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Donnerstag, 28.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Dem FC Augsburg fehlt alles, was Fußball anziehend macht

Heiko Herrlichs verbleibende Tage als Cheftrainer beim FCA sind an den Händen abzuzählen. Es sollte also nicht gefragt werden, ob er gehen muss oder nicht, sondern wer sein Nachfolger wird.

Kommentar von Siegfried Zagler 

Erinnern wir uns an die ersten beide Spieltage dieser Saison: Der FCA gewinnt glücklich gegen Union Berlin und Borussia Dortmund. „Glücklich“ deshalb, weil bei den Augsburgern jeder Schuss auf das Tor ein Treffer war, während Berlin und Dortmund mächtige Chancen reihenweise vergaben.

„Hinten dicht, vorne gnadenlos effizient“, so das Credo der Sportpresse seinerzeit. Inzwischen verteidigt man zwar immer noch ordentlich, bringt aber nach vorne kaum noch etwas Zählbares zustande. Hätte der FCA die ersten beiden Runden standesgemäß und verdientermaßen verloren, befände er sich heute in höchster Abstiegsgefahr.

Andererseits ist auch festzuhalten, dass die Augsburger heute gegen Werder Bremen zwei Hochkaräter ausließen, die, wären sie in Tore umgemünzt worden, dem FCA mit großer Wahrscheinlichkeit einen Dreier beschert hätten. Dann stünden die Brechtstädter mit 22 Punkten auf einem Tabellenplatz, der Träume von Europa erlauben würde.

Doch lassen wir den Konjunktiv des Spielglücks und das Auf und Ab der Tabelle beseite und bewerten das Spiel der Augsburger im Sinne einer der wichtigsten Kategorien des Spiels, der „Kategorie Angriff“, die es nämlich bei Heiko Herrlich nicht zu geben scheint.

Dem FCA fehlt von Beginn an der Zug zum Tor, der Wille zum Abschluss und die dafür notwendige Raffinesse. Fußballspiele muss man gewinnen wollen. Existiert dieser Wille gepaart mit Fitness, Form und Mut, dann sind Ergebnisse wie in Kiel oder Köpenick zwar immer noch Überraschungen, aber keine Sensationen. Doch dem FCA fehlt dafür alles, was nötig wäre:

Die Ruhe am Ball, wenn es nach vorne geht, keine erkennbaren Laufwege in die Schnittstellen, keine Genauigkeit bei den Pässen in die Tiefe sowie kaum erkennbare Kombinationsmuster oder einstudierte Spieleröffnungen. Pressing ist keine ernstzunehmende Offensivstrategie, wenn sich das Umschaltspiel im Sand verläuft. Dem FCA zuzusehen ist zu einer Art Folter geworden, weil alles unvollendet bleibt und sich Stückwerk an Stückwerk reiht.

Die Problemstellen sind schnell erkannt: Vargas und Richter dribbeln mal dorthin, mal dahin. Sie sind die Augsburger Ballverlust-Maschine. Niederlechner und Finnbogason ähneln sich inzwischen wie eineiige  Zwillinge. Sie bewegen sich nicht in passfähige Räume, sie suchen nicht den tiefen Laufweg. Doch selbst, wenn dies anders wäre: Wer könnte die genauen Pässe spielen? Strobl? Hahn? Khedira? Gregoritsch? Caligiuri? Niemand ist offenbar dafür zuständig, niemand scheint solche Bälle zu suchen. Und nimmt man den überragenden Caligiuri heraus, dann ist es auch bereits mit weiteren Optionen vorbei, denn diese Personalie ist beim FCA unterbelichtet oder dauerverletzt (Moravek).

Natürlich muss auch darauf verwiesen werden, dass mit Iago und Framberger wichtige Spieler verletzt sind oder außer Tritt sind. Sarenren Bazee in Form ist ebenfalls eine Granate. Der Torhüter, die Innenverteidigung sind große Klasse. Bis auf wenige Ausnahmen ist fast jeder Augsburger Kaderspieler überdurchschnittlich bundesligatauglich.

Und der Trainer? Nach seinen Erstliga-Engagements bei Leverkusen und bei Augsburg sollte Heiko Herrlich für die Bundesliga verbrannt sein. Es ist nämlich davon auszugehen, dass er spätestens nach dem 19. Spieltag nicht mehr Cheftrainer in Augsburg ist, falls der FCA in der kommenden Englischen Woche gegen Bayern, Union und Dortmund verliert, wovon auszugehen ist.

Herrlich mag ein überragender Mensch sein und viele Qualitäten besitzen, die sich dem Fußballvolk selbstverständlich nicht zeigen, doch als Bundesligatrainer fehlt ihm das Wichtigste, nämlich die Fähigkeit einer Mannschaft eine Signatur zu verpassen, die zu ihr passt. Die Aufstellung der Startelf gibt meist Rätsel auf. Das Gleiche gilt für die Wechselei, die meist das Gegenteil ihrer Absicht bewirkt. Dem FCA fehlt es an allem, was den Fußballsport attraktiv macht. Außer Caligiuri scheint kein Spieler den Ball zu wollen, etwas mit ihm unternehmen zu wollen, das über einen Schablonenpass hinausgeht. Pässe nach vorne sind bei den Augsburgern so fahrig und so ungenau, dass man meinen könnte, sie werden mit Widerwillen gespielt.

FCA-Trainer Herrlich wirkt nicht so, als hätte er Freude an seinem Beruf, wirkt nicht so, als wäre er ein Mentalitätsmonster, das eine Mannschaft zu einer Mannschaft schweißen kann. Seine ruhige Art wirkt nicht ruhig, sondern so, als hätte er Mühe die Konzentration zu halten. Und genau so spielt auch seine Mannschaft.

Herrlich aus der Versenkung heraus zum FCA zu holen, galt als Experiment, das man heute als gescheitert zu bewerten hat.