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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: CSU in stürmischer See

“In Not und hoher See tut´s jeder Hafen”, lautet ein altes Sprichwort, dessen allegorische Bedeutung für die beiden Augsburger Volksparteien als Maxime zur Lösung schwerer Probleme unbekannt zu sein scheint. In schweres Wetter scheint man ohnehin nur in der Regierungsverantwortung zu geraten. Ein Jahr nach dem politischen Erdrutsch im Augsburger Stadtrat, der unter anderem damit zu erklären ist, dass Kapitän und Offiziere der SPD-Fregatte schwersten Sturm für ein schnell vorrübergehendes Gewitter hielten, befindet sich die CSU in starken Turbulenzen. Am Samstagvormittag traf sich der Bezirksvorstand der CSU zu einer Krisensitzung, um die Fallwinde, für die der “Stänkerer” Volker Ullrich gesorgt hat, auszuloten.

Volker Ullrich und Leo Dietz haben den politischen Fehler begangen, öffentlich übers Internet Kritik zu üben. Bei Ullrich ging es konkret zweimal gegen den Ordnungsreferenten Walter Böhm: “Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Ordnungsamt bei der Verbotsverfügung nicht ganz sauber gearbeitet hat und das Verbot bloßer Aktionismus war.” Gemeint war die städtische Verbotsabsicht gegen den Aufmarsch der Rechtsradikalen. Noch drastischer wurde Ullrich beim CSU-Dauerbrenner Rauchverbot: “Das Verhalten von Walter Böhm in Sachen Nichtraucherschutz ist langsam nur mehr schwer erträglich.” Dietz hat auf seiner Homepage die “Freiwillige Selbsterklärung” von 40 Maxgastronomen als unwirksames Stück Papier bezeichnet, das er den Bürgern nicht als Lösung verkaufen wolle. Walter Böhm platzte der Kragen, er ging in die Offensive. Nach Informationen der DAZ möchte Böhm den “Stänkerer” Ullrich aus der Fraktion ausgeschlossen haben.

Auf der samstäglichen Krisensitzung – Böhm war nicht dabei – stand dies jedoch nicht zur Disposition. Es ging um die “Sondierung der Gesamtsituation”, die die CSU langsam als “stürmische See” zu begreifen scheint.

Ullrichs Kritik an Böhm im AZ-Forum war ein schwerer politischer Fehler. Das AZ-Forum ist ein Tummelplatz für eine Handvoll Klientel, das zwanghaft über die CSU ablästert. Wer in diesem politischen Kontext kritisiert, fraternisiert auch ein Stück weit mit diesen anonymen Haudrauf-Gesellen. So gesehen sind die extremen Reaktionen innerhalb der CSU-Fraktion nachvollziehbar. Inhaltlich jedoch liegt Ullrich auf einem Kurs, der von vielen der jüngeren CSU-Stadträte mitgetragen wird. Deshalb wäre es falsch, die hausgemachten Turbulenzen allein an der Person Ullrich zu verankern. Ullrich ist für die Probleme der CSU ebenso wenig alleine verantwortlich wie der sogenannte Saufkübel für die Auswüchse auf der Maximilianstraße.

Die Augsburger CSU scheuert sich offensichtlich an einem klassischen Generationskonflikt. Die ambitionierte jüngere Generation der CSU-Stadträte scheint hinter Ullrich zu stehen. Die Augsburger CSU steht nicht vor einer “Zerreißprobe”, sondern befindet sich seit dem politischen Erdrutsch im März 2008 auf Orientierungsfahrt. Oberbürgermeister Kurt Gribl erklärte unlängst einer Arbeitsgruppe des Bayerischen Landtags, dass die CSU in Großstädten etwas anders sein müsse. Die Partei solle dort auftauchen, “wo sie keiner vermutet.” Ullrich hat das offensichtlich überzogen und wurde dafür ebenfalls überzogen abgebürstet.

Wenn man die Probleme der CSU über Personen und Inhalte definieren will, dann lässt sich das folgendermaßen herunterbrechen: Die “Rebellen um Ullrich” sind mit dem Auftreten und den politischen Ergebnissen von Ordnungsreferent Walter Böhm unzufrieden und können damit nur noch schwerlich an sich halten.

Für Probleme dieser Güteklasse sollte der OB zuständig sein. Mit einem “Bauernopfer Ullrich” würde man nicht nur an der Sache vorbeidoktern, sondern sich selbst beschädigen. Kurt Gribl steht vor einer schwierigen Aufgabe, aber wie gesagt: “In Not und hoher See tut´s jeder Hafen”.

Siegfried Zagler