Trend nach der Bundestagswahl: Schwarz-Grüne Rathauskoalition im Sinkflug
Der neue Bundestag ist gewählt. Eine neue Bundesregierung wird sich finden. Was das für die Stadt Augsburg im Allgemeinen zu bedeuten hat – und für die Stadtregierung im Besonderen, lässt sich aktuell nur vermuten. Dies aber ziemlich genau.
Von Siegfried Zagler
Man könne nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sagt der Volksmund. Das mag zutreffen, doch eine Bundestagswahl lässt konkrete Schlüsse auf die politischen Verhältnisse für die Stadt Augsburg zu. Würde man die statistischen Diagramme der Bundestagswahlen der vergangenen 50 Jahre über die Augsburger Diagramme legen, würde man frappierenden Gleichklang feststellen. Einfacher und allgemeiner gesagt: Der Bundestrend bildet sich im hohen Maße auch bei den Kommunalwahlen ab. Besonders betroffen davon ist übrigens die Augsburger SPD, deren Ergebnisse bei den Stadtratswahlen quasi mit geringen Toleranzwerten von den so genannten Sonntagsfragen der demoskopischen Institute zur Bundestagswahl vorhergesagt werden.
Es liegt noch nicht lange zurück als Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber mit der Bildung einer Schwarz-Grünen Koalition bayernweit großes Interesse erregte, da man davon ausgehen musste, dass man die immer stärker werdenden Grünen auch als CSU-Bündnispartner für den Landtag in Betracht ziehen sollte. Mit den Freien Wählern und ihrem unsäglichen Parteichef lässt sich auf Dauer jedenfalls kein Staat machen.
Fest steht nach dieser Bundestagswahl aber auch, dass das Augsburger Pilotprojekt Schwarz-Grün bereits zu Scheitern droht, bevor es richtig angefangen hat. Die Zweitstimmen-Ergebnisse der beiden Parteien lassen das annehmen. Die CSU erzielte im Wahlkreis Augsburg Stadt bei dieser Bundestagswahl 25,4 Prozent. Ein historischer Tiefstand, den die Augsburger CSU noch einen Tag nach der Wahl in einen Art Schockzustand versetzte. Die CSU verlor im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 6,4 Prozent und im Vergleich zur Stadtratswahl 2020 knapp 7 Prozent. Ihr schlechtestes Ergebnis nach 1949.
Von den Augsburger Bürgern erhielten die Bundesgrünen 19 Prozent ihrer Zweitstimmen. Gegenüber der Bundestagswahl 2017 schnitten die Grünen somit 6,6 Prozentpunkte besser ab. Bei der Kommunalwahl im März 2020 erhielten sie bereits 23,4 Prozent von der Bürgerschaft, ein Rekordergebnis. Die FFF-Bewegung stand in voller Blüte und die Pandemie spielte noch keine Rolle. Die Grünen haben also deutliche Verluste im Vergleich zur Kommunalwahl zu verarbeiten.
25,4 % + 19 % = 43,4 %
Das sind die Zweitstimmen-Prozente der CSU und der Grünen. Wäre dieses Augsburger Wahlergebnis der Bundestagswahl als Momentaufnahme in den Stadtrat hinein zu deklinieren, dann würde die Bewertung gelten, dass sich die Stadtregierung als abgewählt betrachten darf. Von den 56 Prozent bei der Stadtratswahl für Schwarz und Grün sind über 12 Prozent davon geflogen. Und zwar unabhängig davon, ob die Rathauskoalition einen guten Job gemacht hat oder nicht, da Bundestagswahlen keine Denkzettel-Wahlen sind.
Anders gesagt: Von den Leistungen der lokalen Politik machen die wenigsten Wähler bei einer Bundestagswahl ihre Wahlentscheidung abhängig. Andersherum wird ein Schuh daraus: Entwickeln sich Parteien im Bund zu Verlierern, schlägt dieser Trend bei den lokalen Wahlen gnadenlos durch. Eva Weber konnte nur mit einem starken Bayern-CSU-Ticket Oberbürgermeisterin werden. Als SPD-Kandidatin hätte sie keine Chance gehabt.
Die nächste Bundestagswahl findet im September 2025 statt, also ein halbes Jahr vor der Bayerischen Kommunalwahl. Sie ist als Prognose dafür relevant, ob Schwarz-Grün in Augsburg ein Auslaufmodell wird oder nicht. Ob Schwarz-Grün in Augsburg eine Zukunft hat, hängt allerdings auch von der Augsburger SPD ab, die relativ schwach vom Bundestrend mitgenommen wurde. Mit 19,2 Prozent der Augsburger Wählerstimmen liegt die Augsburger SPD weit darunter. Im Vergleich zur Kommunalwahl 2020 legte die Augsburger SPD allerdings um 5 Prozentpunkte zu.
Die Genossen der Brechtstadt leiden seit vielen Jahren an der Farblosigkeit ihrer Chefin, die nach innen eine gute Vermittlerin sein mag, aber nach außen kaum vermittelbar ist. Dies untermauert auch das Erststimmen-Ergebnis von Ulrike Bahr, das noch hinter der Partei liegt. Trotz eines bundesweiten SPD-Hypes verlor Bahr sogar Erststimmen-Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl 2017. Über die Bayerische Landesliste zog Bahr wieder in den Bundestag ein. Ihre Wiederwahl zur Parteivorsitzenden würde die Krise der Augsburger SPD vertiefen. Ulrike Bahr ist die große Verliererin der Bundestagswahl.
Zum Schluss noch ein Wort zum Augsburger CSU-Parteichef: Dass Volker Ullrich den besten und arbeitsintensivsten Wahlkampf geführt haben soll, lässt sich nicht wirklich nachweisen. Dass er der aktivste und wirkungsmächtigste Augsburger Bundestagsabgeordnete seit langer Zeit ist, dagegen schon. Ullrich ist nicht nur innerhalb der Union im Bund bestens vernetzt. Er setzt sich in harten Verkehrsbelangen für die Region ein, veranstaltet in Augsburg interessante Hearings und Podiumsdiskussionen, spricht viel im Bundestag und gehört im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zu den Aktivposten.
Denkbar ist allerdings die Vorstellung, dass ihm das alles wohl kaum geholfen hätte, hätte die Grüne Direktkandidatin, immerhin Claudia Roth, sich in Augsburg auch um das direkte Mandat bemüht. Als Nummer eins auf der Landesliste hatte sie das nicht nötig und fand im Augsburger Wahlkampf kaum statt.
Mit Claudia Roth (Grüne), Volker Ullrich (CSU), Ulrike Bahr (SPD) und nun auch mit Maximilian Funke Kaiser (FDP) hat die Stadt Augsburg wieder vier Abgeordnete im Bundestag. Drei von ihnen werden die neue Bundesregierung vertreten. Volker Ullrich wird wohl zur Opposition gehören.