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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Wohin mit dem Modular?

Warum Kurt Gribl in der Standortfrage die Reißleine zog

Kommentar von Siegfried Zagler

Modular 2017 im Wittelsbacher Park

Modular 2017 im Wittelsbacher Park --- Foto: Ruth Pössel/Stadt Augsburg


Der DAZ-Kalauer, dass es sich bei der Augsburger Stadtregierung um keine echte Regierung handelt, weil es im Augsburger Stadtrat keine richtige Opposition gibt, ist vom Rathaus-Dreierbündnis längst beeindruckend widerlegt worden. Beeindruckend deshalb, weil das Bündnis die Opposition selbst mitliefert. Die gescheiterte Fusion, der Oberhauser Bahnhof, der „Schwarzbau“ im Stadtmarkt, der Plärrerumzug sind nur einige Beispiele, die Zeugnis dafür ablegen, dass sich die „Augsburger Stadtregierung“ immer schwerer tut, ihre weltanschaulichen Differenzen und die damit zusammenhängende Disfunktionalität zu kaschieren. Und wenn man es sarkastisch formulieren wollte, ließe sich hinzufügen, dass die voreilige Positionierung der SPD in der Modular-Standortfrage unterstreicht, dass sich das Dreierbündnis (CSU/SPD/Grüne) nicht nur beim Regieren schwer tut, sondern auch mit dem im System angelegten Oppositionsauftrag nicht überzeugt.

Stadtjugendring traut sich wieder Politik zu machen

Dabei kann man die schnelle und deutliche Positionierung der SPD auf den ersten Blick in Ordnung finden. Ginge es nach der SPD, würde das Modular bis 2020 im Wittelsbacher Park stattfinden. Es ist der politische Auftrag einer gewählten Bürgervertretung, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, auch wenn betroffene Bürger gegen solche Entscheidungen große Empörung ins Feld führen und mit Klagen drohen. Sieht man allerdings ein wenig genauer hin, bleibt nicht viel mehr als die Einsicht übrig, dass es sich die SPD mit dieser Positionierung viel zu leicht gemacht hat.

Der Stadtjugendring (SJR), der noch während der Aufräumarbeiten von einem gelungenen Festival sprach und deutlich machte, dass dies auch mit dem Standort im Wittelsbacher Park zusammen hinge und es sinnvoll wäre, das Festival im Park fortzuführen, hat mit dieser Stellungnahme gezeigt, dass man sich inzwischen als Augsburger Stadtjugendring wieder traut, mit nicht viel mehr als Chuzpe Politik zu machen. Immerhin erkannte SJR-Geschäftsführer Helmut Jesske, der für die SPD im Bobinger Gemeinderat sitzt, relativ schnell, dass es taktisch klüger ist, sich als Veranstalter nicht in das operative Geschäft eines politischen Entscheidungsprozesses einzubringen.

Bringt die SPD-Positionierung Frau Heinrich zusätzliche Stimmen für ihre Landtagsnominierung?

Deshalb hat der Stadtjugendring die Augsburger SPD exklusiv mit Informationen aufgeladen und damit aus der gebotenen Zurückhaltung gelockt. Der Stadtjugendring ist historisch betrachtet ein Kind der SPD und hat somit einen alten Bündnispartner aktiviert. Beide sehen sich in dieser Angelegenheit in einer Win-win-Situation. Schließlich könnte es für die SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich bezüglich ihrer im Herbst anstehenden Landtagskandidaten-Nominierung nützlich sein, wenn sie einflussreiche SJR-Mitglieder in diversen Ortsvereinen hinter sich bringt.

Vermutlich ist dieser Gedanke die Ausgangslage eines Statements des Kulturreferenten Thomas Weitzel, wenn er in einer städtischen Pressemitteilung zum Ausdruck bringt, dass das Modular-Festival kein Politikum werden dürfe.

Modular war immer ein Politikum

Um den Begriff „Politikum“ im üblichen Bedeutungskontext zu fassen, soll gesagt sein, dass das Modular-Festival von Beginn an ein Politikum war. Dass das Modular-Festival entwickelt wurde, war eine politische Entscheidung, dass es im Wittelsbacher Park stattfinden konnte, war eine politische Entscheidung. Warum also soll die Frage, wo das Modular in Zukunft stattfinden soll, aus dem politischen Raum verschwinden? Historisch betrachtet, war das Modular bereits kurz nach seiner Geburt ein Politikum: Als das Modular noch „X-Large“ hieß, versprach der damalige CSU-Oberbürgermeister Peter Menacher zirka 10.000 jungen Menschen auf der Abschlussveranstaltung, dass er dafür sorgen werde, dass dieses Festival als jährliche Veranstaltung gesichert sei, wenn man ihn nur wieder wähle. Das war 1995.

Das Modular 2017 wurde zu einem Politikum, als es vom Wittelsbacher Park aus mit Lärmemissionen die halbe Stadt beschallte und Bürgerproteste evozierte. Und es wurde zu einem Politikum erster Güte, als der Stadtjugendring „seine“ gute alte SPD instrumentalisierte, um den Standort im Wittelsbacher Park festzumachen.

Vorauseilender Alleingang der SPD ist gefährlich

Die SPD-Positionierung ist aber für eine Regierungspartei nicht nur politisch minderwertig, weil sich die SPD-Fraktion ohne Rücksprache mit OB Gribl und ohne Rücksprache mit den Rathaus-Bündnispartnern im Alleingang aus einer einzigen Sichtweise (Veranstalterperspektive) heraus positioniert hat, sondern auch antipragmatisch, weil eine vorauseilende Standort-Festlegung das Festival in seiner sicheren Fortführung bedroht. Ein Festival immerhin, das inhaltlich und mit seiner Machart eine Bereicherung des Augsburger Kulturangebots darstellt. Das Modular ist längst ein zentraler Bestandteil der Augsburger Festival-Kultur und aus diesem Grund bedeutsam. Es sollte nicht mit Veranstalterpräferenzen in seiner Existenzfähigkeit gefährdet werden.

Das Modular war im Wittelsbacher Park von Beginn an von seinen Entwicklern als Interimslösung vorgesehen. Nur unter der Prämisse dieser politischen Versprechung wurde der Standort Wittelsbacher Park seinerzeit vom Fachausschuss und Stadtrat akzeptiert. Der SPD-Versuch im Zusammenspiel mit dem Veranstalter, das Festival im Wittelsbacher Park als feste Größe zu implementieren, würde deshalb die Glaubwürdigkeit der Stadtverwaltung beschädigen.

Unterlassungsklagen könnten die Stadt in große Schwierigkeiten bringen

Darüber hinaus müssen sich der Stadtjugendring und die SPD von nun an mit der dramatischen Frage beschäftigen, ob sie mit ihrer Hauruck-Vorgehensweise dem Festival einen Gefallen tun, wenn sie das hohe Risiko in Kauf nehmen, dass Stadtjugendring und Stadt mit aussichtsreichen Unterlassungsklagen eingedeckt werden.

Ein Festival dieser Größenordnung sorgt in einem Park mitten in der Stadt nicht nur für die üblichen Anwohnerbeschwerden. Die SPD-Festlegung auf den Wittelsbacher Park ist aber nicht nur politisch bedenklich und antipragmatisch, sie birgt auch ein hohes ökologisches Risiko. Das Prädikat „Landschaftsschutzgebiet Wittelsbacher Park“ bedeutet, dass es sich um einen schützenswerten Park handelt, dessen Bäume, Gräser und tierische Bewohner unter besonderem Schutz stehen.

Möglich ist deshalb in einem hohen Wahrscheinlichkeitsbereich, dass die grundsätzlich billigende Haltung der Bürgerschaft zu einem aus Steuergeldern finanzierten Jugendfestival ins Gegenteil kippt, falls es während des Festivals zu längeren Starkregenfällen kommen sollte und der Wittelsbacher Park aufgrund des Festivals schwere Schäden davon tragen sollte. Nachdenken sollte man auch über die Frage, wie groß der Ansehensverlust der Stadt wäre, würde ein Gericht feststellen, dass sie mit dem Festival im Wittelsbacher Park jahrelang gegen bestehendes Recht verstieß.

Man braucht nicht nur politischen Willen, sondern Gründe

Man muss sich aber nicht an Risikomodellen aufreiben, um eine differenzierte politische Abwägung zu treffen, die mehr Zeit und Analysearbeit verlangt, als die schlichte Übernahme der Veranstalterperspektive. Schließlich ist der Wittelsbacher Park der größte und wichtigste Park der Stadt. Ein Park dieser Größenordnung erfüllt eine Vielzahl sozialer Aufgaben. Der Wittelsbacher Park ist ein Park, der in seiner Signatur als Stadtpark dauerhaft beschädigt werden würde, würde ihn die Stadt einmal im Jahr eine Woche als Event-Zone ausweisen. Will man also ein Festival mit einer beachtlichen Größenordnung in einem Park mitten in der Stadt etablieren, braucht man mehr als puren politischen Willen, nämlich gute Gründe. Bisher wurde die Standortfrage nur seitens der Veranstalterperspektive und der vermeintlichen Perspektive der Festivalbesucher erörtert. Für den Kulturentwicklungsplan der Gesamtstadt spielt es jedoch eine große Rolle, ob das Areal am Gaswerk als kultureller Ort funktioniert oder nicht. Soll das kulturelle Brachland zu einem belebten und anerkannten Ort der Kultur entwickelt werden, muss das Modular schnellstmöglich dort stattfinden.

Für die Erstellung einer funktionalen Kultur-Topografie reicht die Erörterungstiefe diverser Partikularinteressen nicht aus. „Für den Kongress am Park sprechen die gute Verkehrsanbindung, die zentrale Lage und die vorhandene Logistik. Entscheidend ist jedoch, dass die Jugend den innerstädtischen Veranstaltungsort bevorzugt und die Probleme an beiden Standorten in etwa gleich sind. Ohne eine gewisse Lärmbelästigung werde es nicht gehen, da Anwohner sowohl im Bereich Oberhausen-Bärenkeller als auch in der Innenstadt kurzfristig betroffen sind.“ So begründet Dr. Rudolf Holzapfel, Fraktionsvorsitzender von Pro Augsburg, die Position der drei-köpfigen Fraktion. Für 2018 sollte man deshalb noch einmal in den Wittelsbacher Park gehen. Im Gegensatz zur SPD sieht Pro Augsburg die nahe Zukunft des Modulars allerdings beim Gaswerk.

Ein Bürgertalk bringt Zeit – und möglicherweise eine differenzierte Meinungsbildung

Vermutlich waren es die Schnellschüsse der „Intro-Regierungsopposition“ und die noch flinkeren Festlegungen der „Papier-Opposition“, die Oberbürgermeister Kurt Gribl zum Ziehen der Reißleine veranlasst haben. Wie sollte man die überraschende Proklamation eines Bürgertalks anders interpretieren? Möglicherweise wird im Vorfeld eines Bürgertalks das Thema in der gebotenen Breite und Tiefe erörtert. Mit einem Bürgertalk wäre die Entscheidungsfindung jedenfalls verlangsamt. Bis zur September-Stadtratssitzung ist mit dem Bürgertalk wertvolle Zeit gewonnen. Zeit, die die Fraktionen zu einer differenzierten Meinungsbildung nutzen sollten.