Mit Mitchell geht alles, was die Panther hatten
Larry Mitchell ist nicht mehr Trainer der Augsburger Panther. Eine traurige und zugleich dramatische Nachricht, weil die Lücke, die er hinterlässt, kaum zu füllen ist. Mit Mitchell geht nämlich nicht nur ein Trainer.
Kommentar von Peter Hummel
Die Fans der Augsburger Panther haben ein feines Gespür für die Art und Weise, wie ihre Mannschaft auf dem Eis bei einer Niederlage agiert. Ob die Jungs also einfach nur platt sind, ob sie nicht wollen, nicht können oder, wie zuletzt, zwar können, aber scheinbar nicht dürfen. Klar, fast jede Mannschaft hat während der langen Saison mal einen Durchhänger, die Krise der Augsburger Panther allerdings ist hausgemacht. Ein Cheftrainer, der seinen Assistenten auf der Bank vor dem Team und dem Publikum dermaßen beschimpft, wie dies Larry Mitchell bei einem der letzten Spiele getan hat, hat nicht nur ein Problem mit seinem Assistenten.
Anders ist der Umstand nicht zu erklären, dass ihn die Vereinsführung vor einigen Tagen wegen Krankheit nach Hause schickte, einem Gebrechen, dessen Genesung – so konnte man jedenfalls die Pressemitteilung des AEV dazu deuten – einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Wie durch ein Wunder jedoch war der Chef schon ein paar Tage später wieder zurück und stand am vergangenen Freitag gegen Düsseldorf putzmunter an der Bande. Ein Spiel, das Augsburg mit 1:4 verloren hat und das die Fans am Ende mit gellenden Pfiffen kommentierten, was in Augsburg nicht besonders oft vorkommt.
„Mitchell raus“, rief da schon der eine oder andere auf den Rängen, wenngleich nicht sehr laut und eher beschämt. Denn: So was sagt man doch nicht! Larry Mitchell war in Augsburg eine Institution, stand seit 2007 ununterbrochen an der Panther-Bande – ein Rekord in der Deutschen Eishockeyliga. Er war es auch, der das Team 2009/2010 zur Vizemeisterschaft führte, eine Glanzleistung, die man ihm im Curt-Frenzel-Stadion nie vergessen wird. Insofern stand der Trainer eigentlich nie zur Debatte, selbst damals nicht, als er um einen besser dotierten Vertrag zockte und damit drohte, Bundestrainer zu werden. Das war 2011. Fortan war der Kanadier der unangefochtene Dompteur im Pantherkäfig, einer, der es auf wundersame Weise verstand, trotz niedriger Budgets immer wieder Top-Spieler nach Augsburg zu locken und deutschen Talenten eine Chance zu geben. Dennis Endras zum Beispiel, Benedikt Kohl, Florian Kettemer.
„Mitchell raus!“ hätte in all den Jahren immer so geklungen, als würde man daran zweifeln, dass der Puck eine schwarze Scheibe ist. Und jetzt, vergangenen Freitag: „Mitchell raus!“ Und noch einer: „Mitchell raus!“ Sogar die Frau, die immer im Stehplatzbereich hinter der Trommel steht: „Mitchell raus!“ – Es folgte zwei Tage später in Krefeld eine 6:2-Klatsche und tags darauf: Mitchell ist raus und der, den er vor dem Team und vor dem Publikum beschimpft hat, ist sein Nachfolger: Greg Thomson.
Was war geschehen? Hat sich die Schwerkraft aufgelöst? Wir wissen es nicht, warum die Mannschaft plötzlich ihren Biss verloren hat, ihr sympathisches Auftreten auf und neben dem Eis, ihre Torgefährlichkeit sowieso. Aber ein Trainer, der so agiert wie Larry Mitchell dies zuletzt tat, der dermaßen Nerven zeigt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sein Team nicht mehr im Griff zu haben. Warum die Vereinsführung das nicht rechtzeitig erkannt hat und erst dann, als es eigentlich schon zu spät war, den Trainer einigermaßen ungeschickt in ein Sanatorium schicken wollte, bleibt ihr Geheimnis.
Entspannt ist die jetzige Situation für die Fans jedenfalls nicht. Mit Mitchell geht nicht nur ein Trainer, sondern alles, was die Panther hatten: Eine Scoutingabteilung, der man mehr oder weniger blind vertrauen konnte, ein Trainer, der die Augsburger Verhältnisse in- und auswendig kennt, ein Gesicht, das dieses Team verkörperte. Letzteres vor allem! Wessen Trikot sollen denn die Eltern ihren Kindern zu Weihnachten kaufen? Eine vielleicht banale Frage, aber sie bringt die Misere auf den Punkt: Die Augsburger Panther haben nicht nur die Krätze am Schläger, sie sind auch farblos geworden. Wie das innerhalb kurzer Zeit passieren konnte, muss sich nicht nur Larry Mitchell fragen lassen, sondern auch so manch anderer. Einzig die erstklassigen Fans im Curt-Frenzel-Stadion und das Besinnen auf die Tradition bewahren die Augsburger Panther im Moment davor, so unwichtig zu sein wie Red Bull München.