Kommentar: Wie es um den FCA steht
Der FCA wurde 1969 gegründet. Bereits bei dieser schlichten Tatsache scheiden sich in Augsburg die Geister. Der Bundesligaklub ist ein typisches Kind der Stadt: Er hat viel und ihm fehlt viel.
Kommentar von Siegfried Zagler
Dass der FC Augsburg einen Präsidenten hat, der meistens auf eine Art in die Kameras “lächelt”, als wollte er als Bösewicht für eine Netflix-Serie casten, hat etwas verrückt Zauberhaftes. Dennoch ist es kaum möglich für ihn auch nur ein Jota Sympathie zu entwickeln, was seiner proletenhaften Selbstdarstellung und seinem wenig glaubwürdigen Bekenntnis zur 50+1-Regelung geschuldet ist.
Dass sich der FCA in den vergangenen Jahren strukturell gut entwickelt hat, hat auch mit den DFL-Auflagen für Bundesligisten zu tun. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass der FCA in der Tat ein grundsolider Bundesligaklub geworden ist. Dazu ist es passend, dass es eine Fankultur gibt, die nicht zu allem Ja und Amen sagt, wie man zuletzt auf der Jahreshauptversammlung mitbekam.
Beim FCA herrscht eine “Hofmann-kratie”. Der allmächtige Klaus Hofmann ist Präsident des Vereins, Vorsitzender der Stadion-GmbH und Vorsitzender der KG auf Aktien, die für die Profiabteilung steht. Der Aufsichtsrat ist Hofmann ergeben und als Kontrollorgan nicht wahrzunehmen. Kurzum: Beim FCA herrscht seit 15 Jahren eine Monarchie. Und da man in Augsburg mit dieser Herrscher-Struktur erfolgreicher ist als in der Vor-Seinsch-Zeit, möchte die Mehrheit der Mitglieder daran nichts ändern. Auch eine Erkenntnis der letzten Jahreshauptversammlung.
Aus neutraler Sicht wirkt bei Klaus Hofmann das gleiche Dilemma wie bei Walther Seinsch: Ihr Geldvermögen hat sie zur Führungsspitze des FCA gemacht – nichts anderes. Weitere Vermögen, besser: Kompetenzen, die zur Führung eines Bundesligavereins nötig wären, waren und sind bei den beiden kaum auszumachen. Und dennoch ist es wahr, dass ohne das finanzielle Engagement der beiden Geschäftsleute der FCA noch (wieder) zwischen Regionalliga und 3. Liga hin- und her pendeln würde – bestenfalls. Deshalb muss man in Augsburg lernen, Akteure wie Hofmann irgendwie auszuhalten.
Man kann es auch einfacher sagen: Ohne das Geldvermögen von Seinsch und Hofmann wäre der FCA nicht in der Bundesliga. Und ohne ihre Investitionen hätten weder Seinsch noch Hofmann eine Chance gehabt, um beim FCA etwas zu werden. Finanziell haben Seinsch und Hofmann den FCA in einen Orbit geschossen, der ein Pendeln zwischen 1. und 2. Liga ermöglicht. Dass das Pendeln bisher vermieden werden konnte, hatte viel mit Glück und weniger mit Geschick zu tun.
Fünf Trainerwechsel in fünf Jahren sprechen Bände. Mit Manuel Baum wurde auch Scouting-Chef Stefan Schwarz gefeuert: Granatenfehler wie sie im Buche stehen. Und nun steht mit Weinzierl ein Trainer in der Verantwortung, der nicht viel mehr vorzuweisen hatte als Reminiszenzen.
Im Fußball zählt wie in der Politik zuerst die Gegenwart. Während sich Andreas Luthe bei Union zu einem starken Bundesliga-Keeper entwickelte, steht Rafal Gikiewizc immer stärker in der Kritik. Beim FCA fehlen auf den beiden Sechserpositionen zuverlässige Leistungsträger. Rani Khedira spielt bei Union überragend genau das, was beim FCA aktuell schmerzlich fehlt. Daniel Baier wurde verfrüht in Rente “gefeuert”, nachdem man wenige Monate vorher noch seinen Vertrag verlängert hatte. Und der Aufsichtsrat machte das, was er am besten kann: schweigen.
Man muss nicht jedesmal mit dem “Jahrhundert-Irrtum Koubek” kommen. Was schwerer wiegt: In den vergangenen 10 Jahren Bundesliga-Fußball hat kein Spieler aus der eigenen Jugend einen soliden Sprung in den harten Ligaalltag geschafft; konnte kein Trainer dem FCA ein Gesicht verschaffen, konnte keine nachhaltige Prägung entstehen. Seinschs Legende eines Familienklubs war bereits in der zweiten Liga nicht viel mehr als eine Lüge. Finanziell steht der Klub gut da, sportlich tritt er auf der Stelle.
Und nun droht sogar ein gefährlicher Rückschritt. In dieser Saison könnte der FCA für die Fehler der vergangenen Jahre die Zeche bezahlen. Der Abstieg droht so heftig wie in den ersten beiden Bundesligasaisons. 9 Punkte aus 11 Spielen. Mit diesem Schnitt käme man am Ende auf 28 Punkte. Damit würde man ziemlich sicher absteigen.
Der FCA muss sich neu finden. Braucht eine andere Führungsstruktur, ein klares Profil und Ziele, die weiter nach oben führen. Auch im sozialen Miteinander, in Sachen Diskursfähigkeit. Dazu gehört mehr als der ängstliche Blick auf die Tabelle.