Eishockey
NHL: Bring den Stanley-Cup nach Hause Nico!
Nico Sturm ist Eishockey-Profi in der NHL und steht mit 27 Jahren vor dem Gewinn des Stanley-Cups. Die Geschichte, wie der Augsburger Nico Sturm in den Reihen der Colorado Avalanche die Möglichkeit erhielt, die höchste Trophäe des Eishockeysports zu gewinnen, gleicht einem Märchen.
Von Siegfried Zagler
Nico Sturm hat mit den Colorado Avalance in der Nacht von Samstag auf Sonntag das zweite NHL-Play-off-Finalspiel um den Stanley-Cup gewonnen. Und zwar mit einem 7:0-Kantersieg gegen Tampa Bay Lightning. Es steht nun 2:0 für Colorado im Stanley-Cup Finale 2022. Im ersten Spiel stand der Augsburger insgesamt sieben Minuten und dreißig Sekunden auf dem Eis, im zweiten waren es fast elf Minuten. Um den Cup nach Hause bringen zu können, fehlen Nico Sturm noch zwei Siege im Best-of-Seven-Modus. Die beiden folgenden Spiele finden in Tampa statt. Doch Tampa ist stark, besser: Ist das vermutlich stärkste Eishockey-Team der Welt. Mit Steven Stamkos, Victor Hedman Brayden Point, Nikita Kutscherow und dem besten NHL-Goalie Andrei Wasilewski sind die Lightning noch lange nicht geschlagen. Im Viertelfinale gegen die New York Rangers verloren sie ebenfalls die ersten beiden Partien, um mit einer Serie von vier Siegen ins Halbfinale einzuziehen.
Nico Sturms Geschichte klingt wie ein Märchen, in dem – wie es in Märchen ja oft der Fall ist, Rechtschaffenheit und Beharrlichkeit belohnt wird. Lange musste Nico Sturm für seinen Durchbruch arbeiten, lange musste er die Tugenden Geduld und Fleiß voranstellen. Kurz nach dem Abitur im Augsburger Gymnasium bei St. Anna ging Sturm, gerade volljährig geworden, in die USA, um sich dort über das Junior-Eishockey an einer Universität zu empfehlen. Das war 2014. Ein Plan, der aufging: Drei lange Jahre studierte Sturm an der Clarkson University im Bundesstaat New York und schloss sein Studium “Financial Information and Analysis” erfolgreich ab. Von morgens bis nachmittags büffeln, dann folgte bis spätabends Eishockey-Training, Taktik- und Videoanalysen.
Ohne je ein DEL-Spiel gemacht zu haben, ohne jemals für die Deutsche Eishockeynationalmannschaft gespielt zu haben, wurde Sturm in der College-Liga zu einer Größe. Der Augsburger wurde zweimal „Defensivstürmer des Jahres“. Einmal war er unter den ersten zehn Spielern beim „Hobey Baker Memorial Award“ für den besten Spieler aller College-Ligen. Weshalb wohl die Minnesota Wild auf ihn aufmerksam wurden und Sturm kurz vor Saisonende als Ergänzungsspieler verpflichteten. Das war 2019.
Damals war der beim AEV ausgebildete Nico Sturm bereits 24 Jahre alt. Sein NHL-Durchbruch kam dennoch mit Verzögerung: Im zweiten Jahr folgten nur sechs Spiele. Erst im dritten Jahr sollte Nico Sturm 57 Einsätze bekommen, 20 Scorerpunkte machen und als knallharter defensiver Center überzeugen. In dieser Saison tauchte er erstmalig auf dem Radar der großen Organisationen auf. Vor drei Monaten griff dann ausgerechnet Colorado Avalanche zu, ein finanzstarker Klub, der jedes Jahr zu den Stanley-Cup-Favoriten zählt. “Es hätten auch dreißig andere Klubs sein können”, sagte Sturm einem Fachmagazin, da er bei Drafts noch nichts zu melden hat. Man soll nicht an das Schicksal glauben, aber an das Glück.
In den aktuellen Play-offs hat Sturm (Stand 20.6. 2022) neun der 16 Avalanche-Spiele gemacht. Als klassischer “Bottom Six” Spieler, der in der dritten oder vierten Reihe zum Einsatz kommt. Da kann man nicht glänzen, sondern muss Zweikämpfe bestreiten, Wege blockieren, mit Körpereinsatz Gegenspieler attackieren. Sturm kann das.
Nun greift er mit den Colorado Avalanche nach der höchsten Trophäe, die es im Eishockey gibt. Das ist wie eine Nominierung für den Oscar nach einem Kino-Debüt. Wie ambitioniert Nico Sturm und seine Eltern (Vater Unternehmer, Mutter Lehrerin) an seiner Karriere gearbeitet haben, zeigen seine frühe Jahre: Mit drei Jahren in die Laufschule des AEV, mit 14 Jahren der Wechsel nach Kaufbeuren, da dort diese Jugendklasse höher spielte als damals die AEV-Jugend. Nun trägt er dreizehn Jahre später das gleiche Trikot, mit dem Uwe Krupp 1995 als bisher erfolgreichster deutscher NHL-Spieler den Stanley-Cup gewann. Nico Sturm hat sich in Denver für die Spielernummer 78 entschieden, da 1878 der AEV gegründet wurde. Ein Zeichen des Respekts für seinen Jugendklub, der ihn kürzlich zum Ehrenmitglied ernannt hat. Sein Avalanche-Vertrag ist nur bis zum Saisonende datiert. Es ist also möglich, dass Nico Sturm nur dieses eine Mal die realistische Chance hat, den Stanley-Cup zu gewinnen.
Falls Colorado Avalanche den Cup gewinnen sollte, darf ihn Nico Sturm für einen Tag mit nach Augsburg nehmen. Alle Augsburger wären somit irgendwie auch ein bisschen Stanley-Cup-Sieger. Also Nico, bring uns den Pott, bring den Stanley-Cup nach Augsburg – ins historische Epizentrum dieses Sports, in den Urgrund des deutschen Eishockeys, ins Curt-Frenzel-Stadion.