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Donnerstag, 25.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kahnfahrt: Jedem Ende wohnt ein Zauber inne

Die Kahnfahrt wird nicht geschlossen und schon gar nicht abgerissen, sondern zu einer anderen, möglicherweise besseren Kahnfahrt. Dieses Versprechen hat zumindest Dr. Wolfgang Hübschle gegeben, der Wirtschaftsreferent der Stadt Augsburg. Dass das dem aktuellen Pächter offensichtlich nicht gefällt, kann man bei bestem Wetter vor verschlossenem Eingang ablesen.

Von Siegfried Zagler

Foto © Günter Schaipp

Alles fing vor einem halben Jahrhundert mit einem Bootsunterstand an, der nach und nach mit Fleiß und Geschicklichkeit zu einem Unterstand für Gäste und schließlich zu einem Gastraum ausgebaut wurde. Mitten in der Stadt entstand durch die Unsichtbarkeit der Langsamkeit ein raffinierter Schwarzbau. Bauherr: Bela Balogh, der Ältere. Ein Meisterwerk der Tarnung und Dreistigkeit, die sich im Windschatten einer sonst so pingeligen wie kleinteiligen Augsburger Verwaltung zu einem Kleinod der Behaglichkeit entwickelte, zu einer Augsburger Institution, die Bürgermeister, Stadträte, Künstler, Journalisten und andere Müßiggänger bewirtete.

Im Sommer wie im Winter war die Kahnfahrt ein Ort der Einkehr und der Geschwätzigkeit, wie es eben so ist, wenn man am Wasser sitzt und Tee trinkt. Dass dieser Flair durch indiskutable Öffnungszeiten des aktuellen Pächters langsam den Stadtgraben hinunter geflossen ist, muss an dieser Stelle nicht erörtert werden.

“Dass es sich um einen Schwarzbau handelt, hat man doch mit einem Blick erkannt”, sagte kürzlich der Architekt Sebastian Berz zur DAZ – und in der Tat muss man sich nur ein wenig  umhören, um festzustellen, dass der an die Stadtmauer angebaute Holzbau ein stadtbekannter Schwarzbau ist. Dies war bereits aktenkundig, als die aktuelle Oberbürgermeisterin Eva Weber als Liegenschaftsreferentin dafür in politischer Verantwortung stand.

Nachdem der aktuelle Pächter 2019 darüber informiert wurde, geschah lange nichts mehr. Das ist neben der langen Duldung der zweite Skandal der Causa Kahnfahrt, deren modrig muffelnder Anbau nun in 164 Tagen von der Stadt abgerissen wird. Gerade in der Corona-Phase wäre ein Abriss und eine Restauration gut möglich gewesen.

Dass nun die Kosten für den Abriss aus unerfindlichen Gründen von der Stadt übernommen werden, ist der dritte Skandal einer Geschichte, die dem Flying Circus der Komikergruppe Monty Python entsprungen scheint.

Die Verwaltung der Stadt Augsburg hat über Jahrzehnte hinweg nicht hingesehen und hat sich deshalb bezüglich der Kahnfahrt bis auf die Knochen blamiert. Sie unterließ es, eine angemessene Pacht einzustreichen und lässt, als wäre er dadurch noch nicht betrogen genug, den Steuerzahler auch noch für den Abriss aufkommen.

Dass sie nun aber so handelt, wie sie längst hätte handeln müssen, ist der Verwaltung nicht vorzuwerfen. Dass sie sich dafür vom Pächter der Kahnfahrt gegen das Schienbein treten lassen muss, indem er sich zum Opfer und die Stadt zum Täter stilisiert, ist eine erstaunliche Schrulle einer Geschichte, die nicht in Absurdistan spielt, sondern mitten in Augsburg – und noch lange nicht zu Ende ist.