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Donnerstag, 21.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Premiere

„Nein zum Geld“: Überzeugende Premiere in der Brechtbühne:

Die Premiere des Staatstheaters Augsburg „Nein zum Geld“ überzeugt als Komödie mit Wortwitz und Körpereinsatz – und könnte zum Publikumsrenner der Saison werden

Von Halrun Reinholz

Nein zum Geld – Foto © Jan-Pieter Fuhr

„Geld ist nicht alles“, steht auf einem der Lose, die sich jeder Premierengast aus einem Lostopf ziehen darf. Oder: „Geld macht nicht glücklich.“ Dennoch dreht sich alles um Geld, jedenfalls in der Komödie „Nein zum Geld“ von Flavia Coste, die das Staatstheater als zweite Premiere dieser neuen Spielzeit auf der Brechtbühne im Gaswerk zeigt.

Richard und Claire Carré (Patrick Rupar und Katja Sieder) sind ein junges Paar, vor zwei Monaten Eltern geworden. Sie leben in einem etwas unfertig wirkenden Haus. Richard klimpert am Klavier und singt etwas schräg dazu, Claire regt sich über die hohen Kosten der Kinderkrippe auf und schiebt einen Braten in einen sehr altertümlich wirkenden Holzofen. Offenbar erwarten sie Gäste zum Abendessen. Richards Mutter Rose (Ute Fiedler) erscheint zu früh und berichtet frustriert über ihre vergeblichen Versuche, an einen Mann zu kommen. Dann kommt auch Etienne (Julius Kuhn), der beste Freund, aber auch Arbeitgeber Richards in einem Architekturbüro. „Was feiern wir denn?“, fragt er, als alle zum Anstoßen bereit sind. Mit vielen Umschweifen rückt Richard endlich damit heraus, dass er beim Lotto gewonnen hat, einen sehr hohen Betrag, 162 Millionen Euro. Die sprachlose Freude der anderen darüber währt nur kurz, denn der strahlende Richard verkündet sogleich die eigentliche Überraschung, den Anlass für die kleine Feier – nämlich seinen reiflich überlegten Entschluss, auf den Gewinn zu verzichten. „Du bist doch nicht etwa dieser Vollidiot, den sie seit zwei Monaten suchen?“, fragt Etienne fassungslos.

In der bewährten französischen Tradition der gehobenen Boulevard-Komödie mit gesellschaftskritischem Hintergrund hat die gelernte Schauspielerin Flavia Coste mit dieser Ausgangssituation einen Rahmen geschaffen, in dem die vier Darsteller auf der Bühne ihr schauspielerisches Können voll entfalten dürfen. Der in finanziellen Dingen völlig naive Richard verteidigt vehement seine Position, dass er glücklicher nicht sein könne als eben jetzt. „Ich besitze schon alles, was ich auf der Welt brauche, nämlich euch.“

Und er verweist darauf, dass erwiesenermaßen die meisten Lottogewinner nach kurzer Zeit unglücklich sind und wieder arm werden. Die Gegenargumente und die darauf folgenden Streitgespräche in wechselnden Konstellationen bringen so manches Geheimnis und manche nie ausgesprochene Wahrheit ans Tageslicht. Dennoch beharrt Richard (dessen Name bei der Inszenierung aus unerfindlichen Gründen als einziger nicht französisch ausgesprochen wird) auf seiner Position. Auch, als sich herausstellt, dass die Frist zur Einlösung des Lottoscheins noch nicht abgelaufen ist und die Handlung dadurch rasant in Fahrt gerät.

Ein Stück wie geschaffen für die Brechtbühne mit ihrer begrenzten Bühnentechnik. Die schnörkellose Inszenierung von Amina Gusner setzt auf den Einsatz der schauspielerischen Mittel, die alle vier Darsteller nicht schuldig bleiben und brillant vorführen. Das komische Zusammenspiel mit exzessivem Körpereinsatz wird dennoch nie zum Slapstick. Auch die spritzigen Dialoge gleiten niemals in den Bereich der schenkelklopfenden Banalkomik. Witzig und temporeich folgt ein Schlagabtausch auf den anderen. Dazu passt auch das eher karge, durch ein symbolhaftes Videofenster aber durchaus raffinierte Bühnenbild von Jan Steigert, das sich nicht in den Vordergrund drängt. Auch die Musik kommt gezielt und nicht exzessiv zum Einsatz. Über pausenlose 90 Minuten werden die Zuschauer bis zum dramatischen Schluss in Spannung gehalten. 

Der anhaltende und frenetische Schlussapplaus des Premierenpublikums galt in seltener Einmütigkeit dem Regieteam und den Schauspielern gleichermaßen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um in dieser Inszenierung den Publikumsrenner der Saison zu vermuten.