DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Dienstag, 08.10.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Hurra, wir leben noch: Der lange Weg zurück zum Schulalltag

Sechs Wochen hat er gedauert, der Ausnahmezustand an den bayerischen Schulen. Nach den corona-bedingten Schulschließungen am 13. März öffnen sich die Schultüren für die Abschlussklassen der weiterführenden und beruflichen Schulen unter strengen Vorsichtsmaßnahmen erstmals am 27. April wieder. Für die meisten anderen Jahrgangsstufen geht es mit dem digitalen Fernunterricht bzw. mit dem Lernen zuhause wohl noch bis zu den Pfingstferien weiter, für die jüngsten Schulkinder wohl gar bis zum Ende des Schuljahrs.

Von Udo Legner

Grundsätzlich richtet sich die Ausweitung des Unterrichtsbetriebs nach der Entwicklung der weiteren Corona Infektionen. Geht es nach Ansicht  des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, könnten alle Schüler und Schülerinnen trotz Corona-Pandemie noch vor den Sommerferien wieder in die Schulen zurückkehren. 

Schichtmodell nach den Pfingstferien

Präsident Meidinger, der auch Direktor eines Gymnasiums in Bayern ist, hält hierfür ein «Schichtmodell» am praktikabelsten: Die Klassen werden geteilt und kommen abwechselnd für je eine Woche in die Schule und erhalten für die jeweils andere Woche Aufgaben für zu Hause. Auf diese Weise könnten beim Präsenzunterricht die geltenden Abstandsregelungen und strengen Hygienevorschriften eingehalten werden. Zudem würde verhindert, dass ganze Klassenstufen auf absehbare Zeit zu Hause bleiben müssten.

Weitere Vorteile bei diesem Vorgehen: Eltern könnten Betreuungs- und Arbeitszeiten besser planen, Raum- und Stundenpläne müssten kaum geändert und Fächer nicht gestrichen werden. Zudem würde die Gefahr gemindert, dass sozial benachteiligte und leistungsschwache Kinder und Jugendliche sowie Schüler mit besonderem Förderbedarf durch dauerhafte Abwesenheit abgehängt würden. Endgültig befunden über das weitere Vorgehen und die Rückkehr zum Präsenzunterricht wird in einer Konferenz durch die zuständigen Kultusminister der Länder.

Schule im Corona-Modus

Angehende Abiturienten müssen vor dem Start der Abiturprüfungen keine Klausuren mehr schreiben. Das gilt sowohl für die Gymnasien als auch für die Fach- und Berufsoberschulen. Ab dem 27. April wird damit nur noch gezielte Prüfungsvorbereitung in den Prüfungsfächern angeboten. Die Abiturprüfungen an den Gymnasien beginnen am 20. Mai. An den Fach- und Berufsoberschulen starten sie ab dem 18. Juni.

Fakt ist, dass die Corona bedingte Schließung der Schulen die gesamte Schulfamilie vor enorme Herausforderungen und Belastungen stellte. Die Sehnsucht nach einem Ende der schulfreien Zeit dürfte deshalb erstmals bei Schülern, Eltern und Lehrkräften ähnlich groß sein.

Problemfeld Digitalisierung

Dass die Schulen von der Corona-Krise kalt erwischt wurden, ist nicht verwunderlich. Trotz des im Jahr 2016 durch die Bundesregierung beschlossenen Digitalpakts hinkt Deutschland im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weiter hinterher. In den meisten Schulen stehen Internet und WLAN nur in wenigen Klassenzimmern für den Unterricht zur Verfügung und die Arbeit an den Rechnern findet fast ausschließlich in den PC Räumen oder – falls vorhanden – im Lernlabor statt. Auch wenn jede weiterführende Schule ihr eigenes Medienkonzept nach den Vorgaben des Ministeriums erstellen darf, hängt dessen erfolgreiche Realisierung und Umsetzung viel zu oft davon ab, ob sich unter den Lehrkräften einer Schule genügend IT-Experten befinden. Dass fast die gesamte Wartung der IT-Ausstattung einer Schule einer Lehrkraft obliegt, die dafür bestenfalls ein paar Verfügungsstunden erhält, ist sicherlich ein weiteres Manko, das beim Blick über den Tellerrand umso unverständlicher wird. In Großbritannien oder den Niederlanden etwa werden diese Aufgaben seit eh und je von IT-Experten wahrgenommen, die an den Schulen angestellt sind.

Frust und Lust des Fernunterrichts

Die vermeintlichen Vorteile, die der Fernunterricht für Schüler und Schülerinnen mit sich bringt   – weniger (Leistungs-)Kontrollen, mehr Freiheiten und größere Selbständigkeit –  werden von den Nachteilen schnell überlagert. Wie wichtig es nämlich für Jugendliche ist, sich mit den Mitschülern auszutauschen und zu messen wird sehr schnell deutlich, wenn diese Möglichkeiten wegfallen. Vermisst wird auch der Methodenwechsel, wozu etwa die Arbeit und das Präsentieren im Team und der direkte Kontakt zur Lehrkraft zählen, die um die Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler weiß und dies bei der Unterrichtsgestaltung durch entsprechende Differenzierung zu berücksichtigen vermag.

Nicht wenige Eltern haben in den letzten Wochen realisiert, wie schwierig es ist, die Rolle des Ersatzlehrers und Lern-Coaches einzunehmen. Ob sich solche Corona-Erfahrungen in einer zukünftigen größeren Wertschätzung der Lehrkräfte niederschlagen werden, bleibt abzuwarten. Schon etwas weniger Lehrerschelte und pauschales Schul-Bashing wäre ein Fortschritt. Lehrkräfte wie Schulleitungen mussten nicht nur mit den Kapazitätsgrenzen der an den bayerischen Schulen etablierten Lernplattform mebis zu Rande kommen, sondern lernten auch schnell die Vorzüge des wesentlich praktikableren Tools MS-Teams kennen. Bleibt die Hoffnung, dass dieses Tool den Schulen auch dann noch zur Verfügung gestellt wird, wenn der Alltag an den Schulen längst wieder eingekehrt ist. 

Die Krise als Chance

Neben der Einsicht in die Dringlichkeit einer umfassenden Digitalisierungsoffensive hat die Corona-Krise auch deutlich gemacht, dass längst nicht allen Schüler und Schülerinnen die für einen zeitgemäßen Unterricht benötigte Hardware zur Verfügung steht. Hier mehr Chancengerechtigkeit herzustellen, ist eine der größten Herausforderungen der Bildungspolitik in der post-Corona-Ära. 

„Schule ist mehr“ – Leitbild des Maria-Theresia-Gymnasiums, Grafik: Nontira Kigle

Klar wurde durch die Corona-Krise auch, dass Schule viel mehr ist als ein“ Learning and Teaching to the Test“. Wie schmerzlich das Miteinander bei Schulveranstaltungen vermisst wurde, äußerten vor allem die Schüler und Schülerinnen, denen wegen des Corona-Ausnahmezustandes die Teilnahme an bereits geplanten Schüleraustauschprogrammen, Schreibwerkstätten, Schulturnieren, Theateraufführungen, Schulfeten und Abifeiern sowie Fahrten, Frühlingskonzerten und und und … unwiederbringlich verwehrt blieb.