Klimacamp kritisiert Augsburger Sozialpolitik – Ein zweites Protestcamp ist in Planung
Seit sieben Jahren versucht ein Augsburger Sozialarbeiter eine Notschlafstelle für junge Menschen einzurichten, die in ihrem bisherigen Wohnumfeld nicht mehr bleiben können. Um sein Projekt zu realisieren, mangelt es nur an einem: finanzieller Unterstützung durch die Stadt Augsburg.
Lange wurde er von der Politik ignoriert. Doch nun brachte ein ausführlicher BR-Bericht die Sache ins Rollen und stützt eine Recherche der Augsburger Allgemeine, dass Augsburg in Sachen Jugendhilfe viel aufzuholen habe. Das im BR-Bericht ebenfalls thematisierte Klimacamp hat unkonventionelle Unterstützung signalisiert und heute dazu eine Stellungnahme verfasst.
Augsburg stehe bei der Unterstützung von Menschen zwischen 18 und 25 Jahren nur auf dem Papier gut da, heißt es in diesem Papier. Volljährige Personen, die ihre Wohnung verlieren, würden sich zwar an die städtische Notunterkunft in der Johannes-Rössle-Strasse wenden können. Doch sei dies nicht ausreichend: “Das ist kein sicherer Ort, um von dort aus Schule und Ausbildung zu bewerkstelligen”, erklärt Robin (19) vom Klimacamp, der dort schon war und wie der Jugendliche im BR-Bericht “lieber unter einer Brücke” als dort schlafen würde. Junge Menschen unter 18 Jahren können die Notschlafstelle “Biwak” in Augsburg aufsuchen. Diese gilt aber als überbelegt, vor allem seit aufgrund der Corona-Krise und damit einhergehend zunehmender häuslicher Gewalt mehr junge Menschen eine Zuflucht benötigen.
“Eine würdevolle und sichere Wohnung ist die dritte Haut jedes Menschen und ein Grundbedürfnis. Massenunterkünfte und die Straße bieten keinen Schutzraum”, so Ingo Blechschmidt vom Augsburger Klimacamp.
Für den Augsburger Sozialarbeiter und Jugendcoach Oliver Munding ist diese Situation schwer zu ertragen. Daher plant er mit viel Energie eine Notschlafstelle, den J*Cube für junge Menschen unter 25 Jahren, mit einem angegliederten Übergangswohnheim mit Betreuung. “Für junge Erwachsene existiert keine adäquate Möglichkeit, in Notfällen ein Dach über den Kopf zu bekommen. Daher ist diese Einrichtung schon längst überfällig und soll diese Lücke schließen”, so Munding.
Örtlichkeiten stünden für das Projekt zur Verfügung, so Munding weiter: “Dieses Konzept könnte in einem der vielen leerstehenden Gebäude in der Augsburger Innenstadt angesiedelt werden und für die Augsburger Stadtgesellschaft einen breiten Mehrwert bedeuten sowie eine Lösung und ein Ort gegen die voranschreitende Jugendobdachlosigkeit in Augsburg.”
Geplant sei nicht nur eine alleinige Notschlafstelle, sondern ein Gesamtpaket aus Notschlafstelle, Übergangswohnheim, eigenen Wohnungen sowie “einem breit aufgestellten Beratungskonzept, Bildungsangeboten, Netzwerk und Mediatoren-Arbeit, einen Treffpunkt mit Café und Einkaufsmöglichkeiten und einem Platz zum Austausch für Alle zu dem Bereich um das Thema Wohnen”.
Auch das Augsburger Regierungsbündnis hat bereits vor einem Jahr den Bedarf erkannt . Doch der Ruf blieb bisher unerfüllt. Laut Oliver Munding stelle die Stadt bisher kein Geld für zusätzliche Plätze bereit. Die Klimacamper fordern nun eine Erweiterung der Kapazitäten für Notschlafstellen für junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren.
“Wir spüren die Not vieler junger Menschen, die zu uns ins Camp kommen und dort öfter Teil der Versammlung sind”, so Ingo Blechschmidt. Als offener Austauschort im Herzen von Augsburg sei das Klimacamp Ziel für viele junge Menschen, die sich für Klimagerechtigkeit engagieren möchten. So würden viele Schwierigkeiten junger Menschen sichtbar, wie auch die Wohnungsproblematik. Die Gemeinschaft der Aktivist*innen bilde eine familiäre Atmosphäre, der Umgang untereinander sei wertschätzend; damit bilde das Camp einen positiven, sicheren Ort. Das sei auch im BR-Beitrag zu erkennen, so Blechschmidt weiter.
Um die Thematik sichtbar zu machen und dafür zu werben, dass die Stadt Mundings Projekt bezuschusst, haben die Klimacamper bereits konkrete Pläne aufgestellt, beim Start eines zweiten Protestcamps speziell zu dieser Thematik mit ihren Erfahrungen, auch in juristischer Hinsicht, zu unterstützen. Es könnte auf dem Königsplatz angesiedelt sein. Doch zunächst möchten sie mit Dialog zur nötigen Erweiterung der Unterbringungs- und Betreuungskapazitäten beitragen und die Problematik auch auf dem Augsburger Housing Action Day präsentieren, der im März in Augsburg und vielen anderen deutschen und europäischen Städten stattfinden wird [5] und in Augsburg von einem breiten Bündnis aus Augsburg in Bürgerhand, Attac, dem Grand Hotel, Paradieschen e.V., Unser Haus e.V. und weiteren Initiativen getragen wird.