Nachruf: Ruiles langer Marsch
Hansi Ruile ist tot. Der ehemalige Betreiber der Kresslesmühle und einer der herausragenden Kulturschaffenden der Stadt Augsburg erlag am vergangenen Freitag seiner Krebserkrankung.
36 Jahre stand Hansi Ruile als einer der führenden Beschreiber und Erklärer einer modernen Stadtgesellschaft mit „seinem“ Bürgerhaus Kresslesmühle dort, wo der Wind am kräftigsten weht: an der Nahtstelle gesellschaftlicher Umbrüche. Einrichtungen wie die Kresslesmühle waren in ihrer Wirksamkeit nur dann Beschleuniger in Sachen Fortentwicklung einer Gesellschaft, wenn sie unabhängig geblieben sind.
Hansi Ruile musste für diese Unabhängigkeit lange kämpfen und machte die Mühle in den achtziger Jahren zum zeitgenössischen Kulturprisma der “Graswurzelrevolution”. Mit zirka 250 Veranstaltungen im Jahr war Ruiles Mühle ein wichtiger Taktgeber und Spurenleger einer sich im Wandel befindlichen Stadtgesellschaft. In den 90er Jahren bespielte er den öffentlichen Raum mit neuen und aufregenden Kunstformaten und wurde später zum ersten Kulturschaffenden der Stadt, der Diversität und kulturelle Differenz als programmatischen Auftrag verstand.
„Nur wenn Einrichtungen wie die Kresslesmühle keine Dienstleister sind“, so Ruile „darf man hoffen, dass auch Dienst an gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen leistbar ist.“ Es ist ein Allgemeinplatz geworden, dass nicht wenige Mitgestalter der Brandt-Ära beim Marsch durch die Institutionen auf der Strecke blieben, also auf halber Strecke vergessen haben, warum sie einst losmarschierten. Über Ruile lässt sich das nicht sagen. Er hielt den Stand des Diskurses darüber, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln sollte, auf hohem Niveau. Am 9. Juni verlor Hansi Ruile seinen letzten Kampf und verstarb 73-jährig in Augsburg im Kreis seiner Familie.