßen können keine Beiträge von den Bürgern verlangt werden. Vernachlässigter Unterhalt verkürzt aber die Lebensdauer der Straßen und sorgt dafür, dass die Bürger bei einer dadurch schneller notwendigen Grundsanierung zur Kasse gebeten werden. Dort liegt die größte Ungerechtigkeit!“, folgert Schafitel und hat dafür durchschlagende Argumente: Tiebauamtsleiter Josef Weber machte 2016 im Bauausschuss folgende Rechnung auf: Für die akut sanierungsüberfälligen Straßen (drei Prozent des Straßennetzes) müssten 30 Millionen Euro bereitgestellt werden.

„Demnach zehn Millionen Euro für ein Prozent des Augsburger Straßennetzes. Somit addiert sich der Sanierungsstau trotz Beitragssatzung für die kommenden 30 Jahre auf 700 Millionen Euro. Hinzu kommt noch der jährliche Unterhalt von 8,45 Millionen Euro mal 30 Jahre – also 253,5 Millionen. Gesamt fast eine Milliarde Euro!“, so Schafitel.

Rot bedeutet akut sanierungsbedürftig, blau markiert den bestmöglichen Zustand. Grafik: Stadt Augsburg

Rot bedeutet akut sanierungsbedürftig, blau markiert den bestmöglichen Zustand. Grafik: Stadt Augsburg