Stadtplanung
Interview mit Architekt Wunderle: “Der größte Schandfleck ist der abfallende Ulrichsplatz”
Eberhard Wunderle gilt als der Architekt, der den autofreien Königsplatz ohne Tunnel ermöglichte. Sein Büro gewann – von einem Bürgerentscheid 2008 durchgesetzten – Ideenwettbewerb zum Königsplatzumbau. Die Frage, ob Wunderles Stadtplanung verkehrlich funktionieren wurde, bestimmte damals die Debatten der Lokalpolitik und sorgte in der CSU für schwere Zerwürfnisse. Heute lässt sich sagen, dass Wunderles Planung im Sinne der Verkehrsführung funktioniert. Aus politischen Gründen wurde allerdings die städtebauliche Großversprechung der Planung immer noch nicht realisiert. Aus dieser Erfahrung heraus, hat Wunderle eine klare Meinung zur aktuellen Maxstraßen-Debatte: “Wenn es gesicherte Vorgaben und zuverlässige Eckdaten gibt, ist der Ideenwettbewerb bestimmt der richtige Weg.”
DAZ: Herr Wunderle, Ihr Büro hat vor langer Zeit kurz nach der Kommunalwahl 2008 den Ideenwettbewerb zum Königsplatz gewonnen. Bis heute fehlt die Umsetzung des größten Versprechens Ihrer Pläne, nämlich die Umwandlung der Fuggerstraße in einen Boulevard.
Wunderle: Unser Büro hat in Zusammenarbeit mit innovativen Verkehrsplanern und Landschaftsarchitekten im Wettbewerb neue Ideen entwickelt, leider sind nur Teile vom Gesamtkonzept umgesetzt. – Am meisten schmerzt sicher der nicht realisierte Fuggerboulevard und der Entfall der notwendigen Entlastungsstraßen um die Innenstadt. Leider wurden Nordumfahrung oder vorgeschlagener Ost-West-Tunnel nicht weiterverfolgt. Der Verkehr wurde ohne Ersatzangebote verdrängt und die Vorstädte wie Thelottviertel und untere Altstadt leiden an der Verkehrsverlagerung. Dies bedauern wir sehr und fordern eine Nachbesserung im künftigen Mobilitätsplan ein.
DAZ: Haben sich denn die Eckdaten, hat sich also die verkehrliche Situation, der Klimawandel die Rahmenbedingungen in den vergangenen 15 Jahren nicht stark verändert, sodass eventuell Ihr “Fuggerboulevard” neu geplant werden müsste?
Die Abkehr von der autogerechten Stadt, mehr ÖPNV, besserer und mehr Fahrradverkehr sowie mehr an Stadtgrün gilt nach wie vor
Wunderle: Das Besondere daran ist, die Eckdaten von damals haben sich nicht verändert. Als Parameter gelten nach wie vor, die Abkehr von der autogerechten Stadt, mehr ÖPNV, besserer und mehr Fahrradverkehr sowie mehr an Stadtgrün. Der merkliche Klimawandel und der Druck der jungen Generation fordern jedoch heute mit größerem Nachdruck eine bessere Umwelt ein. Den Fuggerboulevard nun nach 15 Jahren planerisch anzupassen ist im Hinblick auf das neue Theaterquartier und den Stadtmarkt sicher sinnvoll, aber die Grundkonzeption eines grünen Stadtraumes bleibt Leitmotiv.
DAZ: Es fehlt also “nur” am Geld?
Wunderle: Das ist eine Frage der politischen Priorisierung und der städtebaulichen Notwendigkeit. Geld – fehlt an jeder Baumaßnahme, dies Ausrede zählt hier also nicht.
DAZ: Fehlende Finanzmittel. Das ist doch das einzige Argument dafür, weshalb der Kern Ihrer Planung nicht realisiert wurde.
Leider hat die Kostensteigerung am Theaterumbau damals die Maßnahme blockiert
Wunderle: Königsplatzumbau und Boulevard hätte man günstiger mit einer Baustelleneinrichtung und in einem Guss realisieren können. Im Hinblick auf die derzeitige Baukostensteigerung hätten wir viel Geld gespart. Leider hat die Kostensteigerung am Theaterumbau damals die Maßnahme blockiert, aber dies ist aber heute auch keine Ausrede mehr.
DAZ: Was müsste heute forciert geschehen?
Wunderle: Wichtig ist uns eine zeitnahe Realisierung der Fuggerstraße und eine Fertigstellung vor und nicht nach der Fertigstellung Theaterumbau. Eine blockierende Innenstadtbaustelle nach der Theatereröffnung soll den Augsburgern erspart bleiben.
DAZ: So wie damals von Ihnen vorgeschlagen?
Wunderle: Unsere Planung zum Boulevard sieht nach historischem Vorbild eine Gestaltung mit sechs Baumreihen vor, was im Sinne eines klimagerechteren Stadtumbaues auch heute top aktuell ist. Sollte eine Realisierung, wie angekündigt, nur wegen Geld eine vierer Baumreihe, also 30 Prozent weniger Bäume geplant werden, muß das schon gut begründet werden.
DAZ: Lassen Sie uns ein paar hundert Meter nach Süden blicken. Aktuell sorgt in Sachen Maximilianstraße der Vorstoß der Opposition für Schlagzeilen, dass nämlich wie 2008 ein Bürgerentscheid einen Ideenwettbewerb ermöglichen soll. Was halten Sie davon?
Wenn es gesicherte Vorgaben gibt, ist der Ideenwettbewerb bestimmt der richtige Weg
Wunderle: Bürgerbeteiligung und Bürgermitwirkung ist heute Grundlage jeder bedeutenden Planung. Aber: Ein Ideenwettbewerb braucht klare Vorgaben und Eckdaten sonst wird es wieder eine Schubladenplanung. Zur Zeit fehlen klare Aussagen zur Straßenbahntrasse, zum Denkmalschutz, zur Archäologie und zum Mobilitätsplan um einige zu nennen. Wenn es gesicherte Vorgaben und zuverlässige Eckdaten gibt, ist der Ideenwettbewerb bestimmt der richtige Weg.
DAZ: Ein Wettbewerb zu einer Straße mit Buslinien und Straßenbahnschienen, schließt vieles aus, wie zum Beispiel die Gestaltung der Maxstraße als eine Abfolge von Plätzen. Und dann gibt es ja auch noch Anwohner und Geschäftsleute.
Wunderle: Die Maxstraße ist ein Stadtbereich von europäischer Bedeutung und damit muss die Umbauplanung hohe Qualität haben. Kompromisse schaden meist dem klarem Ziel und auch deshalb würde wichtiges unter den Tisch fallen. Es wird Aufgabe der Politik bleiben, die nicht erfüllbaren Wünsche der Betroffenen zu kompensieren. Auch eine gute Planung kann das alleine nicht leisten.
DAZ: Welche Rahmenbedingungen müsste denn die Politik mindestens anbieten, um einen gehaltvollen Ideenwettbewerb ausschreiben zu können?
Der größte Schandfleck ist der abfallende Ulrichsplatz
Wunderle: Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb sind eine klar beschriebene Aufgabenstellung und eine qualifizierte Auslobung, die politisch abgesichert ist. Zudem sollte die Rechtssicherheit zur Umsetzung im Vorfeld geprüft werden.
DAZ: Haben Sie eine Meinung zur Maxstraße, wie sie heute ist?
Wunderle: Wer hat die nicht? – Die Architektenverbände hatten vor wenigen Jahren einen Workshop zum gleichen Thema mit renommierten, internationalen Architekten abgehalten. Das einstimmige Ergebnis war, die Straßenbahnlinie soll raus, die Idee war, die lange Straße nach historischem Vorbild wieder mit einer Platzabfolge zu gestalten – dies soll weiterverfolgt werden, der größte Schandfleck ist der abfallende Ulrichsplatz.
DAZ: Sollte man damit beginnen?
So gewinnen wir hohe Aufenthaltsqualität an einem Ort, wo nichts war
Wunderle: Genau! Der Vorschlag war deshalb, den Umbau der Kaisermeile von oben mit dem Ulrichsplatz zu beginnen. Zum Abschluss des Platzes nach Norden ist an einen Wiederaufbau der historischen Mittelbebauung gedacht, in welcher Art auch immer. Diese Lösung kann den Einstieg zum Umbau der Prachtmeile erleichtern, hier wird nicht der Verkehr zum zentralen Konfliktfaktor, der Handel um den Platz wird gestärkt und wir gewinnen hohe Aufenthaltsqualität an einem Ort, wo nichts war und erhalten damit bürgerliche Akzeptanz – aber dies ist nur ein Architektenvorschlag und vielleicht ein Einstieg.
DAZ: Herr Wunderle, vielen Dank für das Gespräch.
—————————————————————————————————————————— Fragen: Siegfried Zagler