Krisenbringer Brandmiller
Warum Raphael Brandmiller für den Flurschaden im Stadtjugendring und für die Krise bei den Grünen verantwortlich ist
Von Siegfried Zagler
Am morgigen Dienstag, 9. April, wollen die Augsburger Grünen auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die bei den Grünen „Stadtversammlung“ heißt, darüber abstimmen lassen, wie es mit ihrer krisengeschüttelten Partei weitergehen soll. Die Vorkommnisse im Stadtjugendring und die Zuständigkeit ihres möglichen OB-Kandidaten Raphael Brandmiller, der dem SJR ehrenamtlich vorsitzt, haben dazu geführt, dass der Vorstand der Grünen das Auszählungsergebnis der OB-Kandidaten-Kür auf Eis gelegt hat und nun darüber abstimmen lassen will, wie diese Auszählung verwendet werden soll.
Aus dem Umfeld von Raphael Brandmiller ist zu vernehmen, dass er, falls die 14tägige Mitgliederbefragung von der Stadtversammlung für ungültig erklärt werden sollte, von seiner Kandidatur Abstand nehmen will. Diese Form des „Rücktritts“ würde zu Brandmillers Krisenmanagement passen. Ein Krisenmanagement, das man – falls es diesen Begriff geben sollte – als „aggressiven Rückzug“ bezeichnen müsste.
Flachatmiger Erklärungsversuch einer grundfalschen Entscheidung
Fest steht zunächst, dass Brandmiller gemeinsam mit dem Bayerischen Jugendring einen Fahrplan zur Bewältigung des SJR-Desasters erstellt hat und sich mit dem Präsidenten des BJR sowie der Stadtspitze darauf verständigen konnte, dass die Öffentlichkeit erst am 17. Juni 2013 von den skandalösen Vorgängen im SJR erfahren sollte. An diesem Tag sollte der Vollversammlung des SJR das Desaster dargestellt werden. Diese riskante wie unverantwortliche Informationspolitik ist mit Grandezza gescheitert und hat einen politischen Flurschaden verursacht, der weit über den finanziellen Schaden des SJR hinaus geht. Die Erklärung, dass man erst nach der abgeschlossenen Innenrevision des SJR an die Öffentlichkeit hätte gehen wollen, um diese dann vollumfänglich zu informieren, ist nichts weiter als ein flachatmiger Erklärungsversuch einer von Beginn an grundfalschen Entscheidung. Dass diese desaströse Informationspolitik gegen jedes Raster der modernen politischen Kommunikationslehre verstößt, muss an dieser Stelle nicht hervorgehoben werden. Brandmiller hätte in seiner Eigenschaft als SJR-Vorsitzender den Geschäftsführer Helmut Jesske von Beginn an von seinen Aufgaben entbinden können und er hätte von Beginn an externe Wirtschaftsprüfer einsetzen können. Dafür gibt es beim SJR, laut BJR-Präsident Fack, sogar eine eigene Haushaltsstelle.
Ein Verschweigen bis Juni hätte Brandmiller sein Ding bei den Grünen ermöglicht
Ebenfalls ist evident, dass ein Verschweigen der Stadtjugendringprobleme bis Mitte Juni es Brandmiller ermöglicht hätte, „sein Ding“ bei den Grünen durchzuziehen. Unergründlich bleibt, warum OB Kurt Gribl, Finanzreferent Hermann Weber und Sozialreferent Max Weinkamm dabei mitspielten. Auch wenn Gribl in einem bemerkenswerten Interview bei a.tv die Rolle der Stadt im Verhältnis zum SJR und sein Handeln in Sachen Finanz-Desaster lupenrein zu plausibilisieren verstand, hat er als Oberbürgermeister der Stadt Augsburg mit dem Zurückhalten der Informationen am politischen Flurschaden mitgewirkt.
Ein Flurschaden, der im Stadtrat und in den zuständigen politischen Gremien sicherlich noch ausführlich thematisiert werden wird, aber weder Kurt Gribl noch die Stadt in ernsthafte Schieflage bringen sollte. Anders verhält es sich beim Stadtjugendring, dem durch die beschriebene Informationspolitik der größtmögliche politische Schaden zugefügt wurde, ein Flurschaden jedenfalls, der sowohl für den Stadtjugendring Augsburg als auch für den Bayerischen Jugendring höher einzuschätzen ist als das rätselhafte Verschwinden der zirka 500.000 Euro auf dem Rücklagenkonto. Es mag zutreffend sein, dass Raphael Brandmiller als Vorsitzender des Augsburger Stadtjugendrings nicht verantwortlich dafür ist, dass über viele Jahre hinweg Fehlbeträge geschickt vertuscht worden sind, sondern möglicherweise Helmut Jesske, der Geschäftsführer des SJR. Es mag zutreffend sein, dass der Augsburger Stadtjugendring von Beginn an nicht der Herr der Aufarbeitung des Schadens war, sondern der Bayerische Jugendring und somit als Person der hauptamtliche Präsident des Dachverbandes, Matthias Fack in der Verantwortung steht. „Wir sind nicht Herr des Verfahrens“, so Brandmiller.
Die Krise des SJR als Feuerprobe eines jungen Politikers
Brandmiller hätte sich diesem Verfahren aber nicht unterwerfen müssen. Er hätte von Beginn an politisch konsequent handeln müssen, konsequent handeln im Sinne des Stadtjugendrings, konsequent handeln im Sinne der Stadt, und somit im Sinne der Bürgerschaft. Und er hätte richtig handeln müssen im Sinne der Grünen, denen er wie dem SJR mit seiner Informationspolitik ebenfalls den größtmöglichen Schaden zufügte. Die Krise des Stadtjugendrings war die Feuerprobe des jungen Politiker Raphael Brandmiller. Eine Probe, die er nicht bestanden hat. Dies lässt sich – durch welche Maßnahmen auch immer – drei Monate später nicht mehr korrigieren.
Es besteht nämlich nicht der geringste Zweifel daran, dass Raphael Brandmiller als Grüner OB-Kandidat durch die Art und Weise, wie er mit dem SJR-Desaster umging, für seine Partei als Kandidat obsolet geworden ist. Dergestalt brisante politische Informationen wie das Verschwinden der kompletten Rücklagen des Augsburger SJR nicht zeitnah zu kommunizieren, stellt für einen Grünen Politiker ein Unding dar und würde für Brandmiller das politische Off bedeuten – könnte man sicher sein, dass die politische Kultur bei den Augsburger Grünen noch eine Grüne Kultur ist.
„Der bessere Grab“: Die Krise der Grünen
Bereits bei der Pressekonferenz zum Parteieintritt Brandmillers am 16.12.2011 musste man sich fragen, ob die Grünen noch ganz bei Trost sind und zum Beispiel der Parteivorstand überhaupt begriffen hat, dass sie mit Brandmiller einen jungen Politiker mit großem Bahnhof in ihre Reihen aufnahmen, der in vielen Dingen einem Mann ähnelt, den die Grüne Stadtratsfraktion mit aller Macht bekämpft: Peter Grab.
Brandmiller ist der bessere Grab, nachhaltige politische Sozialisation und parteipolitisches Engagement ist bei beiden nicht feststellbar. Beiden fehlt somit der theoretische Unterbau, weshalb bei beiden der Worthülsenfaktor von jedermann leicht auszumachen ist. Brandmiller war vor kurzer Zeit noch Mitglied der SPD. Grab wollte wenige Monate vor seinem Engagement bei Pro Augsburg bei der FDP anheuern. Bei beiden ist inhaltlich völlig unklar, wofür sie stehen. Beide könnten in jeder anderen bürgerlichen Partei zu Hause sein und haben trotz jahrelanger Präsenz in der Augsburger Lokalpolitik kein ernstzunehmendes Profil entwickelt. Beide gehören (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, wie gesagt Brandmiller ist der bessere Grab) zur so genannten Party- und Spaßgesellschaft, deren aufmerksamkeitssüchtige Protagonisten von ihrem Narzismus nicht selten in die Politik gesteuert werden, wo er fälschlicherweise mit „Neoliberalismus“ übersetzt wird.
Sowohl Grab als auch Brandmiller haben als Gegenspieler der kompetenten, aber sperrigen Grünen Politikerin Eva Leipprand im politischen Augsburg Tritt gefasst. Grab von außen, indem er sie im Wahlkampf 2008 in ihrer Eigenschaft als Kulturreferentin bekämpfte, Brandmiller zuerst von außen, dann von innen, indem er von den innerparteilichen Leipprand-Gegnern als Pflock im Fleisch von Eva Leipprand zum OB-Kandidaten-Kandidaten gekürt wurde. Brandmiller (auch das hat er mit Peter Grab gemeinsam) wurde bisher selten bei der Parteiarbeit gesehen oder wirkte ernsthaft in einem inhaltlichen Positionierungsprozess mit. Raphael Brandmiller hat mit seinem Kommunikationsverhalten den Augsburger Stadtjugendring und die Augsburger Grünen in eine schwer auflösbare Bredouille gebracht – gleichzeitig. Das ist immerhin eine Leistung, die ihm niemand so schnell in Abrede stellen wird.