Rock-Musical auf der Freilichtbühne: Jesus Christ Superstar
Mit Spannung erwartet: Die Rock-Oper von Andrew Lloyd Webber ist ein Klassiker – bekannt durch einen legendären Film, der Generationen begleitet hat. Jede Inszenierung muss sich daran messen lassen. Vor 12 Jahren war sie schon einmal auf der Augsburger Freilichtbühne zu sehen, nun holte Intendant André Bücker mit Cusch Jung einen Musical-Profi in den Ring.
Die Enttäuschung für echte Fans: Es wird deutsch gesungen. Zum besseren Verständnis, wie es heißt, aber genau wie bei synchronisierten Filmen oder deutsch gesungenen Rigoletto-Arien geht viel vom Charme und Rhythmus des Originals verloren. Dafür fallen die Kostüme (Aleksandra Kica) sofort angenehm ins Auge – historisch inspiriert und dennoch zeitlos flott kleiden sie das zahlreiche Volk aus Chor, Orchester und Statisterie sowie die Hauptakteure.
Auf der Bühne wurde ein Amphitheater aufgebaut, das an die Klagemauer von Jerusalem erinnern soll (Karel Spanhak) und, wie auf der Freilichtbühne üblich, das Spiel auf mehreren Ebenen ermöglicht. Ganz oben steht auch die Rockband Abyss, die das sich eher unsichtbar in einer „Höhle“ befindliche Sinfonie-Orchester unter dem Kapellmeister Iwan Demidow ergänzt, ja dominiert. Das Zusammenspiel funktioniert erstaunlich gut auf diese Distanz. Nicht auf den ersten Blick erkennbar ist das Kreuz auf der Bühne, dessen Balken allgemein als Kulisse dienen – ob beim letzten Abendmahl oder dem Berg Gethsemane. Jesus wird daran genagelt. Erst zur Schluss-Szene hebt sich das Kreuz und wird voll erkennbar. Befremdlich allerdings, dass Jesus vorher mit Maria Magdalena von der Bühne geht.
Die Hauptrollen sind mit bewährten Musical-Darstellern besetzt. Der Wiener Markus Neugebauer ist zwar optisch und von der Ausstrahlung ein passender Jesus, zuweilen fehlt ihm aber der dramatische Biss – etwa bei der Szene, wo die Händler aus dem Tempel vertrieben werden. Stimmlich hervorragend mit einem Hauch von Soul präsentieren sich David-Michael Johnson (Judas) und Sidonie Smith (Maria Magdalena). Alle drei haben die Rollen schon mehrfach gespielt und spätestens hier wird klar, dass die Rock-Oper von 1971 mittlerweile ein neuzeitliches Musical geworden ist. Auf der Strecke bleibt dabei, wie bei den meisten Musicals, das darstellerisch Individuelle, das die Rock-Oper noch hatte. Maria Magdalenas Zweifler-Arie „I don`t know how to love him“ verliert ihre Tiefe durch unruhiges Umherwandern der Protagonistin, die übrigens durchgehend eine Art Brautkleid mit Schleppe trägt. Das soll wohl ihre Sonderrolle für Jesus thematisieren, wirkt aber unpraktisch und etwas nuttig. Die zweifelnde Fürsorge, die ihre Lieder ausdrücken, nimmt man ihr in diesem Abendkleid nicht ab.
Doch trotz solcher Abstriche ist selbst für Jesus-Christ-Puristen die Aufführung am Roten Tor ein sehenswertes Erlebnis. Cusch Jung ist nicht nur ein erfahrener Regisseur, sondern auch ein guter Musical-Sänger, wie er in der Rolle des Pontius Pilatus beweisen konnte. Ein Hingucker wie immer die Szene des Herodes (Christopher Ryan) in seinem Swimmingpool, diesmal eher eine Badewanne, aus der er, ein Handtuch umwickelt, aussteigt, um ein bisschen Charleston zu tanzen. Das Feuerwerk fällt bei diesem Stück aus, es wird auch nicht vermisst. Das Publikum honoriert die stimmige Aufführung mit anhaltend dankbarem Applaus. Halrun Reinholz