Gerüchte-Melder IX
Nach der Stadtratswahl ist vor der Referentenwahl. In der Zwischenzeit müssen sich die gewählten Stadträte mit „ihren“ Parteien und zusammen mit „ihrem“ Oberbürgermeister auf einen Kurs verständigen. Dabei geht es, sollte man meinen, um Themensetzungen für die kommende Ratsperiode. Am 2. Mai wird in Augsburg ein zweites Mal gewählt: Der Stadtrat wählt „seine“ Referenten. In der Zeit zwischen der Kommunalwahl und der Refentenwahl ist alles im Fluss. In dieser Zeit entstehen in den Parteistuben täglich neue Pläne, die sich als Gerüchte verbreiten und von Auguren bewertet werden. Bis zur Referentenwahl gibt es deshalb das DAZ-Format „Gerüchte-Melder“.
Wozu wählen, wenn dann doch alle Regierung sind?
Am gestrigen Samstagnachmittag trafen sich CSU und die SPD zu konkreten Koalitionsverhandlungen. Bei allen offenen Themen von Relevanz soll es große Übereinstimmung gegeben haben. Es ist davon auszugehen, dass die CSU der SPD kein anderes Szenario angeboten hat, als jenes, das bereits kurz nach der Wahl durch die Stadt geisterte: Die SPD kann allein mit der CSU in ein Regierungsbündnis gehen, also mit zwei Referaten und einem Bürgermeistertitel. Davon, dass die Grünen aufgrund einer Handvoll Vereinbarungen das Umweltreferat zugesprochen bekommen und dennoch jenseits dieser festen Vereinbarung Oppositionsarbeit leisten dürfen, hält die SPD nicht viel. „Entweder-oder“, so die Parole der SPD, vor den Verhandlungen mit der CSU. Die SPD sähe die Grünen gerne in einer Dreier-Koalition.
Vor wichtigen Verhandlungen der Parteien ist deren Informationspolitik jedoch noch stärker von Eigennutz geleitet als dies üblicherweise der Fall ist, womit gesagt sein soll, dass bestimmte Gerüchte Halbwertszeiten von wenigen Stunden haben. Eine Dreier-Koalition ist ohnehin, wie es aus CSU-Kreisen heißt, in der CSU nicht mehrheitsfähig. Und zwar deshalb, weil es einem Wahlgewinner nicht gut steht, wenn er das Wählervotum so auslegt, dass er – ohne einen plausiblen Grund anzuführen – als grandioser Wahlsieger die ehemalige Opposition beinahe komplett mit ins Regierungsboot nimmt. „Das gibt das Wahlergebnis nicht her“, so der Kanon einiger CSU-Stadträte. Man könnte es noch härter formulieren: Wozu wählen, wenn dann doch alle Regierung sind?
Auch bei der Grünen „Sonder-Stadtversammlung“ wurde gerätselt, warum die CSU die Grünen in einem Bündnis dabei haben will. „Ich gehe davon aus, das hat damit zu tun, dass sie in den letzten sechs Jahren festgestellt haben, dass wir so gut sind, alles andere ist Spekulation“, so Reiner Erben am Freitag. Erben würde, das war freitags zu spüren, gerne als Umweltreferent mitgestalten. (Dass die CSU meint, dass die Augsburger Grünen so gut sind, dass man sie unbedingt in der Regierung dabei haben müsse, war auf der Grünen Sonderversammlung natürlich die gewagteste Spekulation.)
Die Option der Grünen Regierungsteilhabe, wie am heutigen Sonntag ein Gerücht sagt, sei auch nach dem CSU/SPD Samstagsgespräch, das 3,5 Stunden gedauert haben soll, noch gegeben. Die Grünen werden wohl am morgigen Montag in ihrem Gespräch mit der CSU einen klar umrissenen Rahmen ihres Mitwirkens bei einem von CSU und SPD geschmiedeten Regierungsbündnisses angebotenen bekommen. Weshalb die CSU die Grünen überhaupt mit im Boot haben will, war außerhalb der Gerüchte-Küche nicht zu fixieren. Das plausibelste Gerücht: Mit den Grünen könne sich der OB gerade in vielen Feinabstimmungsthematiken in der Verkehrspolitik gegen die Opposition im eigenen Lagern am besten absichern. 23 CSU-Sitze, 13 SPD-Sitze plus eine OB-Stimme (=37) müssten aber auch bei den Verhältnissen der Augsburger CSU für eine sichere Mehrheitsbildung in einem sechzigköpfigen Stadtrat ausreichen. Oder ist vielleicht der erst 2008 in die CSU eingetretene Kurt Gribl im Grunde seines Herzens ein Grüner? Würde man die Grünen in das Regierungsbündnis mit aufnehmen, hätte die Regierungskoalition eine Mehrheit von 44 Sitzen. Die Oppositionsarbeit bliebe einem bunt zusammen gewürfelten Haufen von 17 Stadträten überlassen.
Bei der Vermutung, dass Kurt Gribl ein Grünes Herz habe, handelt es sich jedenfalls um eine weniger spekulative Annahme, als bei der Erben-Spekulation „des so Gut-Seins der Grünen“.
Ein weiteres Gerücht, das sich von Stunde zu Stunde erhärtet: Im neuen Stadtrat soll es ein Referat weniger geben. Unter dem Regenbogen war das Wengert´sche „Wirtschaftsreferat“ beim OB-Referat verortet. Eine diskutable Struktur, da aber Wirtschaftsreferentin Eva Weber auf ein herausragendes persönliches Wahlergebnis verweisen kann und darüber hinaus als „Darling“ des OB gilt, ist eher damit zu rechnen, dass das Ordnungsreferat als eigenständiges Referat die Segel streicht.