Kommentar zum FCA: Auf der Suche nach einer Signatur
Der FC Augsburg hat in der Bundesliga Geschichte geschrieben: Aufgestiegen nach 23 Jahren in der Bedeutungslosigkeit hält sich der Klub, der aus dem Nichts kam, bereits seit zehn Saisons in der Bundesliga, während in dieser Zeit einstmals große Vereine zu Fahrstuhlmannschaften wurden oder nach dem Abstieg in der zweiten oder dritten Liga ums Überleben kämpfen. Und dennoch muss festgehalten werden, dass in den vergangenen Jahren die FCA-Verantwortlichen Hofmann und Reuter schwere Fehler zu verantworten haben. Fehler, die nicht groß bestraft wurden, aber dennoch große Fehler bleiben.
Kommentar von Siegfried Zagler
Man sollte mit den Trainern beginnen: Seit dem inszenierten Abgang von Markus Weinzierl nach Schalke, gaben beim FCA in fünf Saisons fünf Trainer ihr Stelldichein: Dirk Schuster (bereits nach 14. Spielen freigestellt), Manuel Baum, Martin Schmidt, Heiko Herrlich und nun wieder Markus Weinzierl.
Baum, Schmidt und Herrlich wurden frühzeitig freigestellt, weil sie mit dem Klub in Abstiegsnähe trudelten. Unter Dirk Schuster spielte der FCA dergestalt schwach, dass man nach 14 Spielen und 14 Punkten die Reißleine zog. Bei Herrlich zeigten Hofmann und Reuter mehr Geduld und schauten viel zu lange einem FCA zu, der alles vermissen ließ, was Fußball ausmacht: Dem FCA fehlte unter Herrlich von Beginn an der Zug zum Tor, der Wille zum Abschluss und die dafür notwendige Raffinesse. Es fehlte die Ruhe am Ball, wenn es nach vorne ging. Es gab keine erkennbaren Laufwege in die Schnittstellen, keine Genauigkeit bei den Pässen in die Tiefe sowie kaum erkennbare Kombinationsmuster oder einstudierte Spieleröffnungen. Gepresst wurde zum Schluss nur noch halbherzig. Und Pressing ist ohnehin keine ernstzunehmende Offensivstrategie, wenn das Umschaltspiel im Sand verläuft. Dem FCA unter Herrlich zuzusehen, war zu einer Art Folter geworden, weil alles unvollendet blieb und sich Stückwerk an Stückwerk reihte.
Und natürlich müssen zwei Granatenfehler in der Kaderzusammenstellung festgehalten werden: die sündhaft teuere Verpflichtung eines schwachen Keepers geht nicht auf Herrlichs Kappe, die schändliche Verabschiedung von Daniel Baier allerdings schon.
Baiers Rauswurf wurde von Herrlich gewollt und von Reuter mitgetragen. Baiers Rauswurf ist also ein schwerer Fehler Herrlichs, denn diejenigen, die Baier hätten ersetzen sollten, konnten das nicht: Gruezo ist deutlich zu grobmotorisch, von Strobl gehen keine kreativen Impulse aus, ebenso von Benes, der während der Saison eben wegen der Defizite im Spiel nach vorne als Achter verpflichtet wurde. Der sportliche Fehler ist das eine; das andere ist das menschliche Versagen, da ein Klub mit einem hochverdienten Spieler so nicht umgeht.
Vermutlich hat sich Herrlich auch von Gregoritsch als Kreativspieler einiges erwartet, doch der Österreicher avancierte unter Herrlich zu einem Schattenspieler, ohne Initiative und Dynamik. Das Gleiche gilt für Niederlechner, Khedira, Finnbogason und auch Caligiuri, der stark begann und stark nachließ. Ein Daniel Baier hätte mit seiner Ruhe am Ball im Verlauf dieser Saison im Zusammenwirken mit Caliguiri einiges bewirken können. Herrlichs Rauswurf ist also völlig in Ordnung, auch wenn er viel zu spät kam.
Mit Weinzierl kommt nun der erste Trainer nach Augsburg, der nicht nach kurzer Zeit die Segel streichen musste. Das wirkt so, als käme der verlorene Sohn zurück, der vor fünf Jahren gegen den Willen der Vereinsführung nach Schalke abwanderte, um dort mit einer dicken Geldbörse unterzugehen. Später sollte Weinzierl in Stuttgart krachend scheitern. Vergessen sollte man nicht, dass zwei von den vier Saisons, die Weinzierl als Trainer in Augsburg verbrachte, sehr wechselhaft verliefen und der FCA unter Weinzierl nur mit viel Glück nicht abstieg. Die erste und die letzte Weinzierl-Saisons sind gemeint. Das vergisst man gerne, da der FCA mit dem Niederbayern zwei starke Saisons spielte und sich sogar einmal für die Europa League qualifizierte.
Der FC Augsburg ist nach zehn Jahren ununterbrochener Bundesligagzugehörigkeit zu einem echten Bundesligisten geworden, der längst zur Liga gehört, wie der 40-Tore-Rekord zu Gerd Müller. Was dem FCA bisher fehlte: Ein Trainer, der dem Klub eine Prägung gab/gibt. Eine Prägung, die dem Verein eine Struktur verpasst, die unabhängig vom Auf und Ab des Tabellenstandes Bestand hat, eine Signatur, die das indifferente Puppenkisten-Wundertüten-Image löscht und den FCA zu einem Klub mit einem verlässlichen ethischen Muster macht. Mit Markus Weinzierl wird das wohl kaum gelingen.