Kathedralen der Kultur
Fünf Kultureinrichtungen und ein Gefängnis. Fünf große Regisseure und Wim Wenders. Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, der seine Zuschauer fast drei Stunden zum Staunen und zum Zuhören zwingt.
Von Siegfried Zagler
Die Idee, Gebäude von sich selbst erzählen zu lassen, funktioniert nicht immer. Aber, soviel vorab, die sprechenden Häuser („architecture parlante“) haben Überzeugungskraft, ihre Argumente sind von bestechender Klarheit: „Hier ist der Grund, warum ich gebaut wurde: die Berliner Philharmoniker.“ Wim Wenders’ Film über die Berliner Philharmonie ist herausragend. Ohne belehrsam zu wirken, ohne Stolz im Unterton, aber immer mit einem Schuss Bewunderung für die Künstler, die es beherbergt, erzählt uns die Berliner Philharmonie ihre Geschichte (Stimme: Meret Becker). Wenders, der sich als Regisseur dramatischer Produktionen kaum als guter Story-Teller auszeichnete, hat sich mit Hingabe auf die von ihm erfundene Heiligkeit der Bilder beschränkt. Mit dieser Selbstbescheidung hat Wenders im Dokumentarfilm eine Klasse erreicht, die ihm im fiktionalen Erzählkino verwehrt blieb. Wenders’ Auge (Kamera: Christian Rein) fließt mit Ehrfurcht durch das Haus, tanzt durch das spielende Orchester und verneigt sich vor Stardirigent Simon Rattle. Die Berliner Philharmonie ist ein schnörkelloser Nutzbau für etwas durchschlagend Nutzloses, nämlich die Kunst der Berliner Philharmoniker, die Welt zu verzaubern. Wenders spricht alles heilig: die Putzfrauen, die Bodenpflege und die Berliner Philharmoniker, die Dachkonstruktion. Man nimmt es ihm ab.
„Kathedralen der Kultur“, so der Titel dieser filmischen 3-D-Produktion, die sechs Gebäude zum Sprechen bringt und redundant sagen lässt, dass sie einzigartig sind und deshalb von großartigen Menschen genutzt werden. Das gilt auch für das Gefängnis in Norwegen. Der Mensch wird zu einem Teil des Kunstwerkes, wenn er es betrachtet. Wenn er es betritt, beginnt er seine Identität zu verlieren. Wer gerne Reisen in absolute Landschaften unternimmt und mangels Phantasie auf Drogen angewiesen ist, sollte sich Richtung Thalia aufmachen. Die stärkste Droge der Stadt ist derzeit durch den Erlös einer Eintrittskarte erhältlich.
Kathedralen der Kultur
Deutschland/Dänemark/Österreich/Norwegen 2014
Regie: Wim Wenders (Konzerthaus des Philharmonischen Orchesters Berlin, Architekt: Hans Scharoun), Michael Glawogger (Russische Nationalbibliothek St. Petersburg, Architekt: Carlo di Giovanni Rossi), Michael Madsen (Gefängnis Halden, Architekt: Erik Møller), Robert Redford (Salk Institute for Biological Studies, St. Diego, Architekt: Louis I. Kahn), Margareth Olin (Opernhaus Oslo, Architekten: Snøhetta), Karim Ainouz (Centre national d’art et de culture Georges Pompidou, Paris; Architekten: Richard Rogers und Renzo Piano).
165 Minuten. Der Film läuft im 3-D-Format im Thalia-Kino am Obstmarkt (17.45 Uhr).
Deutschland/Dänemark/Österreich/Norwegen 2014
Regie: Wim Wenders (Konzerthaus des Philharmonischen Orchesters Berlin, Architekt: Hans Scharoun), Michael Glawogger (Russische Nationalbibliothek St. Petersburg, Architekt: Carlo di Giovanni Rossi), Michael Madsen (Gefängnis Halden, Architekt: Erik Møller), Robert Redford (Salk Institute for Biological Studies, St. Diego, Architekt: Louis I. Kahn), Margareth Olin (Opernhaus Oslo, Architekten: Snøhetta), Karim Ainouz (Centre national d’art et de culture Georges Pompidou, Paris; Architekten: Richard Rogers und Renzo Piano).
165 Minuten. Der Film läuft im 3-D-Format im Thalia-Kino am Obstmarkt (17.45 Uhr).